Ausstellung

Zu unrecht vergessen: Pionierinnen der Archäologie

Stand
Autor/in
Sophia Volkhardt

Es gibt immer noch wenige Frauen, die in der Archäologie Karriere machen. Dabei gab es – auch in Deutschland – schon seit dem Aufkommen des Fachs Frauen, die sich international einen Namen gemacht haben. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen sind sie größtenteils vergessen. Die Ausstellung „Ein gut Theil Eigenheit“ im Landesmuseum Württemberg erinnert an sie.

Ein gut Theil Eigenheit - Lebenswege früher Archäologinnen
Margret Honroth (1937-2020) war als als eine der ersten beiden fest angestellten Archäologinnen von 1968 bis 2002 am Landesmuseum Württemberg in Stuttgart tätig. Ihr Spezialgebiet war die klassische Antike mit Fokus auf antikem Glas.

Die ersten Archäologinnen Deutschlands

Neugierig schauen sie einem entgegen, teilweise herausfordernd. Sie haben Sägen in der Hand oder Grubenleuchten um den schwarz verschmutzen Hals. Die Ausstellung „Ein gut Theil Eigenheit“ will frühe Archäologinnen und ihre Leistungen sichtbar machen.

Das werden sie allein schon durch überlebensgroße Porträtzeichnungen oder Fotografien, die chronologisch im Ausstellungsraum in einer Art Rundgang aufgereiht sind. Angefangen mit der Frau, die als „erste Archäologin Deutschlands“ gilt, Sibylle Mertens Schaaffhausen (1797-1857).

Ein gut Theil Eigenheit - Lebenswege früher Archäologinnen
Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797-1857) gilt als die „erste Archäologin“ Deutschlands. Sie entstammte dem gehobenen Bürgertum im Rheinland und baute auf Reisen nach Italien umfangreiche Sammlungen von antiken Gegenständen, Kunstschätzen und wissenschaftlicher Literatur auf. Aufgrund ihres Fachwissens war sie international renommiert.

Emanzipation dank finanzieller Unabhängigkeit

Sie wurde auch die Rheingräfin genannt, erzählt Astrid Fendt, die die Ausstellung ans Landesmuseum nach Stuttgart geholt hat. Schaaffhausen kam aus dem gehobenen Bürgertum, reiste nach Italien, hat geschrieben und hatte einen gelehrten Salon um sich.

„Sie war deswegen so emanzipiert, weil sie einen älteren Mann geheiratet hat. Die Ehe war nicht glücklich, trotzdem hatten sie sechs Kinder, aber sie war finanziell so unabhängig, dass sie ihr eigenes Leben aufbauen konnte.“, so Fendt.

Die meisten bleiben unverheiratet

Es fällt auf: Viele der vorgestellten Frauen bleiben dagegen unverheiratet. Die Archäologinnen hatten nicht nur wegen ihres Geschlechts in der vermeintlichen Männerdomäne mit Widerständen zu kämpfen, ihre Biografien sind auch Zeugnis von bewegten Zeiten.

Da ist zum Beispiel Waltraut Schrickel, die versuchte, im Südwesten Karriere zu machen. Auf ihrem Bild trägt sie dunkle Kleidung und eine Perlenkette – ihr Blick scheint gedankenverloren abzuschweifen.

Ein gut Theil Eigenheit - Lebenswege früher Archäologinnen
Gerta Blaschka (1908 - 1999) im Winter 1939 auf der Ausgabungsstätte Wasserburg Buchau: Entnahme dendrologischer Proben aus der Palisade für die Datierung. Die Archäologin zählt zu den ersten Absolventinnen der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen.

Eine deutsch-deutsche Biografie

Schrickel startete in der DDR, habilitierte sich als erste Frau im Fach Ur- und Frühgeschichte und lebte in Jena, erzählt Fendt. „Sie war als Archäologin etabliert, ist dann aber in den Westen gegangen. 1958 war da auf einer Tagung und kam nicht mehr zurück.“

Die Hintergründe sind spannend: Weil der damalige Institutsleiter in Jena im Zuge der Entnazifizierung entlassen wurde, übernahm sie die kommissarische Co-Leitung des Instituts. Weil aber auch sie mit Anfang 20 Mitglied in der NSDAP war, galt sie für die Partei als ungeeignete Kandidatin für eine Professur.

Ein gut Theil Eigenheit - Lebenswege früher Archäologinnen
Waldtraut Schrickel (1920-2009) war die erste Frau, die in der DDR im Fach Ur- und Frühgeschichte habilitierte. Zunächst lehre sie in Jena. 1958 kehrte sie von einer Tagung in der Bundesrepublik nicht mehr in die DDR zurück. Obwohl sie in Forschung und Lehre vielseitig versiert war, war der Neuanfang im Westen schwierig. Zwar war sie seit 1967 in Heidelberg als außerplanmäßige Professorin tätig, wurde aber auf keinen Lehrstuhl berufen.

Von der DDR in die BRD: Ein emanzipatorischer Abstieg

Schrickel hofft auf eine Chance im Westen. Eine deutsch-deutsche Biografie: „In Heidelberg kriegt sie immer nur die untergeordneten Stellen. Das war ein klarer Mechanismus, dass man in dieser Zeit – den 1960ern, Frauen nicht auf die ersten Stellen nimmt. Das war ihr Schicksal. Sie wird Assistentin, obwohl sie die gleichen Qualifikationen hat.“

Obwohl Schrickels politische Vergangenheit für einen Großteil der männlichen Kollegen keinen Hinderungsgrund für eine erfolgreiche Karriere bedeutet hätte, bekam sie kein Bein mehr auf den Boden. Später durfte sie zwar noch einen Professorentitel führen, wurde aber dafür nicht bezahlt.

