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Nadja Küchenmeister: Der große Wagen

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Ein Langgedicht, das zwischen den Orten Lissabon, Berlin, Köln und zwischen Erinnerungs- und Erlebnisebenen hin- und hergleitet: „ich sehe den großen wagen und alles, was war“, das ist der Satz, mit dem Küchenmeister ihr Poem eröffnet.

In einem Interview hat sie erzählt, dass sie sich zu diesem Augenblick bei ihrer Mutter auf dem Land befunden und aus dem Fenster geblickt habe. Was genau dieses „alles“ sein könnte, war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Der Text unternimmt den Versuch, es zu ergründen und vor allem auch über das Ich hinaus gültig zu machen.

Kein Mensch, so sagt es die Autorin, sei nur der, der er im Augenblick sei, sondern ein komplexes System aus Erfahrungen, die in die Vergangenheit verweisen, und Erwartungen und Hoffnungen für die Zukunft. Diese Grundannahme übersetzt Küchenmeister in einen motivisch geschickt verknüpfenden, schwebenden Text, der mühelos die Schauplätze wechselt und dem in seiner eigenen Logik zu folgen ein großes Vergnügen ist.

Die Gleichzeitigkeit der Dinge, die Außen- und die Innenwelt erfasst Küchenmeister sprachlich synchron, „während / die zeit keinen pausenraum öffnet, keine / liege stellt, sich auszuruhen, um auch / nur eine sekunde nicht vergehen zu lassen. was ich war, hat keine arme, keine / ohren mehr zu hören, keine nase / mehr zu riechen“.

Es stehen prägnante Sätze in Küchenmeisters Poem, beinahe Aphorismen: „man kann die toten nicht / vergessen, aber die toten vergessen uns“. Die Zeit vergeht. Das weiß jeder. Nadja Küchenmeisters Langgedicht übersetzt diese Erkenntnis in Bilder.

Buchkritik Nadja Küchenmeister - Im Glasberg

Die Lyrikerin Nadja Küchenmeister spielt in ihrem Gedichtband "Im Glasberg" mit Motiven aus einem Märchen der Brüder Grimm und erkundet ihre eigene Herkunft vom östlichen Stadtrand in Ost-Berlin. Rezension von Jörg Maganau. Gedichte Verlag Schöffling & Co ISBN 978-3-89561-227-5 104 Seiten, 20 Euro

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SWR