In „Close“ erzählt der belgische Regisseur Lukas Dhont die Geschichte einer innigen Jungs-Freundschaft, die auf schreckliche Weise zerbricht. Ein herzzerreißender Film über die Macht des Anpassungsdrucks in einer Gesellschaft mit normierten Geschlechterbildern. Gerade wurde „Close“ für den Oscar als „bester fremdsprachiger Film“ nominiert.
Das Ende der Unbeschwertheit
Von so einer Freundschaft träumt wohl jeder: innig, vertraut und liebevoll. Rémi und Léo sind seit frühester Kindheit unzertrennlich. Sie toben durch die Natur, lassen ihrer Phantasie freien Lauf, lachen sich gemeinsam kaputt und wenn sie abends glücklich ins Bett fallen, schlafen sie aneinander gekuschelt ein.
Die große Unbeschwertheit endet, als die beiden mit 13 Jahren an die weiterführende Schule wechseln. Hier schwadronieren die Jungs lautstark über Fußball und überbieten sich gegenseitig mit ihrem Machogehabe. Individualität und Phantasie haben in diesem Umfeld keinen Platz. Zu viel Nähe wirkt verdächtig.
Anders zu sein braucht Mut
Der 31-jährige Belgier Lukas Dhont erzählt in „Close“ eindrücklich von genormten Geschlechterbildern und davon, wieviel Macht sie über Jugendliche ausüben. Gerade beim Eintritt in die Pubertät, wenn die sexuelle Identität zum ersten Mal eine Rolle spielt, gerät das fragile Selbstbewusstsein schnell ins Wanken.
Ein vielsagender Blick, ein paar blöde Bemerkungen – anders zu sein, braucht Mut. Léo hat ihn nicht. Weil er auf jeden Fall dazugehören will, geht er mit einem der neuen Klassenkameraden zum Eishockey-Training. Zu Rémi hält er plötzlich Abstand, was diesen zutiefst trifft.
Umgang mit Verlust
So ruhig und subtil die Tonalität des Films bis dahin ist, so unvermutet krass ist das, was Lukas Dhont kurz vor der Hälfte geschehen lässt: Rémi bringt sich um, und Léo steht da – unfähig, um seinen besten Freund zu trauern und erdrückt von Schuldgefühlen.
Der zweite Teil des Films schildert diese Erstarrung nach dem Tod eines geliebten Menschen: das Wegdrücken der Emotionen, das mechanische Weiterfunktionieren im Alltag, die Unfähigkeit, mit anderen über den Verlust zu sprechen.
Tieftrauriger und berührender Film
„Close“ ist ein intimer Film, der unter die Haut geht, gerade weil er jede Form von Rührseligkeit vermeidet. Lukas Dhont findet starke Bilder für die Vorgänge, die im Inneren ablaufen. Und die beiden jungen Hauptdarsteller spielen den Prozess der von außen ausgelösten Entfremdung herzzerreißend. Dazu muss gar nicht viel gesprochen werden. Das meiste funktioniert über Blicke, kleine Gesten und das Verhältnis der Körper zueinander.
Wie schon in Dhonts Vorgängerfilm „Girl“ merkt man, dass sich der Regisseur sehr für Choreographie interessiert. „Close“ ist ein tieftrauriger Film über die Macht des Anpassungsdrucks in einer Gesellschaft mit normierten Geschlechterbildern. Und ein Plädoyer dafür, Freundschaft als eines der wertvollsten Geschenke im Leben zu betrachten.
Trailer „Close“ von Lukas Dhont, ab 26.1. im Kino
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