Spannende Einzelbiografien

Spannend und überraschend ist jede der Frauen-Biografien, die für die Ausstellung zusammengetragen wurden. Entstanden ist sie als Teil eines Projekts, das Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation mit ihren Leistungen und Potenzialen sichtbar machen soll.

Die Frauen in der Ausstellung sind nur eine kleine Auswahl von vielen, die erforscht wurden. Astrid Fendt leitet die Fachabteilung Archäologie am Landesmuseum, sie hat die Wanderausstellung um Archäologinnen aus der Region erweitert. Unter anderem auch um die ersten Frauen, die fest am Landesmuseum tätig waren.

Ein gut Theil Eigenheit - Lebenswege früher Archäologinnen
Johanna Mestrorf (1828-1909) war eine prähistorische Archäologin. Sie wurde als erste Frau in Preußen Direktorin eines Museums, des Museums für vaterländische Altertümer in Kiel. Kaiser Wilhelm II. verlieh ihr den Titel „Professor“. Ihre wissenschaftliche Arbeit gilt als Meilenstein für die Erforschung der Vorgeschichte Norddeutschlands.

Archäologinnen, die Karriere machen: Noch immer selten

Die Zeiten haben sich verändert, aber selbstverständlich sind solche Frauenkarrieren bis heute nicht. „Jeder findet die Archäologie und die Ausgrabungen toll, aber feste Positionen gibt es nicht so viele. Und dass Frauen sie irgendwann auch ergreifen konnten, ist für uns immer noch was Spezielles.“

Bis heute braucht Frau „einen guten Teil Eigenheit“, wie es die erste Direktorin eines Museums in Preußen, Johanna Mestorf, formuliert hat. Die Frauen der Ausstellung sind der Beleg, dass sich in den letzten Jahrhunderten viel getan hat.

Es braucht diese Gesichter und ihre Geschichten, um daran zu glauben, dass es mit dem nötigen Selbstbewusstsein gegen alle Widerstände doch funktionieren kann.

Frauen in der Wissenschaft

Hochschule Karriere für Wissenschaftlerinnen – Wie können Unis Frauen fördern?

Nur jede vierte Professur ist mit einer Frau besetzt. Dabei studieren und promovieren Frauen ähnlich häufig wie Männer. Wie gelingt mehr Geschlechtergerechtigkeit an Universitäten?

SWR2 Wissen SWR2

SWR Science Talk Frauen in der Wissenschaft

Wie können Frauen in der Wissenschaft vorankommen? Damit beschäftigt sich Dagmar Höppel, Leiterin der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den wissenschaftlichen Hochschulen BW.

Science Talk 3sat

Neues aus der Archäologie

Science Talk Wracks im Bodensee werden erforscht

Im Bodensee sind viele verschiedene Schätze verborgen, die einen spannenden Blick in die Vergangenheit ermöglichen. Wie diese erforscht werden, erzählt Julia Goldhammer.

Das Wissen SWR Kultur

Archäologie Ahrtal-Flut spült historische Brückenpfeiler frei

Bei der Flut im Ahrtal hat das Wasser historische Pfähle frei gespült, die vorher tief im Kies verborgen waren. Archäologen haben die Brückenüberreste auf 1805 bis 1810 datiert. Die Funde werden jetzt im Schloss Sinzig ausgestellt.

Impuls SWR Kultur

Archäologie Pompeji 79 n.Chr.: Vulkanausbruch wurde von Erdbeben begleitet

Italienische Forscher*innen haben durch archäologische Untersuchungen den ersten direkten Beweis dafür, dass der Vulkanausbruch von Pompeji im Jahr 79 n. Chr. von einem Erdbeben begleitet wurde. Das belegen Verletzungen an zwei Skeletten.

Impuls SWR Kultur

Indiana Jones lässt grüßen True-Crime-Fall der Archäologie: Wie die Himmelsscheibe von Nebra ins Museum kam

Vor 25 Jahren entdecken zwei Sondengänger die Himmelsscheibe von Nebra. Was folgt, ist True Crime der anderen Art. In den Hauptrollen: ein Lehrer, eine Wirtin und ein Archäologe. 

SWR Kultur am Abend SWR Kultur

Science Talk Geheimnisvolle Rezepte für die Einbalsamierung von Mumien

Um ihre Mumien einzubalsamieren, benutzten die alten Ägypter für jedes Organ eigene Substanzen, die sie aus den verschiedensten Weltgegenden importierten. Das hat ein Forschungsteam herausgefunden, an dem auch der Archäologe Philipp Stockhammer von der LMU München beteiligt war. (SWR 2023)

Das Wissen SWR Kultur

Archäologie Älteste szenische Höhlenmalerei der Welt entdeckt

Schon früher als bislang gedacht haben unsere Vorfahren Höhlenmalereien angefertigt, die Szenen aus ihrem Alltag zeigen. Archäolog*innen haben Höhlenmalereien auf der indonesischen Insel Sulawesi mit einer neuen Methode untersucht. Sie datieren die Abbildungen auf ein Alter von 51.200 Jahren.

Impuls SWR Kultur

Stand
Autor/in
Sophia Volkhardt