Am 18. März jährt sich die Ausrufung der Mainzer Republik von 1793 – ein kurzlebiger, auf demokratischen Prinzipien beruhender Freistaat, der wenige Monate später von Preußen beendet wurde. Über bereits bekannte, aber auch vergessene Demokratieorte in Rheinland-Pfalz zeigt der Mainzer Landtag eine Ausstellung des Comic-Zeichners Simon Schwartz – denn im Geschichtsunterricht höre man viel zu wenig über diese wahnsinnig spannende Epoche, sagt Schwartz in SWR Kultur.
Der Vormärz prägte Demokratie und Feminismus in Deutschland
Männer recken Gewehre und Degen in den Himmel, die Münder offen, die Stirn gerunzelt, zwischen Backsteinhäusern türmen sich schwarze Wolken vor rotem Hintergrund. Es ist eine von mehreren Barrikadenszenen, die Simon Schwartz für die Ausstellung „Orte der Demokratiegeschichte in Rheinland-Pfalz“ im Auftrag des Landtags illustriert hat.
Zu sehen ist eine Straßenschlacht in Bergzabern im Revolutionsjahr 1848. Der Ort dürfte den meisten ebenso wenig ein Begriff sein wie der darauf abgebildete revolutionäre Bürgermeister Johann Adam Mayer.
Menschen und Orte einer Epoche, die Simon Schwartz in den Fokus von Erinnerung rücken will: „Es ist eine wahnsinnig spannende Epoche, die unglaublich prägend für unser Land ist. Nicht nur in Bezug auf Demokratiegeschichte, auch für die feministische Geschichte dieses Landes ist der Vormärz ganz wichtig.“
Mathilde Hitzfeld – eine Frau geht auf die Barrikaden
Auf einem der Comicstrips ist Mathilde Hitzfeld zu sehen, eine Frau, die sich – den damaligen Vorstellungen von Weiblichkeit zum Trotz – bewaffnete und auf die Barrikaden ging. Auf einem anderen sieht man die berühmte Szene des Hambacher Fests.
Interessant ist, dass unter den schwarz-rot-goldenen Fahnen auch polnische zu sehen sind, eine bewusstes Wieder-ins-Gedächtnis-Rufen des multi-nationalen Charakters des Hambacher Fests, das gegenwärtig von anti-demokratischen Gruppen in Deutschland vereinnahmt würde: „Das war eine international denkende Veranstaltung. Es ging auch um die Freiheit und Unabhängigkeit Polens. Es war nicht diese deutschtümliche Veranstaltung, wo alle die schwarz-rot-goldene Fahne geschwungen hätten.“
Leidenschaft für historische Comics
Simon Schwartz hat bereits mehrere Comics zu historischen Themen gezeichnet. So porträtiert er in „Das Parlament“ bekannte und verborgene Freiheitskämpfer und -kämpferinnen der Revolution von 1848, erzählt in "Packeis" die Geschichte eines vergessenen afroamerikanischen Polarforschers und begibt sich in "IKON" auf die Spuren von Gelb Botkin, der als Sohn eines Leibarztes des russischen Zaren die Oktoberrevolution miterlebt.
Der 1982 in Erfurt geborene Simon Schwartz ist immer auf der Suche nach vergessenen Geschichten und den Menschen, die sich hinter beiläufig erwähnten Namen in Zeitungsartikeln oder Hyperlinks auf Wikipedia verbergen. Allen Projekten geht eine aufwendige Recherche voraus, die oft genauso viel Zeit in Anspruch nimmt wie das Zeichnen selbst.
Comic kommt den historischen Figuren nahe
Durch die vielen Details und den Unterhaltungscharakter des Mediums kommen die Leserinnen und Leser den historischen Figuren sehr nahe: „Der Comic hat etwas Unmittelbares“, sagt Simon Schwartz. „Wenn ich einen Roman lese, dann ist zwischen mir und der Schrift und der Person, die es geschrieben hat, eine gewisse Distanz. Ein Comic ist, wie das handgeschriebene Originalmanuskript zu lesen.“
Das Hineinzoomen auf bestimmte Gesten und Geschichtsausdrücke, das Überzeichnen von Gefühlszuständen, die Abfolge von verschiedenen Bildausschnitten hat etwas Filmisches – und trotzdem überlässt Simon Schwarz den Lesenden oder Betrachtenden einen gewissen Freiraum, um die dargestellten Szenen mit eigenen Vorstellungen von der Zeit zu füllen.
Simon Schwartz im Gespräch bei SWR2 Tandem:
SWR2 Tandem Geschichte nachzeichnen – Der Comic-Künstler Simon Schwartz
Historische Momente und Menschen in Zeichnungen nahbar zu machen, ist das besondere Talent von Simon Schwartz. Preisgekrönt war bereits sein Debüt “drüben!”.