Immer neue Wörter schießen, brodeln und ploppen hervor aus der Alltagssprache. Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Sandra Richter vom Literaturarchiv Marbach, Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und weiteren Expert*innen erklären, was die Neuschöpfungen bedeuten.
Wort der Woche Veränderungserschöpfung - erklärt von Bernhard Pörksen
Energiewandel, Klimakrise, Corona-Pandemie oder der technische Fortschritt durch künstliche Intelligenz. Die Zeit ist geprägt von schnellen Veränderungen, Umbrüchen und Transformationsprozessen, die viele Menschen überfordern. Der Soziologe Steffen Mau hat dieses Phänomen mit dem Begriff Veränderungserschöpfung umschrieben - und der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen von der Universität Tübingen ordnet ihn ein.
Wort der Woche Normal - erklärt von Bernhard Pörksen
Früher galt es als erstrebenswert, der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen. Heute stehen die Zeichen in westlichen Industrienationen nach Diversität, Selbstverwirklichung und danach, aus der Masse herauszustechen. Die Werbebranche zum Beispiel hat das Wort „normal“ aus ihrem Sprachgebrauch gestrichen. Die rechte Szene hingegen hätte gern das Land wieder „normal“ und schließt mit dem Begriff gerne gesellschaftliche Strömungen aus, die nicht in ihr Weltbild passen.
Wort der Woche Situationship - erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Der Begriff Situationship beschreibt eine lockere Verbindung zweier Menschen – eine Art Schwebezustand zwischen Affäre und fester Beziehung, offen und doch emotional. Es ist im Deutschen ein relativ neues Wort, erste Belege finden sich im Jahr 2020. Vornehmlich wird es im Bereich der sozialen Medien gebraucht, zum Beispiel als Hashtag, dort ist es allerdings nicht unbedingt positiv konnotiert. Situationship ist ein Kofferwort, das sich zusammensetzt aus den englischen Begriffen „situation“ und „relationship“, also Situation und Beziehung.
In diesem Kontext einer nicht eindeutig einschätzbaren Beziehung sind auch viele Entsprechungen mit anderem Fokus zu nennen, z.B. Benching (eine Hinhaltetaktik) oder Breadcrumbing (man wirft jemandem mit spärlichen Nachrichten immer nur „Brotkrumen“ zu, hat aber kein echtes menschliches Interesse). Der Hintergrund für all diese Formen könnte sein, dass man sich nicht 100%ig auf eine Beziehung einlassen und festlegen will, weil ja unter Umständen noch „etwas Besseres“ auf einen wartet im großen Angebot der digitalen Dating- und Beziehungsportale wie Tinder, Bumble oder Parship.
Wort der Woche von A bis Z
Wort der Woche Meinungsdiktatur - erklärt von Bernhard Pörksen
Der Begriff wird häufig in rechten Kreisen verwendet, weil man sich dort als Opfer einer linken Meinungsdiktatur empfindet: das Recht auf eine eigene freie Meinungsäußerung würde beschnitten. Wo liegen die Grenzen der im Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit und wo beginnt die Verleumdung und Diffamierung?
Wort der Woche Meme - erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Memes oder Meme sind oft humorvolle Videos oder Bilder oder satirische Texte, die sich rasant über die sozialen Medien verbreiten. Es gibt Memes/Meme, die millionenfach weiterverbreitet werden. Ob ein Meme derart erfolgreich ist, kann man nicht erzwingen, obwohl man vielleicht eine gute Idee hatte, sagt Dr. Annette Klosa-Kückelhaus vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim, es muss eben zum richtigen Zeitpunkt genug Menschen geben, die bereit sind es weiterzuverbreiten. Und den richtigen Zeitpunkt zu treffen, ist wie oft bei Humor, das Schwierigste.
Wort der Woche Menschenvernichtungsmaschine – erklärt von Sandra Richter
Bei diesem Begriff denken die meisten zuerst an den Holocaust und die Maschinerie der Vernichtung in den Konzentrationslagern. Hier geht es allerdings um die Situation in Krankenhäusern, die der Schriftsteller Thomas Bernhard in seinem Werk beschreibt. Was er in diesem Zusammenhang genau unter Vernichtungsmaschinerie versteht, damit hat sich Sandra Richter, die Leiterin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, auseinandergesetzt.
Wort der Woche Mikroaggression - erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Oft passiert es ungewollt, wir verletzten oder beleidigen Mitmenschen mit unbedachten Worten oder Gesten. Seit den 2010er Jahren wird politisches Fehlverhalten in der Alltagskommunikation auch als „Mikroaggression“ bezeichnet. Etwa die Frage nach der Herkunft, an Menschen mit dunkler Hautfarbe.
Wort der Woche Monotasking - erklärt von Bernhard Pörksen
Mal eben schnell die Mails checken und nebenher mit dem Telefon am Ohr noch einen Blick in die Zeitung oder ins Internet werfen. Dafür steht der Begriff Multitasking, der in unserer Gesellschaft meist positiv konnotiert ist, weil er mit Effizienz in Verbindung gebracht wird. Doch ist es wirklich effizienter, alles auf einmal zu machen und sich nicht auf eine Sache zu konzentrieren? Auch der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen von der Universität Tübingen hat da so seine Zweifel und schwört auf Monotasking.
Wort der Woche Mütend - erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Der Begriff ist ein sogenanntes Kofferwort und setzt sich aus müde und wütend zusammen. Jene Gemütszustände, die sehr gut die gegenwärtige Gefühlslage beschreiben: müde von der Pandemie und wütend über das Hin und Her in der Politik. Warum „mütend“ das Zeug dazu hat, sich auf Dauer im Wortschatz zu etablieren, erklärt Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim.
SWR Kultur am Samstagnachmittag
Samstagnachmittag - Wochenende: Endlich Zeit für Dinge, für die sonst keine Zeit bleibt: Besuche bei Künstlern, Schriftstellern und Musikern, Literatur zum Lesen und Hören, DVDs und Blu-rays, Mode und Design, neue CDs vom Klassikmarkt. Dies alles begleitet von einer ungewöhnlichen Mischung von Musikgenres und -Stilen, von Klassik, Pop und Jazz.