Vom Verbraucherrecht auf Glück zur erwachsenen Hoffnung: Historiker Philipp Blom erkundet in Briefform die Komplexität des Hoffens in einer Welt voller Krisen. Ein eindrucksvolles Plädoyer für intellektuelle Redlichkeit und gegen trügerischen Optimismus.
Das ist hart: Da wendet man sich als junger Mensch voller Sorgen an einen renommierten Gelehrten. Möchte von ihm wissen, ob und wie man heutzutage, angesichts immer neuer Kriege und Klimakatastrophen, noch hoffen könne. Auf eine menschenwürdige Zukunft zum Beispiel. Oder auf ein Leben in Glück und Frieden. Und bekommt dann zu hören, dass die Angst angesichts der gegenwärtigen Weltläufte durchaus berechtigt sei.
Dass die Hoffnung allzuoft nur eine „Fluchthelferin“ aus der Wirklichkeit sei. Dass sie die Menschen sogar zu den schlimmsten Verbrechen verleiten könne. Und dass es, davon abgesehen, so etwas wie ein „Verbraucherrecht“ auf ein glückliches Leben schlichtweg nicht gibt.
Eine „erwachsene Art von Hoffnung“
Man kann Philipp Blom nur zustimmen: Mit einer solch „erwachsenen Art von Hoffnung“ aufzuwarten, mag auf den ersten Blick enttäuschend sein, hat aber etwas mit intellektueller Redlichkeit zu tun. Und wenn man an all die Propagandisten und Trickbetrüger in Politik oder sozialen Medien denkt, an ihren wachsenden Erfolg gerade bei der jungen Generation, dann wäre eine sozusagen hoffnungslos abgemagerte, ausgenüchterte Form der Hoffnung genau die richtige, überfällige Botschaft.
Zumal der 54-jährige Historiker – preisgekrönter Verfasser scharfsichtiger Epochenporträts etwa über die Jahrhundertwende oder die Weimarer Republik – nur zu gut weiß, wie leicht es früher fiel zu hoffen, in Zeiten religiöser Heilsversprechen etwa oder eines ungebrochenen Fortschrittsglaubens. Und wie ungleich schwerer dagegen heute.
Trügerische Kraft
Wobei Letzteres aber nicht nur beklagenswert sei, so Blom. Zum Beispiel waren viele Menschen nach Hitlers Wahlsieg 1933 voller Optimismus für die Zukunft, doch selten war eine Hoffnung trügerischer. Dass sich die Hoffnung allzuoft als illusorisch erweist, sei wohl auch der Grund, warum die Griechen sie in der Büchse der Pandora vermuteten, neben allerlei anderen Übeln und Plagen.
Doch ganz ohne die „stille Kraft“ der Hoffnung geht es angesichts einer, mit Albert Camus gesprochen, absurden Welt freilich auch für Philipp Blom nicht, im Gegenteil. Den Grund dafür, dass sie heute, zumal in den Wohlstandsgesellschaften des globalen Nordens, für die Menschen immer schwerer zu finden ist, liegt für den Historiker vor allem am Verlust übergeordneter Sinnzusammenhänge.
Sinn aber werde von Narrativen, von Geschichten also, gestiftet, und eben deshalb hängt für Blom alles davon ab, die richtigen neuen Geschichten zu finden: Geschichten, die die Vergangenheit mit der Zukunft verbinden, die der oder dem Einzelnen einen Platz geben und die helfen, unsere Handlungsspielräume zu erweitern.
Briefe an einen jungen Adressaten
Auf seiner Suche nach dem „Wagemut des Hoffens“ in unserer Zeit stellt Philipp Blom auf knapp 200 Seiten viele kluge Fragen: Warum zum Beispiel wirbt niemand für Hoffnungslosigkeit? Welchen Einfluss haben konkrete Lebensumstände auf unsere Fähigkeit zu hoffen? Und warum scheint sie gerade in Gesellschaften am Abgrund am besten zu gedeihen?
Dabei geht der Historiker in bester essayistischer Tradition sympathisch behutsam und tastend vor, und zwar in Form von sieben Briefen an einen jungen Menschen, der ihn nach einem Vortrag angesprochen habe.
Für diesen – und alle anderen – Leser hat Philipp Blom am Ende noch einen Rat auf Lager: Um auf eine „erwachsene“ Weise zu hoffen, brauche es neben dem Mut zum Risiko vor allem zweierlei: Wissen und Können. Und das sei etwas, das einem keine noch so fixe KI abnehmen könne.
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