Als Arnold Schönberg 1951 stirbt, hat bereits die Deutungshoheit über sein Werk begonnen. Wie revolutionär ist es – und wie wegweisend sollte es für andere Komponisten werden?
Der Einstein der Musik stirbt
Am 13. Juli 1951 stirbt Arnold Schönberg in seinem Haus im Stadtteil Brentwood, Los Angeles. Einige Tage später formuliert Dimitri Mitropoulos, Chefdirigent der New York Philharmonic, eine gewichtige Würdigung. „Schönberg“, schreibt er, „hat für die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts das getan, was Einstein für die Wissenschaft getan hat.“
Eine Zeitenwende also. Eine Entdeckung, die die Welt aus den Angeln hebt. Aber, wie das so ist mit bahnbrechenden Erkenntnissen – auch mit musikalischen – sie erschließen sich meist nicht von jetzt auf gleich. Schönberg hatte sich auf diesen „Verzug“ eingestellt — und sich dabei in bester Gesellschaft gesehen.
Zensur ab 1933, Wiederentdeckung nach 1945
Als Schönberg im März 1931 im Berliner Rundfunk eine Bitte um etwas Geduld mit der Neuen Musik ausspricht, ist er von Zuversicht getragen: seine Kompositionsklasse findet regen Zulauf, seine Musik wird geschätzt und diskutiert.
Schon zwei Jahre später ist alles das hinfällig. Für zwölf Jahre findet die Neue Musik kein Gehör mehr, wird verfemt, als „entartet“ denunziert und verschwindet aus der Wahrnehmung. Nach 1945 heißt das vor allem: Bevor die Musikgeschichte weitergeschrieben werden kann, muss die vorenthaltene zunächst einmal wiederentdeckt werden. Und da ist Schönberg natürlich eine zentrale Figur.
Schönberg = Fortschritt
Schönberg wird zu einer Leitfigur der musikalischen Nachkriegsavantgarde. Erheblichen Anteil daran hat eine Schrift, die 1949 erscheint: Die Philosophie der Neuen Musik von Theodor W. Adorno. Hier steht Schönberg für den Fortschritt, für ein zukunftsweisendes Komponieren.
Adornos Buch verfehlt seine Wirkung nicht, zumindest kurzzeitig. Denn schon ein halbes Jahr nach Schönbergs Tod setzt sich ein neuer Blick auf den Zwölfton-Revolutionär durch.
„Schönbergs Musik ist noch heute gegenwärtig“
Im Dezember 1951 verfasst der damals 26-jährige Komponist Pierre Boulez einen Nachruf der etwas anderen Art: „Schoenberg est mort!“ — „Schönberg ist tot!“ — überschreibt er seinen Essay, in dem konstatiert wird, dass die Neuordnung der Tonhöhen ein erster Schritt auf dem Weg zu einer wirklich Neuen Musik ist — nicht mehr und nicht weniger.
Zum Königsweg wird eine Zuspitzung dessen, was Schönberg vorgelegt hat. Die sogenannte Serielle Musik ist eine Art „Schönberg 2.0“, und der Meister selbst wird von seinen jungen Nachfolgern inzwischen als etwas old school betrachtet. Aber das muss ja auch so sein!
Eines ist ohnehin unstrittig: Ohne Arnold Schönberg hätte sich die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts ganz anders entwickelt. Sein Befreiungsschlag hat nicht nur Dur und Moll überwunden, sondern ein neues Denken mit und über Musik freigesetzt. Diese Dynamik wirkt bis heute und schon deshalb ist Schönbergs Musik auch 150 Jahre nach seiner Geburt noch immer gegenwärtig.
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