Die 2000er

Stand

Die Terroranschläge von 9/11 führen zu Beginn des Jahrtausends zu neuen Kriegen und Spannungen. Angela Merkel nutzt die Krise der CDU und ebnet sich den Weg zur Kanzlerin.

Weitere Ereignisse in chronologischer Reihenfolge

20.2. bis 10.3.2000 Schröder will Greencard, CDU will „Kinder statt Inder“

20.2. bis 10.3.2000 | Ende der 1990er, Anfang der 2000er-Jahre boomt die IT-Branche, die so genannte „New economy“. Doch Deutschland fehlt es an IT-Fachleuten. Die Industrie sieht einen Bedarf von 75.000 zusätzlichen Kräften. Die Rot-grüne Bundesregierung will deshalb ausländische IT-Fachleute, etwa aus Indien ins Land holen. So kündigt es Bundeskanzler Gerhard Schröder am 23. Februar 2000 an und nutzt dafür eine passende Bühne: Die Computermesse Cebit in Hannover. Dort wirbt er für seine Idee einer Greencard nach US-Vorbild: "Bei uns wird sie halt red-green heißen", witzelt er.
Ausländische IT-Fachkräfte anwerben – die Union hält das für den falschen Weg. In Nordrhein-Westfalen, wo gerade der Landtagswahlkampf anläuft, gibt der dortige CDU-Vorsitzende und Spitzenkandidat Jürgen am 9. März die Parole aus „Kinder statt Inder“.
Es hagelt Proteste, Rüttgers wird Rassismus vorgeworfen. Auch wird ihm vorgehalten, in seiner Amtszeit als Bundesforschungs- und "Zukunfts-"Minister zu wenig für den IT-Nachwuchs getan zu haben. Doch Rüttgers verteidigt tags darauf seine Wortwahl im Interview mit SWR1 und gibt die Schuld der Industrie, die zu wenige Fachkräfte ausgebildet habe.
Am selben Tag wird auch erst bekannt, wie die Greencard-Idee konkret umgesetzt werden soll. Sie ist - wegen der zeitlichen Befristung - nicht wirklich vergleichbar mit dem US-Vorbild und bleibt auch hinter den Erwartungen der Wirtschaft zurück.

10.4.2000 Angela Merkels "Bewerbungsrede" auf dem Essener Parteitag

10.4.2000 | Merkel wird auf dem CDU-Parteitag am 10. April 2000 zur neuen Parteichefin gewählt. Zuvor hielt sie eine einstündigen Rede, in der sie die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer massiv angriff. Nebenbei gratuliert sie Helmut Kohl zu seinem 70. Geburtstag.

26.6.2000 Menschliches Genom entschlüsselt – Rede von US-Präsident Clinton

26.6.2000 | Das Genom ist so weit entziffert, dass US-Präsident Bill Clinton im Weißen Haus eine feierliche Pressekonferenz abhält. Die damals geäußerten Hoffnungen erwiesen sich mittlerweile als übertrieben.

25.10.2000 Merz propagiert "Leitkultur" – Union streitet

25.10.2000 | Im Oktober 2000 bringt Friedrich Merz – damals Fraktionsvorsitzender der Union – den Begriff Leitkultur erstmals in die politische Debatte ein, und zwar in einem Interview mit der Rheinischen Post am 18. Oktober. Das Interview wird nicht im Wortlaut abgedruckt, sondern nur indirekt wiedergegeben, im entscheidenden Satz heißt es: "Nach Auffassung des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz müssen sich Zuwanderer, die auf Dauer hier leben wollen, einer gewachsenen freiheitlichen deutschen Leitkultur anpassen." Und: "Zur maßgeblichen Leitkultur zählt Merz beispielsweise die Überzeugung, dass auch Zuwanderer einen eigenen Integrationsbeitrag leisten müssten; dass sie sich dabei anpassen müssten an die in diesem Land gewachsenen kulturellen Grund-Vorstellungen." Von den Regierungsparteien und der FDP erntet Merz damals erwartungsgemäß heftige Kritik, aber auch seine eigenen Parteifreunde sind nicht begeistert. Eine Woche nach Erscheinen des Artikels überwiegt in der CDU die Kritik an Merz – im Beitrag unter anderem von Günther Öttinger, Heiner Geißler und Laurenz Meyer. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel verteidigt Merz zwar, vermeidet es aber, das Wort zu wiederholt.

