Das Museum Villa Rot in Burgrieden-Rot beschäftigt sich in einer neuen Ausstellung mit unserer Esskultur und unserem Konsumverhalten. „Bitte zu Tisch!“ heißt die Einladung in die verwunschene Villa mit Rosenpark, die Überraschendes zeigt.
Geschirr bewegt sich wie von Geisterhand
In der Kunsthalle der Villa Rot ist eine weiße Tafel gedeckt. Tassen, Teller und Kännchen mit Goldrand. Wer sich der Arbeit der Künstlerin Anja Luithle nähert, erschrickt allerdings für einen kurzen Moment:
„Die Objekte bewegen sich, als ob Menschen an diesem Tisch sitzen und dieses Tischgedeck bewegen würden, aber die Menschen fehlen“, sagt Sabine Heilig. Das Geschirr bewegt sich wie von Geisterhand via Bewegungsmelder, demonstriert die Kuratorin und künstlerische Leiterin der Villa Rot.
Das Kunstwerk ist eine Anspielung auf unsere stark veränderte Esskultur. Der Tisch: Ein Kommunikationselement, an dem mitunter keine Kommunikation mehr stattfindet.
Sahnehäubchen aus Silikon
Daneben menschenhohe Skulpturen in Form von Sahnehäubchen in Creme-weiß, Mint-grün und pink, an denen Teller und Kaffeekannen kleben. Eine täuschend echt aussehende süße Versuchung von einer Berliner Künstlerin.
„Ein sehr angenehmes Gefühl von Kaffeetisch oder Kaffeestunde, wie man auch immer man das nennen möchte“, sagt Heilig.
Objekte, die unter der Überschrift „Dessert – Sinne und Auge des Betrachters“ verführen sollen. Und mit Raffinesse den Blick auf sich ziehen, wie etwa ein bunt bemalter Porzellanteller, der mit sich im Sekundentakt bewegenden asiatischen Essstäbchen zur tickenden Uhr wird.
Kunst und Esskultur
Sabine Heilig brennt für das Thema rund um Tafel- und Esskultur, das ideal zum Ort der Villa Rot des einstiegen Stifterehepaars Feodora und Hermann Hoenes mit Rosenpark passt:
„Sie waren sehr gesellig. Dieser Ort ist ja auch ein Ort der Geselligkeit, wo man sich vor oder nach dem Kunstgenuss im Park oder im Café etwas Gutes tun kann.“
Demnächst wird hier sogar eine große Tafel gedeckt, die den Kunstgenuss mit einem Mehrgänge-Menü eines Sterne-Kochs abrunden soll.
Stillleben aus Emaille von Moritz Götze
Drinnen hat der Objektkünstler Moritz Götze in seiner Installation „Stillleben“ den Umriss eines Tisches mit schwarzen Klebestreifen an eine weiße Wand gebracht. Darauf befindet sich nichts Essbares.
Trotzdem ist der Tisch reich gedeckt mit Objekten aus Emaille: ein Computer, ein umgefallenes Weinglas, eine Filmrolle, eine bunte Blumenvase. Fetische unseres Konsums, die wir gerne auf Tischen zurücklassen.
Kritik an der Fleischindustrie von Hartmut Kiewert
Nebenan ein anderer Hingucker: ein großes Ölgemälde mit seltener Picknickgesellschaft. Eine Familie speist gemeinsam mit einer Kuh und Schweinen. Der Maler Hartmut Kiewert, Jahrgang 1980, tischt Gesellschaftskritisches auf und appelliert an unser Gewissen.
„Er ist Veganer und sagt: Es muss sich was ändern. Er tut es aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern zeigt die Dinge ganz nüchtern“, sagt Sabine Heilig. Die Figuren, die sich zum Picknick getroffen haben, setzt Kiewert vor die Ruinen der Fleisch verarbeitenden Lebensmittelindustrie.
Erwin Wurm bittet an die Bar
Im obersten Zimmer der alten Museumsvilla bittet der Künstler Erwin Wurm an seine “Bar” – ein kleiner, nierenförmiger Holztisch mit eingesägtem Loch, aus dem eine übergroße Essiggurke aus Bronze ragt. Der österreichische Bildhauer ist für seine ungewöhnlichen Objekt-Konstellationen und seinen deftigen Humor bekannt.
Alles in allem ist die Ausstellung „Bitte zu Tisch!“ eine illustre Einladung zu einem ungewöhnlichen Kunstgenuss, der zum Schmunzeln und Staunen, aber auch zum Nachdenken anregt. Guten Appetit!
Kunst im Südwesten
Ausstellung Bissige Plakate – „Vorsicht Kunst! Das politische Plakat von Klaus Staeck“ in der Stuttgarter Staatsgalerie
Mit scharfem Blick und noch schärferen Worten nimmt der Heidelberger Grafiker und Aktivist Klaus Staeck das politische Weltgeschehen aufs Korn.