Der „Silent Book Club“ im Deutsch-Amerikanischen Institut in Heidelberg findet alle zwei Wochen immer donnerstags abends ab 18 Uhr in der dortigen Bibliothek statt. Alle Sprachen sind willkommen.
Immer mehr Menschen fällt es anscheinend schwer, sich längere Zeit auf ein Buch zu konzentrieren – ohne zwischendrin immer wieder aufs Handy zu schauen oder aufzuspringen, um etwas zu essen oder trinken zu holen. Deswegen gibt es jetzt weltweit immer mehr Angebote von Buchhandlungen und Bibliotheken, bei denen Menschen zusammenkommen, um - jede und jeder für sich - eine Stunde lang konzentriert zu lesen, ohne Ablenkungsmöglichkeit und danach miteinander ins Gespräch kommen können.
Leseclub in Heidelberg
Natürlich kommt dieser Trend aus den USA und nennt sich „Silent Book Club“. Auch in Heidelberg am Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) gibt es einen solchen Leseclub. Die Bibliothek des Deutsch-Amerikanischen Instituts in Heidelberg hat hohe helle Räume mit Bücherregalen bis unter die Decke. Noch sind ein paar Kinder mit ihren Eltern da und einige Studierende, die sich noch schnell vor der Schließzeit ein paar Bücher ausleihen.
Aber heute gehen hier um 18 Uhr noch nicht die Lichter aus, sondern – wie jeden zweiten Donnerstag – treffen sich Lesebegeisterte zum „Silent Book Club“. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer stehen schon in kleinen Grüppchen beisammen, andere stöbern noch in den Bücherregalen. Dann begrüßt Mitarbeiter Craig McSkimming alle Gäste: „So, welcome everybody to ,The Silent Book Club'!"
Nicht nur das Buch ist spannend, auch die anderen Leser*innen
An diesem Abend sind vier Männer und sechs Frauen gekommen, jüngere und ältere. Sie verteilen sich in dem großen Lesesaal. Manche machen es sich in den tiefen Ledersesseln bequem, andere setzen sich um die zwei großen Tische herum.
Die meisten haben sich ihre eigenen Bücher mitgebracht. Ich nutze die Gelegenheit und greife zu einem Buch des amerikanischen Politologen Yasha Mounk. Doch es dauert eine Weile, bis ich mich konzentrieren kann. Ich bin neugierig, versuche, einen Blick auf die Buchcover zu erhaschen, möchte sehen, was die anderen so lesen.
Und wie sie lesen: Hat die Frau neben mir etwa schon wieder eine Seite umgeblättert? Wie schnell liest sie denn! Rechts von mir schaltet eine jüngere Frau ihr E-Book an – eine andere Frau am Tisch steckt sich ihre Kopfhörer ins Ohr und lauscht ihrem Hörbuch.
Der DAI-Mitarbeiter Craig bringt ein paar Kekse und Salzstangen an die Tische – ansonsten ist es ruhig, nur der Straßenlärm dringt in die Bibliothek. Ich vertiefe mich in mein Buch. Die Stunde geht viel zu schnell rum. Craig bittet alle, sich um den einen großen Tisch zu versammeln, er bringt Wein und Käse. Wer möchte, kann jetzt sein Buch vorstellen und seine Meinung dazu äußern.
Nach dem Lesen wird geplaudert
Nicht alle wollen gleich mitreden, aber am Schluss haben doch alle ihr Buch vorgestellt – die Bandbreite ist groß: ein Sachbuch zur eigenen Fortbildung, der Gewinnertitel des Deutschen Buchpreises, weil überall darüber gesprochen wird und ein eher leichtes, lustiges Buch, was man im Urlaub nicht fertig lesen konnte.
Manche lesen auf englisch, andere auf deutsch. Und auch bei der anschließenden Gesprächsrunde spricht jeder in der Sprache seiner Wahl.
Immer wieder fragen Teilnehmer*innen nochmal nach einem Titel oder Autor – der „Silent Book Club“ ist schließlich auch eine Möglichkeit, sich Lektüre-Anregungen zu holen. Aus dem „Stillen Lese“-Kreis ist eine muntere Gesprächsrunde geworden.
Ein Treffpunkt auch für schüchterne Lesende
Seit dem Frühjahr gibt es am DAI in HD den „Silent Book Club“. Bibliotheksmitarbeiterin Ingrid Stolz war am Anfang eher skeptisch als sie von diesem neuen Trend aus den USA gehört hat: „Ich fand es am Anfang gar nicht interessant. Ich habe gar nicht eingesehen, warum man sich treffen sollte, um sein eigenes Buch zu lesen. Aber wir hatten dann eine Praktikantin, die sehr schüchtern war, und die sagte: ,Doch, das ist für die Schüchternen Leute und nicht jeder möchte im Book Club so viel reden und das ist in den USA der ganz große Hype!' Und dann hab ich gedacht, wir probieren es mal aus und das wird gut angenommen. Und es kommen ganz neue Leute, die sonst nicht unbedingt zu den anderen Sachen kommen."
Inzwischen hat sich ein harter Kern aus Literaturbegeisterten gebildet, der regelmäßig teilnimmt. Aber es kommen auch immer wieder neue Interessierte dazu, wie Monika, die schon nach einem Abend ein echter Fan des „Silent Book Clubs“ geworden ist:
„Ich fand’s super und der erste Gedanke war, endlich eine Stunde ungestört lesen. Ich merk einfach selber, dass ich mich zuhause oft schwer tute, nicht dann irgendwohin zu gucken, den Tee zu machen. Es ist vor allem interessant, was andere Menschen lesen, wie man sich wieder verbindet, wer welche Bücher kennt, die na mir völlig vorbeigegangen sind. Ich werde gern wiederkommen."
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