2.11.2000 In der ISS ist die Besatzung eingezogen

2.11.2000 | Am 2. November 2000 zieht auf der Internationalen Raumstation die erste internationale Besatzung ein – zwei russische Kosmonauten und der US-Amerikaner Bill Shepherd, der auch das Kommando hat. Die ISS löst die zuvor rein russisch betriebene Raumstation MIR ab.

Herbst 2000 Gerichtsdrama um US-Präsidentenwahl Bush vs. Gore

Herbst 2000 | Am 7. November des Jahres 2000 wählen die US-Bürger einen Präsidenten. Doch fünf Wochen, bis zum 12. Dezember, dauert es, bis der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten durch ein Urteil schließlich George W. Bush zum Gewinner und Al Gore zum Verlierer machte – obwohl die Verteilung der Wählerstimmen andersherum war.

23.9.2002 Angela Merkel kickt Friedrich Merz weg

23.9.2002 | Der Tag nach der Bundestagswahl. Angela Merkel, seit 2 Jahren CDU-Vorsitzende, reklamiert jetzt auch den Fraktionsvorsitz für sich. Den hatte bis dahin Friedrich Merz inne, der schließlich zu ihrem Stellvertreter degradiert wird.

31.12.2002 Gerhard Schröder bei der Einweihung des Transrapid in Schanghai

31.12.2002 | Deutschland schafft und liefert innovative Zukunftstechnologie für die ganze Welt. Das sollte die große Erzählung sein im Zusammenhang mit dem Transrapid, der von Siemens und Thyssenkrupp entwickelten Hochgeschwindigkeits-Schwebebahn.
Der Durchbruch scheint Ende des Jahres 2002 erreicht. Der frisch wiedergewählte Bundeskanzler Gerhard Schröder reist eigens nach Schanghai, um an Silvester bei der Einweihungsfahrt der ersten 30 km langen Transrapidstrecke von der Schanghaier Innenstadt zum Flughafen Pudong dabei zu sein.
Auch das gehört zur Erzählung: Schröder, der Innovationskanzler und der Transrapid, der Startschuss in eine neue Verkehrs-Ära. Beflügelt werden der Kanzler und seine Begleiter aus der Industrie auch von der Andeutung aus Peking, dass auf den ersten Transrapid bald ein zweiter Auftrag folgen könne.
Doch zu früh gefreut. Mehr als diese eine Transrapidstrecke kam nie zustande, jedenfalls nicht im Regelbetriebe. Schon das Anschlussprojekt in China scheiterte an hohen Kosten und Protesten, und auch weitere Anläufe in anderen Ländern führten nie zu einem Abschluss.

27.1.2003 Zentralrat der Juden und Bundesregierung unterzeichnen Staatsvertrag

27.1.2003 | Bundeskanzler Gerhard Schröder und Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden, unterzeichnen den ersten Staatsvertrag zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Bundesrepublik Deutschland. In seiner Dankesrede betont Paul Spiegel die Bedeutung des neuen Staatsvertrags zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Bundesrepublik Deutschland.

20.3.2003 Beginn des Irak-Kriegs

20.3.2003 | Am 20. März 2003 greifen die USA unter Präsident George W. Bush den Irak an. Großbritannien wird sich kurz darauf anschließen. Die offiziellen Begründungen lauten: Der Irak unterstütze den internationalen Terrorismus und das Terrornetzwerk al-Qaida. Und der Irak habe Massenvernichtungswaffen. Beides hielten die meisten unabhängigen Fachleute damals schon für falsch, was sich später auch bestätigen sollte. Die Bundesregierung lehnte den Krieg zusammen mit Frankreich und Russland ab. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte damit im vorangegangenen Bundestagswahlkampf auch Punkte in der Bevölkerung gemacht. Das Verhältnis zum US-Präsidenten hatte darunter ziemlich gelitten, doch die USA hat es nicht vom Krieg abgehalten. In vielen Radiosendern laufen an jenem Tag Sondersendungen mit Berichten aus aller Welt. Wir hören Berichte über die Reden von US-Präsident Bush, von Iraks Diktator Saddam Hussein und US-Verteidungsminister Donald Rumsfeld. Und wir hören die kritische Stellungnahme von Bundeskanzler Gerhard Schröder und noch kritischere Reaktionen aus der deutschen Bevölkerung. Doch los geht es mit einem ersten Live-Gespräch um 4:30 Uhr mit ARD-Reporter Stephan Kloss, der die Situation in der Hauptstadt Bagdad schildert.

