2024 ist das Jahr des Komponisten und Erfinders der 12-Ton-Technik Arnold Schönberg. Gefeiert wird sein 150. Geburtstag. Doch während der Komponist Schönberg zu den meistbeschriebenen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts zählt, bricht nun ein neues Buch aus dem österreichischen Czernin Verlag mit dem Bild vom „strengen Musik-Innovator“ und gibt erstmalig Einblick in das Familienleben des 12Töners.
„Euer Arni, Ini, Arnold Daddi“ nennt sich das neue Buch von Karin Wagner, sie ist Musikwissenschaftlerin und Pianistin und unterrichtet an der Universitär für Musik und darstellende Kunst Wien. Bewusst, so scheint es, hat die Autorin ein verspieltes Zitat des Zwölftöners Schönberg als Titel genommen.
Es stammt aus einem Brief, den Schönberg im November 1940 auf einer Zugfahrt an seine Familie schreibt. Der Komponist ist gerade auf dem Weg zu einer Plattenproduktion seines „Pierrot Lunaire“ und kaum hat der wackelige Zug den Bahnhof verlassen, greift er auch schon zur Schreibmaschine, wobei die Buchstaben ganz schön durcheinandergewirbelt werden. Die Autorin selbst liest vor:
Privat humorvoll, in der Öffentlichkeit streng
Während wir den Komponisten Schönberg, den strengen Zwölftöner mit der markanten Halbglatze und den großen Augen bereits aus vielen Publikationen kennen, widmet sich Karin Wagner in ihrem Buch bewusst ganz dem Familienmenschen Schönberg – und der erstaunt vor allem durch seine liebevollen Äußerungen und viel Humor. Ein Bild, das man beim Lesen, zumindest am Anfang, irgendwie gar nicht mit dem öffentlichen „strengen“ Schönberg zusammenbringen möchte.
Nach und nach gleitet man hinein, in die Erinnerungen der drei Schönberg-Kinder, Nuria, Ronald, und Lawrence – die das Zentrum des Buches bilden und denen die Publikation auch gewidmet ist.
„Lädt zum verschmitzten Schmunzeln ein“
In jeweils neunstündigen Gesprächen mit der Autorin Karin Wagner, berichten die Geschwister vom originellen und verspielten Vater. Die Rückblicke sind selbsterklärend und bleiben im Buch auch unkommentiert. Kontextualisiert wird die nicht-chronologische Aufarbeitung von ausgewählten Essays der Autorin.
Das Ergebnis ist ein authentischer und zum Großteil unbekannter Blick auf den „privaten“ Komponisten, dieses ganz neue und doch irgendwie vertraute Bild, das auch zum verschmitzten Schmunzeln einlädt. Etwa wenn man erfährt, dass Schönberg ein Fan von Boxkämpfen war – sofort muss man sich den genialen Komponisten, mitfiebernd, vor dem Radiogerät vorstellen.
Leben im Exil
Ebenso amüsant ist auch jene Passage, in der der strenge Komponist einmal Pause von der Systematisierung von Tonsystemen macht und sich stattdessen lieber der Ökonomisierung des Geschirrabwaschens widmet.
Trotz dieser vielen reizvollen Momente ist Karin Wagners Buch aber kein oberflächliches Heile-Welt-Familienalbum. Denn die Schilderungen der Schönberg-Kids erzählen auch von den außergewöhnlichen Zeitumständen, von Schönbergs Flucht in die USA und dem Leben im Exil.
Das Ende des Komponisten
Ein zentrales Kapitel – „Gott zu finden und religiös zu werden“ –erstaunt sogar mit Schönbergs Weltanschauungen, hat doch der Komponist mit der Sozialdemokratie ebenso geliebäugelt wie mit der alten Monarchie und – kurzfristig – sogar mit deutschnationalen Ideen. Die Bedeutung des Judentums für den Komponisten, ja für den Menschen Schönberg erhält so ein neues Gewicht.
Schließlich sprechen die drei Schönberg-Kinder auch über Krankheit und Tod des Neutöners, ebenso, dass sich die Mutter die 500 Dollar für die Begräbniskosten von jemandem leihen musste, schien doch am Ende das Geld zu fehlen.
Die Tochter erinnert
Die intimen Erinnerungen von Nuria, Ronald und Lawrence Schönberg, die Karin Wagner mit ihrem Buch für die Nachwelt erhalten möchte, erlauben einen tiefen Blick in die Persönlichkeit des berühmten Komponisten, den es in dieser Form für eine breitere Leserschaft wohl noch nicht gegeben hat. Mit einem wehmütigen Auge – einer Erinnerung von Nuria Schönberg – schließt das Buch auch.
SWR Web Concerts Kent Nagano dirigiert Schönberg und Bruckner
Kent Nagano dirigiert das SWR Symphonieorchester
Klanginstallation bei den Donaueschinger Musiktagen 2021 Am Grabe | Aus der Ferne: Arnold Schönberg
Still ist es nirgends. Selbst die letzten Ruhestätten sind es nicht. Auch die schon von uns gegangenen Ton- und Klangkünstler*innen kennen keine Grabesstille. Irgendetwas tönt immer in ihren Gruften, an ihren Gräbern, an den Orten, an denen ihre Asche in alle Winde zerstreut worden ist. Die Klanginstallation "Am Grabe | Aus der Ferne" gedenkt seit 2021, seit dem 100. Geburtstag der Donaueschinger Musiktage, mit vier- bis fünfminütigen Field Recordings an den jeweiligen Beisetzungsstätten der Protagonist*innen, deren Werke beim weltweit ältesten Festival neuer Musik (ur)aufgeführt worden sind.
Zeitwort 9.3.1907: Arnold Schönberg komponiert ein zweites Streichquartett
„Ich fühle Luft von anderem Planeten“: Schönbergs op.10 gilt als Schlüsselwerk der Neuen Musik. Es beginnt in fis-moll und dokumentiert den Übergang in die Atonalität