Raphaela Edelbauer, 1990 in Wien geboren, debütierte 2019 mit dem Roman „Das flüssige Land“; einer komplexen Dystopie und zugleich einer Meditation über die Zeit. Es folgte der hochintelligente Science-Fiction-Roman DAVE, für den Edelbauer 2021 mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Offenbar spielt Edelbauer also mühelos auf der Klaviatur der unterschiedlichen Genres.
Und nun füllt Edelbauer geradezu folgerichtig ein weiteres Genre mit Leben – den historischen Roman. Ende Juli 1914 bricht der Pferdeknecht Hans Ranftler aus Tirol auf in Richtung Wien. Seit sieben Jahren hat Hans sein Tal nicht mehr verlassen; nun fährt er in die Hauptstadt, um die Psychoanalytikerin Helene Cheresch aufzusuchen. Ihr erzählt er von einer außergewöhnlichen Gabe: Menschen sprechen seine Gedanken aus, kurz nachdem er selbst sie gedacht hat. In Wien trifft Hans auf Adam Graf Jesensky, einen jungen Adeligen mit erstaunlicher musischer Begabung, und auf Klara, die am folgenden Tag ihren Doktortitel an der Universität erlangen möchte. Im Fach Mathematik, als eine der ersten Frauen überhaupt.
Es ist der 31. Juli; am folgenden Tag wird das deutsche Ultimatum an Russland und Frankreich ablaufen. Die Atmosphäre in der Stadt ist aufgeheizt, kriegsbegeistert. Und inmitten dieses Wirbels von historischen Ereignissen und individuellen Weichenstellungen inszeniert Raphaela Edelbauer ein Spiel, das die Protagonisten allesamt selbst nicht mehr in ihrer Hand haben.