Biografische Schlaglichter zum 150. Geburtstag

Arnold Schönbergs Anfänge: Alles andere als revolutionär

Stand
Autor/in
Michael Rebhahn

Verrisse, Liebäugeln mit der leichten Muse und Versuche, im konservativen Musikleben Wiens Fuß zu fassen: Arnold Schönbergs Anfänge im Umfeld von Brahms und Wagner waren alles andere als revolutionär.

Erste Kompositionen mit elf Jahren

Wien, 1882: Die musikalischen Anfänge von Arnold Schönberg sind eher unspektakulär. Für seine Eltern ist Musik vor allem eine geschätzte Freizeitbeschäftigung und im Alter von acht Jahren erhält Arnold den ersten Geigenunterricht.

Mit dem bloßen „Spielen“ ist er allerdings nicht lange zufrieden — er will „schaffen“. Und so entstehen schon bald seine ersten Kompositionen: schlichte Duette für zwei Geigen, Übungsliteratur, keine großen Kunstwerke. Gut, er ist auch erst elf!

Schönbergs Frühwerk „ziemlich romantisch“

Individueller wird Schönbergs Musik aber schon bald. 1896 schreibt er ein Notturno für Streicher, das als seine erste „richtige“ Komposition angesehen werden kann.

Notturno for String and Harp / Arnold Schönberg / Eileen Siegel / Oslo Philharmonic

Das klingt doch schon eher nach einem echten Arnold Schönberg! Jetzt werden Sie vielleicht sagen: „Moment, Schönberg? Das ist doch der mit der Zwölftonmusik? Dafür kommt das aber ziemlich romantisch daher“.

Fakt ist: Als Schönberg den sicheren Hafen der Tonalität verlässt, ist er bereits Mitte 30. Aber davor war er nicht ganz untätig. In welchem Umfeld sein Frühwerk sich abspielte, wird deutlich, wenn man sich einige Relationen vor Augen führt: Als Richard Wagner starb, war Schönberg 8 Jahre alt, beim Tod von Brahms und Brucker war er 22 und auf dem Begräbnis des Walzerkönigs Johann Strauß war er als 24-Jähriger. 

Kein eskalierter Brahms oder verschärfter Wagner

Die Einflüsse aus Hoch- und Spätromantik hat Schönberg nie in Abrede gestellt. Als eine Art eskalierter Brahms oder verschärfter Wagner will er sich aber nicht verstanden wissen. Auf die leidige Frage, ob er nun Brahmsianer oder Wagnerianer sei, antwortet er mit wienerischer Lakonie: „I bin selber aner!“

„Was aber sage ich?“ Diese Frage zu beantworten, fällt dem jungen Schönberg nicht leicht. Auch die Frage, ob er die Musik zum Beruf machen will, hat er noch nicht geklärt.

Chansons mit Ohrwurmpotenzial

Sein Portfolio um die Jahrhundertwende ist eher bodenständig: Er übernimmt Dirigate beim Mödlinger Gesangsverein „Freisinn“, beim Männergesangsverein Meidling sowie die Chormeisterstelle des  Metallarbeiter-Sängerbunds Stockerau. 1901 geht er nach Berlin, wird Kapellmeister eines Kabaretts und schreibt Chansons mit Ohrwurmpotenzial.

Arnold Schönberg: Brettl-Lieder in Mödling

Das Gastspiel bei der leichten Muse bleibt kurz. Nach einem halben Jahr kehrt Schönberg zurück nach Wien und wagt sich ins dortige, denkbar konservative Musikleben. Und das mit einer Komposition, die er schon zwei Jahre in der Schublade hat: Verklärte Nacht für Streichsextett. 

Der erste „Schönberg-Skandal“

Auch wenn hier letztlich alles noch im Rahmen von Dur und Moll bleibt — es knirscht schon ein wenig im tonalen Gebälk. Aber allein das verursacht Aufregung genug und der erste „Schönberg-Skandal“ ist perfekt: „Das klingt ja, als ob man über die noch nasse Tristan-Partitur gewischt hätte“, lautet ein noch eher freundlicher Kommentar nach der Uraufführung.

Und wieder wird Schönbergs Musik auf einen Stil reduziert, was ihm zunehmend widerstrebt. Er fühlt sich nicht ernst genommen.

