„Heldin“ mit Leonie Benesch: Jede Schicht ist ein Ausnahmezustand
Nicht der Beruf ist das Problem, sondern seine Umstände: Der neue Film von Petra Volpe basiert auf den Erfahrungen einer Berliner Pflegerin – und setzt dem unterbezahlten und zu wenig anerkannten Pflegeberuf ein Denkmal.
An Floria wird von allen Seiten gezerrt. Ein Mann muss schnell in den OP gebracht werden. Eine Frau hätte seit Stunden ein neues Antibiotikum bekommen sollen. Ständig klingelt das Telefon oder ein Zimmeralarm piepst.
Und der anspruchsvolle Privatpatient findet es eine Unverschämtheit, wenn das geforderte Schmerzmittel nicht innerhalb von Minuten gebracht wird. Floria arbeitet auf der unterbesetzten Chirurgiestation eines Schweizer Krankenhauses. Zusammen mit ihrer Kollegin muss sie sich um 25 Patienten kümmern.
Arbeiten im permanenten Ausnahmezustand
Atemlos folgt ihr die Kamera von Zimmer zu Zimmer, wie sie versucht, ihre Kontrollrunde zu absolvieren und trotz des Multitaskings keine Fehler zu machen. Denn die enden hier im schlimmsten Fall tödlich.
Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe dokumentiert in „Heldin“ mit präzisem Blick das Arbeiten im permanenten Ausnahmezustand. Es passiert so viel, dass man fast vergisst, dass sich die gesamte Handlung während einer einzigen Spätschicht abspielt.
Thriller getarnt als Dokumentarfilm
„Heldin“ basiert auf dem autobiographischen Roman „Unser Beruf ist nicht das Problem – es sind die Umstände“ der Berliner Pflegerin Madeline Calvelage. Sie hat ebenfalls am Drehbuch mitgewirkt und dafür gesorgt, dass alle medizinischen Abläufe bis ins letzte Detail stimmen.
Das Drehbuch verzichtet auf jeden Knalleffekt. Und doch ist der dokumentarisch anmutende Film gleichzeitig ein Thriller, in dem der Druck immer weiter steigt.

Pflegerin Floria verliert permanent gegen die Zeit
Obwohl die Uhr gegen die Heldin läuft, spielt Leonie Benesch Floria mit fast unerschütterlicher Gelassenheit. Eine empathische Pflegerin, die sich über die eigene Belastungsgrenze hinaus für ihre Patienten aufreibt.
Sie kann allerdings kaum so für sie da sein, wie sie es gerne würde. Denn Zuhören, Hinsetzen, Handhalten sind im Zeitbudget schlicht nicht vorgesehen. Dass Floria sich diese Momente manchmal trotzdem nimmt, mutet fast wie ein Akt des Widerstands an. Zum Beispiel wenn sie eine demente Patientin beruhigt, indem sie mit ihr singt.
„Heldin“ ist ein filmisches Denkmal für den Beruf
Dem unterbezahlten, gesellschaftlich wenig anerkannten Pflegeberuf setzt „Heldin“ ein Denkmal und damit speziell den vielen Frauen, die mit viel Herzblut in ihm arbeiten. Der Film macht darauf aufmerksam, welche Verantwortung die Pfleger und Pflegerinnen tragen, während die Überlastung in einem maroden Gesundheitssystem wächst.
Die Folge: Jede dritte Pflegekraft steigt nach vier Jahren wieder aus dem Beruf aus. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass in Deutschland bis zum Jahr 2029 260.000 Pflegekräfte fehlen könnten. Was das für die Gesellschaft bedeutet, kann man sich nach diesem Film ziemlich gut vorstellen.
Werbung für den Beruf ist „Heldin“ definitiv nicht. Stattdessen verwandelt der Film den abstrakten Begriff „Pflegekräftemangel“ in ein konkretes Schreckensszenario, das die Politik schnellstmöglich angehen sollte.
Trailer „Heldin“, ab 27.2. im Kino
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