7.5.2003 Der junge Christian Drosten identifiziert 2003 SARS-Virus

7.5.2003 | Der Virologe Christian Drosten ist in der Corona-Krise einer der wichtigsten Ratgeber der Bundesregierung. Doch schon während der SARS-Pandemie 2003 macht er als junger Forscher in Hamburg Schlagzeilen. Er identifiziert zusammen mit Kollegen den tödlichen Erreger und entwickelt früh einen Test. NDR-Reporter Oliver Rabieh hat ihn damals getroffen.

5.6.2003 FDP-Politiker Jürgen Möllemann stirbt bei Fallschirmabsturz – Suizid oder Unfall?

5.6.2003 | Jürgen W. Möllemann hatte eine steile politische Karriere hinter sich. Bundesbildungsminister, Bundeswirtschaftsminister, Vize-Kanzler unter Helmut Kohl. Dann zwingt ihn ein Compliance-Skandal – die sogenannte Briefbogen-Affäre – zum Rücktritt. Möllemann steigt aber wieder auf, wird erfolgreicher FDP-Wahlkämpfer, inszeniert sich medienwirksam als Fallschirmspringer bei Auftritten und bekommt einen großen Einfluss auf die Partei. Dann aber zieht er erneut die Kritik auf sich: zum einen mit antisemitischen Äußerungen, zum anderen durch eine Parteispendenaffäre in der nordrhein-westfälischen FDP und Schwarzgeldkonten. Auch der Verdacht der Steuerhinterziehung steht im Raum. Er wird zum Austritt aus der FDP gedrängt, behält aber sein Bundestagsmandat, einsam in den hinteren Reihen. Am 5. Juni 2003 hebt der Bundestag seine Immunität auf, am selben Tag findet auch bei ihm zu Hause eine Razzia statt. Kurz darauf begibt sich Möllemann wieder einmal auf einen Fallschirmflug. Springt ab – und kommt ums Leben. Die Frage: Suizid oder Unfall hat sich schon an diesem Tag gestellt. Ich selbst, Gábor Paál, habe an diesem Abend eine Hintergrundgrundsendung in SWR1 moderiert.

12.7. 2004 Italien verhaftet Seenotretter der Cap Anamur

12.7. 2004 | Die "Cap Anamur" bringt 37 gerettete afrikanische Flüchtlinge nach Sizilien. Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel wird verhaftet. Fünf Jahre später entscheidet das Gericht in Sizilien: Freispruch!

30.5.2005 "Ich will Deutschland dienen": Angela Merkel wird Kanzlerkandidatin

30.5.2005 | Am 22. Mai 2005, nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgezogene Neuwahlen angekündigt. 2002 war er noch gegen Edmund Stoiber angetreten. Jetzt wird CDU-Chefin Angela Merkel neue Kanzlerkandidatin der Union.

8.11.2006 Rabbinerin Elisa Klapheck über ihren Werdegang und das Judentum in Deutschland

8.11.2006 | Bea Wyler bleibt als Rabbinerin in Deutschland nicht allein. Auch die in Düsseldorf aufgewachsene Feministin und Journalistin Elisa Klapheck lässt sich in den USA zur Rabbinerin ausbilden. Seit 2009 leitet sie in Frankfurt am Main den "Egalitären Minjan" der dortigen jüdischen Gemeinde.