„Wirklicher Wendepunkt“: Die Kammersinfonie op. 9

„Stil und Gedanke“ – so wird Schönberg viel später, im Jahr 1946, einen Essay nennen, in dem er seine Ästhetik noch einmal auf den Punkt bringt. Und vielleicht ist in seinen frühen Kompositionen einfach noch zu viel Stil, zu viel Tradition tonangebend.

Mehr Gedanke also! Genau das realisiert er mit einem epochalen Stück: mit der Kammersinfonie op. 9, die er als „wirklichen Wendepunkt“ bezeichnet. 

Arnold Schönberg - Kammersinfonie Nr. 1 op. 9 | Cristian Măcelaru | WDR Sinfonieorchester

Musik als „Demokratiegeräusche“

Die Uraufführung im Februar 1907 wird — Sie ahnen es schon — zum Skandal. „Herr Schönberg [...] macht wilde, ungepflegte Demokratiegeräusche, die kein vornehmer Mensch mit Musik verwechseln kann“, schreibt ein Kritiker.

Es ist kaum zu überhören: In dieser Schmähung geht es um weit mehr als um Musik. Schönbergs „Demokratiegeräusche“ scheinen die ohnehin schon alles andere als heile Welt der späten k.u.k.-Monarchie zu gefährden. Arnold Schönberg ist enttäuscht. Er war fest von einem Erfolg seiner Kammersinfonie ausgegangen.

Mehr zu Arnold Schönberg

Zum 150. Geburtstag Das Arnold Schönberg Center in Wien: Ausstellung über ein Multitalent

Am 13. September 1874 wurde Arnold Schönberg in Wien vor 150 Jahren geboren. Er komponierte nicht nur und malte, sondern kreierte auch Gesellschaftsspiele, erfand allerlei Nützliches wie einen Klebeband-Abreißer und kümmerte sich sogar um das Design von Wiener Tram-Fahrscheinen. Das ist im Arnold Schönberg Center zu erfahren, wo das Schönberg-Jahr seit Jahresbeginn auf Hochtouren läuft.

Treffpunkt Klassik SWR Kultur

Musikthema Freitag, der Dreizehnte: Schönberg wird in Wien lebendig

Arnold Schönberg wurde vor 150 Jahren in Wien geboren. In seiner Geburtsstadt widmet sich nun das Theater an der Wien dem Geburtstagskind mit einer außergewöhnlichen Produktion.

Treffpunkt Klassik SWR Kultur

Buch-Tipp Intime Einblicke: Arnold Schönberg – Euer Ani, Ini, Arnold Daddi

2024 ist das Jahr des Komponisten und Erfinders der 12-Ton-Technik Arnold Schönberg. Gefeiert wird sein 150. Geburtstag. Doch während er zu den meistbeschriebenen Komponisten des 20. Jahrhunderts zählt, gibt ein neues Buch nun erstmalig Einblick in das Familienleben von Schönberg.

Treffpunkt Klassik SWR Kultur

Zeitworte zu Arnold Schönberg

Zeitwort 2.8.1946: Arnold Schönberg überlebt einen Herzstillstand

Der Komponist hat aus dem Beinahe-Tod Musik gemacht. Das Streichtrio op. 45 klingt so, wie sich ein Herzstillstand anfühlt. Todesangst wird hörbar.

SWR2 Zeitwort SWR2

Zeitwort 31.3.1913:Das Publikum randaliert bei einem Schönberg-Konzert

Die zeitgenössische Musik wurde als Zumutung empfunden. Ein Kritiker stellte fest: „Das Klatschen der Ohrfeigen war noch das Melodiöseste, das man zu hören bekam“.

SWR2 Zeitwort SWR2

Zeitwort 9.3.1907: Arnold Schönberg komponiert ein zweites Streichquartett

„Ich fühle Luft von anderem Planeten“: Schönbergs op.10 gilt als Schlüsselwerk der Neuen Musik. Es beginnt in fis-moll und dokumentiert den Übergang in die Atonalität

SWR2 Zeitwort SWR2

Konzerte mit Musik von Arnold Schönberg

Stand
Autor/in
Michael Rebhahn