Der Künstler Dirk Schlichting spielt mit der Illusion, dass Kunst die Wirklichkeit wiedergebe. Seine Silikon-Objekte sind lebensgroße, schlabbrige Duplikate realer Gegenstände. Seine „Lichtbilder“ bestehen in Wahrheit aus Tesafilm-Schnipseln. In Backnang hat er ein heiteres Kabinett der subtilen Wahrnehmungstäuschung eingerichtet.
In der städtischen Galerie Backnang stimmt was nicht
In der städtischen Galerie Backnang liegt ein billiger Perser-Teppich, an der Wand hängt ein brav gerahmtes Gemälde wie aus dem Poster-Shop, daneben eine alte Kellertür. „Interieur“ lautet der Titel der Installation, ziemlich banal. Bis man näher tritt und so allmählich bemerkt: Da stimmt was nicht – die Objekte bestehen aus zentimeterdicker, wild gespachtelter Farbe.
„Die Sachen sind am Anfang so vertraut, weil es alltägliche Gegenstände sind. Dann wird es auf einmal fremd, weil das Material vollkommen anders ist“, sagt Dirk Schlichting, der Urheber dieses Kuriositätenkabinetts.
Wacklige Gummiobjekte an den Wänden
Der Künstler hat die Gegenstände mit farbigem Silikon überzogen und ihn, nachdem dieser getrocknet war, abgezogen. Entstanden sind wacklige, gummiartige Objekte, die beim Aufhängen an der Wand zusammenklappen wie Faltmöbel.
Das lustigste von Schlichtings bizarren Objekten ist ein Gummibaum. Dessen grüne Blätter wirken fast echt, während der Tontopf mutiert zu einem schlaffen Fladen.
Es macht ausgesprochen viel Spaß“
„Es macht ausgesprochen viel Spaß, mit diesen gummiartigen Sachen zu arbeiten.“ Verführerisch kichert der Künstler und fasst an den kugelrunden Türknauf, den er zusammendrückt wie den Gummibalg einer alten Hupe.
Das passende Tröten fehlt gerade noch, aber ein Unterton von Schalk und Schabernack schwingt auch so mit, meint Martin Schick, der als Leiter der kommunalen Galerie Backnang Dirk Schlichtings Ausstellung kuratiert: „Die Illusion stellt er in Frage, die wiederholt er, aber auf eine hintergründige, verschmitzte und humorvolle Art. Das ist so typisch Dirk Schlichting.“
Verblüffende Lichtbilder von Schlichting
In Backnang hat Schlichting sowas wie eine ironische Version von Platons Höhlengleichnis installiert: Rings um eine Glühbirne hängen raumhohe Papierbahnen, darauf stark vergrößerte Schwarz-Weiß-Fotos.
Deren Grauwerte hat der Künstler in tausende handgemachter Stanzlöcher umgesetzt, so dass an den Wänden ringsum die Motive als grob gerasterte Negative erscheinen. Noch verblüffender sind Schlichtings „Lichtbilder“: kleinformatige Wand-Projektionen wie von alten Glasnegativen. Die Projektoren sind Marke Eigenbau.
„Das sind Dosen, Suppenkellen, irgendwelche Bleche, die zusammengeschraubt sind, mit einer Lampe drin. Und die Lichtbilder sind Plexiglasscheiben, die mit Tesafilm-Streifen beklebt sind.“
Häuser und Bäume sind Illusionen
Wie bitte? Tesa-Film, nicht Kodak oder Agfa? Aber, man sieht doch ganz eindeutig Häuser, Gebäude und Landschaften in den Projektionen! – Eben, sagt Dirk Schlichting, das sei ja der Witz. „Man glaubt den Sachen die Gegenständlichkeit. Bei der Flusslandschaft drüben gibt es eine Stelle, da könntest du auch sagen: Das ist doch ein Schiff.“
Schlichting hat die vermeintlichen Glas-Negative in Augenhöhe montiert, man kann sie aus nächster Nähe inspizieren. Und dabei zeigt sich, dass unsere Wahrnehmung hier komplett auf die Schippe genommen wird.
Diese Flächen, Formen, Linien und Helldunkel-Abstufungen sind keine Fotos, sondern dicke Schnipselschichten aus Büroartikeln. Davon kann Platon was lernen: So heiter wie hier wurde noch keine Lektion in Wahrnehmungs- und Medien-Theorie verabreicht.
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