15.9.2008 Weltfinanzkrise: Lehman Brothers meldet Konkurs an

15.9.2008 | Die Weltfinanzkrise Ende der Nuller-Jahre beginnt als Immobilienkrise. Zu viele US-Bürger haben zu viele Immobilien gekauft, die Banken haben ihnen dafür bei niedrigen Zinsen leichtfertig Kredite ohne ausreichende Sicherheiten gegeben. Die Regeln auf dem Finanzmarkt waren damals so, dass sie damit scheinbar nicht viel riskierten. Doch dann steigen die Zinsen Mitte der Nuller-Jahre, viele Hausbesitzer können ihre Kredite nicht mehr abzahlen, verkaufen ihre Häuser – doch weil das viele auf einmal tun, gehen die Immobilienpreise in den Keller, Dadurch bekommen die Hausbesitzer für ihre Immobilien nicht mehr den ursprünglich gezahlten Preis und können ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen. Und weil es viele sind – bekommen zunächst die Banken ein massives Problem – und schließlich die gesamte Weltwirtschaft.
Die Bombe platzt am 15. September 2008, als die Großbank Lehman Brothers Konkurs anmeldet. Sie hat Schulden von 600 Milliarden US-Dollar. Wie schnell von da an die Finanzwirtschaft mitgerissen wird, verdeutlichen die folgenden Hintergrundberichte aus den ersten vier Tagen.
An Tag zwei strauchelt schon der weltgrößte Versicherungskonzern, die American International Group.
Und schließlich kommt heraus, dass die bundesdeutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau noch am Morgen nach der Lehman-Insolvenz einen dreistelligen Millionenbetrag an die Pleitebank überwiesen hat.

3. bis 5.4.2009 Barack Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt

3. bis 5.4.2009 | Als Ende 2008 Barack Obama zum neuen US-Präsidenten gewählt wird, setzen viele große Hoffnungen in den jungen Charismatiker. Wie sehr er Menschen begeistern kann, zeigt sich auch bei seinem Europa-Besuch Anfang April 2009. Obama ist noch keine drei Monate im Amt und überrascht die Welt mit einem großartig klingenden Plan, den er auf einer Rede vor 4.000 Jugendlichen am 3. April in Straßburg erstmal nur andeutet: Er werde beim EU-USA-Gipfel in Prag Vorschläge für eine Welt ohne Atomwaffen unterbreiten.
Nicht nur die Jugendlichen in Straßburg sind begeistert, auch der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigt sich erfreut über dieses "Signal von großer Tragweite". Endlich sei das Abrüstungsthema wieder auf der Tagesordnung.
Barack Obama reist von Straßburg weiter zum NATO-Gipfel nach Baden-Baden und von dort weiter zum EU-USA-Gipfel nach Prag. Dort führt er seinen Gedanken vor 20.000 Zuschauern noch etwas weiter aus.
Noch im selben Jahr bekommt er für seine Abrüstungsideen den Friedensnobelpreis – von dem später viele sagen werden, dass das viel zu früh war. Denn rückblickend betrachtet war es nicht mehr als ein großes Versprechen: eine charismatische Rede, aus der nichts weiter wurde.

9.7.2004 Erstes Zuwanderungsgesetz in Deutschland

9.7.2004 | Deutschland sei kein Einwanderungsland – das war das Mantra der Bundesregierung Kohl bis 1998. Es war einfach nicht vorgesehen, dass Menschen – abgesehen von humanitären Gründen – dauerhaft nach Deutschland zogen.
Die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder sieht das anders. Und die Wirtschaft macht auch Druck, ihr fehlen schon damals qualifizierte Fachkräfte. Im Jahr 2000 kündigt Kanzler Schröder erstmals an, qualifizierten IT-Fachkräften einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu gewähren.
Bald darauf beschließt die Bundesregierung das erste echte Zuwanderungsgesetz – ein Gesetz, das sich eben auch am Arbeitsmarkt orientiert. Doch das scheitert zunächst am Hickhack im Bundesrat.
Am Ende geht Gerhard Schröder auf die Opposition zu. Nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedet zunächst der Bundestag und am 9. Juli 2004 auch der Bundesrat das Zuwanderungsgesetz, das auch von Union und FDP mitgetragen wird.
Dass der Kompromiss zustande kam, war auch der CDU-Politikerin Rita Süssmuth zu verdanken. Sie leitete damals den Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration. Dessen Berichte haben damals geholfen, die Debatte zu versachlichen. Als das Gesetz verabschiedet wird, äußert sie sich dazu im SWR.

23. bis 26.10.2002 Terrorangriff und Geiselnahme in Moskauer Theater

23. bis 26.10.2002 | Am 23. Oktober 2002 stürmen mehr als 40 tschetschenische Terroristen das Moskauer Dubrowka-Theater, wo gerade ein Musical läuft. Sie nehmen mehr als 700 Geiseln. Am zweiten Tag gibt es schon erste Tote. Politischer Hintergrund ist der zweite Tschetschenien-Krieg, der drei Jahre zuvor begonnen hatte, forciert von Wladimir Putin.

Und dann ...

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SWR