100 Jahre Freundeskreis der Kunstakademie Stuttgart

Freundschaft?! – Künstler der Akademie Stuttgart beleuchten Seelenverwandtschaften und Abgründe

Stand
Autor/in
Andreas Langen
Andreas Langen, Autor und Redakteur, SWR Kultur

Der Freundeskreis der Kunstakademie Stuttgart feiert seinen 100. Geburtstag mit einer kleinen, aber sehr feinen Ausstellung, die dem Wesen von Freundschaften nachspürt, ihrem Gelingen ebenso wie dem Scheitern.

Fotos aus Wut über Publikationsverbot zerrissen

Die Fotografin Simone Demandt wollte nichts weiter, als einem verstorbenen Freund eine letzte Ehre zu erweisen. Sie hatte seine Wohnung fotografiert – Einrichtungsgegenstände als eine Art posthumes Porträt. Doch die Erben des Verstorbenen fanden die Aufnahmen zu privat. Sie verboten der Fotografin, sie zu publizieren. 

In ihrer Wut hat sie dann diese Bilder zerrissen und auf den Boden geworfen: „Ich war also richtig wütend, weil das plötzlich alles so kompliziert wurde mit der Freundschaft“, erzählt Demandt: „Und dann habe ich die da liegen sehen und gedacht: Hm - ich glaube, ich möchte die fotografieren.“

Ausstellung „FREUNDSCHAFT ?!“ der Freunde der Akademie Stuttgart
Fotos von aus Wut zerrissenen Fotos zum Thema Freundschaft: „PB-Heritage“ von Simone Demandt

Thema Freundschaft mit Fragezeichen und Ausrufezeichen?!

Simone Demandt hat die Papierhaufen ihrer zerfetzten Abzüge noch einmal abgelichtet. Und diese Reproduktionen hängen nun in einer Ausstellung anlässlich des 100. Geburtstags der „Freunde der Kunst-Akademie Stuttgart e. V.“– eigentlich ein frohes Ereignis.

Aber die Akademie-Freunde wären schlechte Künstler, wenn sie ihren runden Geburtstag nur mit Friede, Freude, Eierkuchen begehen würden. Stattdessen richtet ihre Jubiläumsausstellung den Blick auch auf Brüche und Schwierigkeiten.

Ausstellung „FREUNDSCHAFT ?!“ der Freunde der Akademie Stuttgart
Daniel Wagenblast: „Hallo“, 2019, Bronze grün patiniert

Gründer des Feundeskreises: Kunst ist „schützenswerter Lebensraum“

„Das Thema lautet Freundschaft, Fragezeichen, Ausrufezeichen, wohlgemerkt“, betont Oliver Krimmel, der Vorstand des Freundeskreises. Er hat in den Annalen des Vereins geblättert und eine Zeitungsanzeige seiner Vorgänger aus dem Gründungsjahre 1924 entdeckt.

Die Anzeige wurde aufgegeben, „um die Vielen im Lande dazu aufzurufen, die allem Materialismus zum Trotz in der bildenden Kunst gerade heute eine der wertvollsten Lebensquellen erblicken“, zitiert Krimmel und ergänzt, „dass sie die bildende Kunst auch gerade in Krisen-Zeiten als schützenswerten Lebensraum und Schutzraum postuliert haben“.

Finanzielle und mentale Unterstützung von Kunstschaffenden

Der Freundeskreis leistet seit 100 Jahren wertvolle Dienste an diesem „schützenswerter Lebensraum“ Kunst, erläutert Krimmel und zählt einige Wohltaten des Freundeskreises auf, etwa ein in den 20er Jahren geerbtes Haus am Bodensee für Klassenfahrten und Workshops, sowie diverse Förderpreise.

Neben der finanziellen Unterstützung habe das  „aber natürlich auch mental eine ganz andere Empowerment-Funktion, die wir quasi als Verein durch diese verschiedenen Aktivitäten ausüben können.“

Ausstellung „FREUNDSCHAFT ?!“ der Freunde der Akademie Stuttgart
Natur als Sehnsuchtsort im Sinne Caspar David Friedrichs? Gerhard Neumaier: Natur 3.0, in Englischgrün und Lefrancgelb, 2023

Künstler mit Bezug zur Stuttgarter Akademie

Empowerment findet auch in der Jubiläums-Ausstellung statt. Dort treffen Arbeiten von Studierenden auf Werke alter Hasen; aber alle haben biografische Bezüge zur Stuttgarter Akademie. Es gibt Zeichnung, Malerei, Collage, Konzeptkunst, Skulptur und Objekt, von gegenständlich bis abstrakt. 

Fragezeichen auch hinter unserem Verhältnis zur Natur

Ein knallbuntes Gemälde von Gerhard Neumaier zeigt seltsam verdrehte Schlieren, die an Pflanzenreste erinnern, gemalt auf einer PVC-Platte. Kurator Clemens Ottnad: „Der Titel ‚Natur 3.0‘  bezieht sich auf unsere Faszination der Natur draußen, nach der wir uns – beinahe im Sinne Caspar David Friedrichs – als Rückzugsort sehnen … wenn wir jetzt hier so mitten in der Stadt leben, ist es irgendwie nur so eine romantische Vorstellung, eben eine Sehnsucht, das ist dann eher das Fragezeichen im Titel der Ausstellung.“

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