Der 1921 geborene Joseph Beuys war eigenwillig, ziemlich deutsch und schnell berühmt. Ein „idealtypischer Gegenspieler“ Andy Warhols, der gerne provozierte und bedeutungsschwere Aktionen zelebrierte.
Baum und Stein als zusammengehöriger Bestandteil der "Sozialen Plastik"
Jeweils ein Stein kommt neben einen Baum zu stehen; als erkalteter Zeuge eines anderen Erdzeitalters und als Wächter für das wachsende Grün, in dem ein gutes Stück Zukunftspotential steckt.
"Stadt-Verwaldung" - ein listiger Versprecher
Die Basaltsäulen, die noch nicht ihren Baum gefunden haben, werden in der Innenstadt, auf dem Friedrichsplatz keilförmig aufgeschüttet. Mit jedem Baum, der kommt, verlässt ein Stein den riesigen Haufen. Fünf Jahre lang, über den Tod von Joseph Beuys im Januar 1986 hinaus, hat das gedauert. Ein listiger Versprecher deutet die Aktionsplastik als Stadt-Verwaldung! Am 16. März 1982, im Vorfeld der documenta 7 pflanzt er den ersten Baum in die Städtische Erde.
Friedenshase und japanische Whisky-Reklame für die Baumkasse
Jeder Baum kostet 500 Mark; macht zusammen 3,5 Millionen. Die Einzelbeträge kommen durch eine Heerschar von Sammlern und Spendern zusammen, die für ein entsprechendes, vom Künstler gestaltetes Zertifikat bezahlen.
Doch die anvisierten ‚Baumpaten‘ melden sich nur zögerlich. Für Beuys beginnt eine Ochsentour um das Geld. Schon auf der documenta 7 macht er eine spektakuläre Aktion. Er schmelzt die Replik einer russischen Zarenkrone ein, um sie in den „Friedenshasen“ umzugießen. Das sorgt auch für Unmut, aber ein Stuttgarter Sammler zahlt den symbolischen Preis von 777 000 Mark zugunsten des Baumprojektes.
In Japan macht er, der längst eine Weltberühmtheit ist, Reklame für Nikka-Whisky (Beuys: „Ich habe mich vergewissert, der Whisky war wirklich gut“); 400 000 Mark landen in der Baumkasse! Ein gut funktionierendes Büro reguliert die Arbeit von vielen Freiwilligen.
Störender Steinhaufen mitten in der Stadt - ein Garant für die "Verwaldung"
Und immer wieder gibt es Widerstände. Bürger, die freie Fahrt für freie Bürger fordern, stoßen sich im wahrsten Sinne des Wortes an den schützenden Basaltsäulen. Bäume werden schon mal massakriert. Der Steinwall auf dem Friedrichsplatz erweckt weiteren Widerspruch.
Zwischenzeitlich überlegt die Stadt sogar, den Haufen zu verlegen, um angestauten Druck aus der Sache zu nehmen; aber das wäre zu teuer geworden. Die einzige Lösung, den Platz wieder frei zu kriegen, ist, Bäume pflanzen! Der Steinhaufen ist also nicht nur ein überdimensionales plastisches Signal, sondern auch ein Garant, für die ‚Verwaldung‘ der Stadt.
Den Baum, den Beuys als ersten setzte, muss man vier Jahre später um anderthalb Meter versetzen. Er ist versehentlich über einem 10.000 Volt Starkstromkabel gepflanzt worden. Am 12. Juni 1987 kommt der Baum Nr. 7000 neben den allerersten in die Erde. Wenzel, der Sohn, tut den letzten symbolischen Spatenstiche.
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Rezension von Simone Reber.
C.H. Beck Verlag, 336 Seiten, 29,95 Euro
ISBN: 978-3-406-75633-7
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