Bericht

Pablo Neruda und der CIA

Stand
Autor/in
Peter B. Schumann

Vor 50 Jahren starb Pablo Neruda kurz nach dem Militärputsch in Chile. Für die Chilenen war er zusammen mit Salvador Allende eine nationale Ikone. Die meisten Spekulationen gehen von einer Vergiftung durch Agenten der Putschisten aus. Andere vermuten sogar, dass der US-amerikanische Geheimdienst CIA dahinter steckte. Das ist eher unwahrscheinlich. Aber der CIA hat den Nobelpreisträger jahrzehntelang ausspioniert.

Pablo Nerudas Gedichte haben nicht nur in Lateinamerika Generationen bewegt. Seine Werke und die endlose Zahl von Studien über seine Literatur und sein Leben füllen Bibliotheken.

Neruda weckte das Interesse der Geheimdienste auf beiden Seiten

Sein politisches Engagement als überzeugter Kommunist hat dagegen besonders die Geheimdienste in der Zeit des Kalten Krieges interessiert, vor allem den CIA. Aber auch der sowjetische KGB soll versucht haben, ihn für seine Ziele einzuspannen – wie aus den vor einiger Zeit freigegebenen Dokumenten hervorgeht, die der für seine CIA-Analysen bekannte chilenische Publizist Carlos Basso Prieto einsehen konnte.

Es gab ein US-amerikanisches Spionageprojekt in den 1940er Jahren, Venona genannt, das den Telegrammverkehr des KGB in Lateinamerika durchforstete. Und einem dort gefundenen Dokument konnte ich entnehmen, dass die Sowjets mehrere Anstrengungen unternommen haben, um ihn als Informanten zu gewinnen. Das Ergebnis wird nirgends erwähnt. Aber ich bin sicher: Neruda hat nein gesagt.“ (Basso)

Der Dichter, der 1945 in die Kommunistische Partei Chiles eingetreten war, wurde dagegen als ein lohnendes Objekt vom CIA auserkoren. Er war als Berufsdiplomat in den 1930er Jahren weit herumgekommen, stand mit der Allianz der antifaschistischen Intellektuellen in Spanien in Verbindung und besaß zahlreiche Kontakte zur Linken in aller Welt.

Observierungswahn des CIA

Seine Bedeutung als wichtiger politischer Aktivist wurde durch seine Berühmtheit als Dichter noch verstärkt. Er war damals eine der renommiertesten Persönlichkeiten des Kommunismus. Deshalb interessierte den CIA an Neruda nicht nur dessen Einfluss in Chile, sondern besonders sein weltweites Ansehen.“ (Basso)

Der CIA ließ zeitweise jeden seiner Schritte verfolgen. Als der Dichter beispielsweise im April 1950 nach Guatemala flog, haben die Agenten folgende Details notiert.

„Er ist im Hotel San Carlos abgestiegen und hat Gespräche geführt mit linken Aktivisten und kommunistischen Gruppen Guatemalas. Eine Miss Beverly Hepburn hat sämtliche Kosten bezahlt, darunter die 3 Mahlzeiten, die er täglich zusammen mit 5 bis 10 guatemaltekischen Kommunisten eingenommen hat.“

Der Observierungswahn des CIA eskalierte mit dem wachsenden Prestige Nerudas. In den Dokumenten des Geheimdienstes ist sogar von „einer kommunistischen Kulturoffensive in Lateinamerika“ die Rede, an der er mitgewirkt haben soll. Wörtlich heißt es:

„So genannte kulturelle Gesellschaften breiten sich immer mehr aus. Gerade haben sich in Brasilien und Chile neue russische Zentren gebildet, und weitere Zellen werden in anderen Ländern mit Unterstützung des kommunistischen chilenischen Poeten Pablo Neruda vorbereitet, der gerade von dem sowjetischen Propagandisten Ilya Ehrenburg besucht wurde.“

In Anbetracht des wenig ausgeprägten politischen Differenzierungsvermögens des CIA dürfte es sich bei den sog. „russischen Zentren“ wohl um linke Kultureinrichtungen mannigfaltiger Couleur gehandelt haben.

Kultur als Teil des ideologischen Abwehrkampfes

Der CIA zeigte besonders viel Interesse für alles, was mit Kultur zusammenhing als Teil seines ideologischen Abwehrkampfs. Es gab sogar eine besondere Abteilung für kulturelle Manipulationen. Diese unternahm verschiedene Anstrengungen, die Meinung über Neruda zu beeinflussen, seinen Ruf zu schädigen, um ihn beispielsweise 1968/69 als Präsidentschaftskandidaten zu verhindern.“ (Basso)

Neruda verzichtete damals zugunsten von Allende. Wenig später versuchte der CIA mit Hilfe des französischen Poeten René Tavernier, Neruda wegen eines frühen, verherrlichenden Stalin-Gedichts 1971 als Kandidaten für den Nobelpreis zu diskreditieren.

„Nerudas Poesie ist nichts anderes als ein Instrument im Dienst des Kommunismus. Er hat sich nicht gescheut, eine Ode an den brutalen sowjetischen Diktator zu schreiben und den Stalin-Preis entgegenzunehmen.“

Doch solche von Neruda selbst bekannten Irrtümer konnten sein weltweites Prestige genauso wenig erschüttern wie die Manipulationen des CIA. Sie beschädigten eher die Glaubwürdigkeit des Geheimdienstes, dem bis heute unterstellt wird, sogar den Tod Pablo Nerudas durch eine Giftspritze beschleunigt zu haben.

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