Wie gefährlich ist die Tour de France? Radprofi Marc tritt an, um seinem Team-Chef Steve bei der Tour das Gelbe Trikot zu sichern. Doch dann passieren rätselhafte Unfälle und ein Fahrer begeht sogar Selbstmord. Marc war früher mal Militärpolizist. Jetzt soll er undercover ermitteln. Bald schon misstraut er dem ganzen Team.
Aus dem mexikanischen Spanisch von Carsten Regling
Elster & Salis Verlag, 320 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-906903-21-7
Der Journalist und Autor Jorge Zepeda Patterson hat eine Roman-Trilogie verfasst, die von Politik und Korruption in Mexiko handelt und ein internationaler Erfolg wurde. Auch in Deutschland hat der 70-jährige viele Leserinnen und Leser. Jetzt ist sein neuer Roman erschienen, der im Herzen Europas spielt: "Das Schwarze Trikot" – Eva Karnofsky.
Das gelbe Trikot. Das will Team-Kapitän Steve einfahren. Der französische Radprofi Marc soll ihm dabei helfen. Die beiden gehören nicht nur zum selben Team, sondern sind auch seit ihrer Kindheit enge Freunde. Marc soll außerdem als Zweiter durchs Ziel gehen und dem Team einen Doppelsieg bescheren. Doch schon gleich zu Beginn der Tour geschehen rätselhafte Unfälle, und der vermeintliche Suizid eines Fahrers wirft Fragen auf. So wird Marc von der Polizei aufgefordert, Augen und Ohren offen zu halten. Denn Marc war, bevor er Radprofi wurde, bei der französischen Armee. Da wurde er nicht nur zum Radrennfahrer, sondern auch zum Militärpolizisten ausgebildet.
Der Thriller „Das schwarze Trikot“ stammt aus der Feder des Mexikaners Jorge Zepeda Patterson, und Sujet und Schauplatz sind ungewöhnlich für ihn. Bislang spielten seine Spannungsromane nämlich in einem Milieu, in dem er sich als Journalist von Berufs wegen bestens auskennt – in der Politik. Und es ging ihm vor allem um Korruption. In einem Interview erläuterte der Autor, dass er diesmal einen Roman in einem geschlossenen Ambiente und einem begrenzten Zeitfenster ansiedeln wollte, weil dann auch der Schuldige aus diesem Kreis stammen müsse. Sein Vorbild dabei: Agatha Christies „Mord im Orientexpress“. Die Tour de France bot sich an, weil nur ein sehr eng begrenzter, obendrein streng kontrollierter Personenkreis während der 21 Tage der Tour Zugang zu den Teams hat. Die Folge: Die Fahrer und ihre Teamkollegen beginnen sehr schnell, sich gegenseitig zu belauern. Zepeda Patterson schafft eine beklemmende Atmosphäre wachsenden Misstrauens und deren Schilderung ist eine der großen Stärken des Romans. Selbst die Freundschaft zwischen Marc und Steve wird auf die Probe gestellt, obwohl sich die beiden doch von klein auf wie Brüder lieben. Marc gerät sehr bald in einen Loyalitätskonflikt. Nicht nur, weil auch Steve in die Verbrechen verwickelt sein könnte, um sich den Sieg zu sichern. Angestachelt von seinem alten Trainer aus Armeezeiten, leidet Marc nun auch zunehmend darunter, dass er immer nur die zweite Geige hinter Team-Kapitän Steve spielt. Ganz im Sog des Misstrauens, das sich wie eine Seuche ausbreitet, traut Marc irgendwann niemandem mehr.
Marc ist der Ich-Erzähler des Romans. Er berichtet aus der Rückschau kapitelweise von den 21 Etappen, und nicht eine davon verläuft ohne gefährlichen Zwischenfall. Auch für Marc wird es brenzlig. Doch was steckt dahinter? Will ein anderes Team Steve mit kriminellen Methoden das Gelbe Trikot streitig machen? Will ein französischer Nationalist den Sieg des Amerikaners Steve verhindern? Oder spielen wirtschaftliche Interessen eine Rolle? Marc, und mit ihm die Leserschaft, tappt im Dunkeln. Das macht „Das Schwarze Trikot“ spannend, aber ganz besonders fesselt der Roman immer dann, wenn Marc auf dem Rad sitzt und detailreich beschreibt, wie er um jede Sekunde Vorsprung für Steve kämpft. Wie er ihn bei mörderischen Steigungen nach oben zieht, ihm zu Windschatten verhilft oder andere Fahrer blockiert. Und was dabei in ihm vorgeht. Man spürt es fast am eigenen Leib, wenn er sich an den Rand der Bewusstlosigkeit fährt. Dabei schwingt immer die Bewunderung mit, die der Autor nach eigenen Aussagen für die Selbstkasteiung der Fahrer hegt. Er versteht es, selbst blutige Radsport-Laien mitzureißen. Man hofft jedes Mal, dass der sympathische Marc unbeschadet zum Ziel kommt.
Die Auflösung der Kriminalfälle ist dann allerdings nicht so spektakulär wie vielleicht vermutet. Aber sie ist schlüssig. Und sogar irgendwie sympathisch. Für Tour-de-France-Fans ist „Das Schwarze Trikot“ fast ein Muss. Wer flüssig geschriebene, gut konstruierte und sehr sorgfältig recherchierte Thriller mag, wird auch Jorge Zepeda Pattersons viertes Buch wieder begeistert lesen.