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Ein erster Olympiasieger: Christophe Rousset mit „L‘Olimpiade“ von Cimarosa

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AUTOR/IN
Manuel Brug

Oper und Sport: Da werden Töne hochgeworfen, es wird ausdauernd und energiereich gesungen. Aber eine Oper über Zehnkämpfe, Reiten, Turnen, Schwimmen oder Stabhochsprung? Dazu gibt es ein berühmtes, mehrfach in der Barockzeit vertontes Textbuch: „L‘Olimpiade“ von Metastasio. Jetzt ist die Opernversion des Neapolitaners Domenico Cimarosa von Christophe Rousset neu eingespielt worden.

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Zurück zu den Wurzeln

Diese Musik klingt hurtig, man könnte sagen sportiv. Und sportlich ist schließlich auch der Hintergrund dieser Barockoper, die das bereits im Titel offenbart. „L’Olimpiade“ von Dominico Cimarosa. Die Kulisse – nicht für Zehnkämpfe aber für allerlei amouröse Kurzstrecken-Scharmützel – sind die Olympischen Spiele, so wie jetzt auch bald wieder starten.

Aber eben nicht in Paris, sondern noch am Originaltatort, dem griechischen Olympia. Und zu ziemlich uraltgriechischer Zeit spielt auch diese Liebesgeschichte im Dreieck.

Olympische Ringe vor dem Rathaus in Paris
2024 findet die Olympischen Spiel nach genau 100 Jahren wieder in Paris statt. Diese Oper spielt jedoch nicht in Paris, sondern im Ort Olympia, wo die Sommerspiele ihren Namen erhielten.

Licida bittet dort seinen Freund Megacle, unter seinem Namen am olympischen Wettkampf teilzunehmen. Dieser ahnt zunächst nicht, dass es sich bei dem Siegespreis um seine eigene Geliebte Aristea handelt. Das darf natürlich nicht sein, und am glücklichen Ende bekommt sich das für einander bestimmte Paar, so wie auch Licida und Argene zusammenfinden.

Am Ende des ersten Aktes dürfen übrigens Megacle und Aristea, gesungen von der Mezzosopranistin Maite Beaumont und der Sopranistin Rocio Pérez auch das einzige Duett der „L’Olimpiade“ singen – in vollendeter Harmonie.

Cimarosa statt Vivaldi

1784 kam diese Vertonung durch den jungen Domenico Cimarosa für eine Theatereinweihung in Vincenza heraus. Das Sujet ist die vielfach wiederzuentdeckende, weil sehr oft vertonte Barockoper der sportlichen Stunde. Und während man gerade in Paris, kurz vor dem aktuellen Anstecken des Olympischen Feuers an der Seine, die „L’Olimpiade“-Version-Vivaldi-Variante spielen wird, hat Château de Versailles Spectacles bereits die Cimarosa-Version aufgeführt wie aufgenommen.

Unter keinem geringeren übrigens als dem absoluten Spezialisten Christophe Rousset. Der stilkundige Cembalist und Orchesterleiter weiß mit seiner Formation Les Talens lyiques traumsicher, wie zart und hart, wie rasant und gelassen das jeweils punktgenau zu klingen hat. Und keine Angst, hier singen nicht nur hohe Stimmen, sondern auch zwei Tenöre. Etwa der Kanadier Josh Lovell, er prunkt als König Clistene mit seiner bombigen Höhe.

Beliebter Stoff

Ein „L’Olimpiade“ von Vivaldi, 50 Jahre später noch eine von Cimarosa, wie kann das sein? Ganz einfach, weil ihr Textautor so ungemein beliebt und berühmt ist, berühmter als alle Komponisten dieser Zeit. Deshalb hatten die meisten Libretti des Wiener Hofpoeten Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi, besser bekannt als Metastasio, ein weit längeres Bühnenleben als die Opern für die sie geschrieben wurden.

Manche erfuhren zwischen den 18. und 19. Jahrhundert um die 100 Vertonungen durch die allerberühmtesten Barockkomponisten bis hin zu Mozart und spätere. Das gilt auch für „L’Olimpiade“, die erstmals in der Vertonung von Hofkomponist Antonio Caldara 1733 in Wien aufgeführt wurde.

Vivaldi, Pergolesi, Hasse, Cherubini, Jommelli sind nur die berühmtesten Nachfolger, selbst Gaetano Donizetti versuchte sich noch im Zeitalter der Romantik an dem Text – und scheiterte.

Statue von Pietro Metastasio
Das Opern-Libretto zu L'Olimpiade stammt von Pietro Metastasio, der mit bürgerlichen Namen Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi hieß. Da Libretto wurde über 70 Mal vertont, unter anderm von Vivaldi und Cimarosa, und zählt damit zu den beliebtesten Libretti der Musikgeschichte.

„Unterhaltsam, temporeich und gefühlvoll mitreißend“

Was war so toll an Metastasio? Seine Geschichten hatten Moral und waren staatstragend, für das Zeitalter der Repräsentationsoper wichtig. Aber sie waren auch eloquent und witzig. So wie die „L’Olimpiade“ von Cimarosa schon Zeichen von dessen Buffa-Opern trägt, obwohl es hier nur ausdrucksvolle, orchesterbegleitete Rezitative und lange da-Capo-Arien gibt.

Bis sich am guten Ende alles vital in einem Finale aller Beteiligten auflöst. Mag diese „L’Olimpiade“ die echten Spiele nur als Hintergrund nutzen, hoffentlich werden die aktuellen in Paris genauso unterhaltsam, temporeich und gefühlvoll mitreißend. Mögen die Spiele also beginnen, denn die olympische Oper ist bereits in der Zielgerade angekommen.

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Manuel Brug