Zugegeben: So mancher und manche hadert mit dem Begriff Feminismus. Auch Angela Merkel wollte sich 2017 erst nicht so recht als Feministin bezeichnen, bevor sie vier Jahre später schließlich bei einer Veranstaltung forderte, dass alle Feministen sein sollten.
Feminismus ist schließlich kein Männerhass, sondern beschreibt lediglich die Bemühungen, Frauenrechte zu stärken und die Gleichberechtigung von Frauen und Männer zu erreichen. Und das kann nur gelingen, wenn auch die männliche Hälfte der Gesellschaft mitmacht.
Immerhin ist schon etwa jeder zweite Mann der Meinung, dass Gleichberechtigung nicht zu schaffen ist, „wenn nicht auch Männer für die Rechte der Frauen kämpfen“, so das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos. Das ist doch schonmal ein Anfang.
Kritische Männlichkeit und lackierte Fingernägel
Da sollte sich auch niemand durch einzelne Männer entmutigen lassen, die für vermeintlich feministische Aktionen kritisiert werden, wie etwa der Berliner Influencer und Podcaster Sebastian Tigges. Der hatte erklärt, dass das Lackieren seiner Fingernägel der einfachste Weg sei mit Männlichkeitsnormen zu brechen. Um nicht anzuecken sei der Nagellack dann aber auch schnell wieder entfernt.
Die taz beispielsweise nannte das „eine oberflächliche Selbstbeweihräucherung.“ Man könnte auch sagen: Symbolpolitik, die sich in den Diskurs um kritische Männlichkeit einreihe, so die Autorin, „in der es offensichtlich wichtiger ist, als korrekter Typ wahrgenommen zu werden, als sich Frauen gegenüber korrekt zu verhalten.“
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Sich seiner Privilegien bewusst werden
Doch was kann Mann denn nun tun, um sich feministisch zu verhalten? Natürlich kann kein Einzelner – egal welchen Geschlechts – im Alleingang das Patriarchat abschaffen. Aber im Kleinen anfangen, das kann Mann. Deshalb sollten sich Männer ihrer Privilegien bewusstwerden, sagt zum Beispiel Christoph May, der mit seiner Frau das „Institut für kritische Männlichkeitsforschung“ gegründet hat, in der SWR Kultur-Doku „Kann Mann Feminist sein?“.
Ein männliches Privileg ist beispielsweise, dass sie in der Regel mehr Lohn für die gleiche Arbeit bekommen. Männer haben außerdem seltener Angst, wenn sie nachts allein im Dunkeln unterwegs sind, während die Aufforderung sich nochmal zu melden, wenn man sicher zu Hause angekommen ist, bei Frauen wohl zur nächtlichen Standard-Verabschiedung gehört.
Es könnte also helfen, Frauen einfach mal zu fragen, inwiefern sie schon sexistisches Verhalten erlebt haben oder in welchen Situationen sich die Freundin, Frau oder Tochter schon unwohl gefühlt hat, wegen etwas, was ein Mann gesagt oder getan hat.
Ein bisschen mehr Verständnis füreinander und mehr Bewusstsein für die täglich erlebten Unterschiede, trägt im besten Fall auch zum Ändern der eigenen Verhaltensweisen bei. Also vielleicht beim nächsten sexistischen Witz unter Männern einfach mal nicht mitlachen.
Mehr männlich-feministische Vorbilder
Darüber wie man junge Männer erziehen kann, hat die Autorin Shila Behjat ihr Buch „Söhne großziehen als Feministin“ geschrieben. Sie fordert unter anderem mehr Vorbilder für junge Männer. „Gerade bei Jungs habe ich das Gefühl, wir haben ganz viele Ideen, was die nicht machen sollen, nicht sein sollen nicht sagen sollen. Aber was sollen sie denn sagen und machen und sein?“, so Behjat.
Buchkritik Jenseits toxischer Männlichkeit: Essay „Söhne großziehen als Feministin“ von Shila Behjat
Jenseits toxischer Männlichkeit: Essay „Söhne großziehen als Feministin“ von Shila Behjat
Vielleicht brauchen wir also nicht nur mehr starke weibliche Vorbilder, sondern auch einfach mehr männlich-feministische Vorbilder. Denn dann dauert es im besten Fall auch keine 134 Jahre mehr, bis Männer und Frauen gleichberechtigt sind.