Die späten 70er-Jahre waren das Zeitalter der Disko-Musik und -Kultur: Schlaghosen, bunte Hemden, Freizügigkeit und Toleranz ging von der Tanzfläche aus, über der sich natürlich die Disco-Kugel drehte. Die RTL+ Serie mit mit Luise Aschenbrenner und Jannik Schümann in den Hauptrollen spielt im Bochum der 70er-Jahre, als dort noch ein ziemlich konservativ-piefiger Wind wehte.
Hausfrau und Mutter? Nein, danke!
Bochum im Jahr 1976: Der Lebensweg der Kindergärtnerin Doro (Luise Aschenbrenner) scheint vorgezeichnet. Als Ehefrau von Klempner Matthias (Moritz Jahn) darf sie nur arbeiten, wenn ihr Mann das erlaubt. Was der aber bald nicht mehr tut, damit Doro sich mehr auf Haushalt und Kinderwunsch konzentrieren kann. Was Doro viel lieber macht: mit ihrer Schwester Johanna (Vanessa Loibl) und deren Freund Jack (Farba Dieng) auf den Partys der US-Soldaten tanzen.
Aus der Eckkneipe wird die Disko Bochum
Die Serie „Disco 76“ lebt erstmal von klischeemäßigen aber meist humorvoll gezeichneten Gegensätzen. Die alte Zeit, das sind Schlote, Kittel, Doros Eltern und deren Laden: Feinkost Krämer. Und das Neue, Aufmüpfige, das sind neben Doro ihre Schwester Johanna, die Pilotin werden will, und ihr Bruder Georg (Jonas Holdenrieder), der sich auf der Flucht vor den Feldjägern zu Hause versteckt. Vor allem aber ist es „Die Ecke“, die alte Spelunke, die Doro mit viel Fantasie zu einer Tanzbar umfunktioniert: zur Disko Bochum.
„Disko 76“ – Revoluzzertum, freie Liebe und ganz viel Musik
Natürlich wird viel getanzt und gefeiert in der Serie: Lebensgefühl, Wille zum Aufbruch, kindliche Spielfreude, Revoluzzertum und freie Liebe – all das transportiert „Disko 76“ mit ganz viel Musik: mit Boney M, Jackson Five, Abba oder Donna Summer sind viele Hits der 70er dabei. Und dann gibt es noch ein paar andere Kunstgriffe, die ziemlich gut funktionieren: Im Stil des magischen Realismus werden Doros Gedanken und Gefühle kurz Bildwirklichkeit: aus einer Knetkugel wird plötzlich ein echter Vogel, alte weiße Männer fallen wie Pappkameraden vor ihr um und bei der ersten Begegnung mit dem Tänzer Robert steht die Welt um sie herum still.
Ein temporeiches Märchen, das mitnimmt
Ein bisschen ist es wie mit dem Prinzen und Dornröschen. Nur bleibt Doro von Anfang an de Erzählerin ihres eigenen Märchens, das erstmal nicht wirklich auf ein Happy End zusteuert. Dabei spricht sie auch mal direkt in die Kamera und freundet sich so mit Zuschauerinnen und Zuschauern an. Viele witzige Schnitte und ungewöhnliche Bildideen bringen Tempo in die Geschichte, die eigentlich vom Aufbruch einer Generation erzählt. Die junge Produzentin Sinah Swyter will dafür möglichst viele Leute mitnehmen.
„Disko 76“ trifft den Retro-Nerv der Zeit
Manchmal ist man überrascht, wieviel Nachkriegsgeschichte in die Serie reingezupackt wurde, vom Konsumverhalten bis zur RAF. Und es gelingt auch nicht alles gleich gut, manche Stilmittel nutzen sich ab und gegen Ende löst sich alles doch etwas zu simpel auf. Aber so ist das wohl im Märchen und übel nehmen kann man das dieser Serie nicht. Dafür macht sie zu viel Spaß. Und trifft von den Boomern bis zur Generation Instagram den Retro-Nerv der Zeit.
Die Serie „Disko 76“ läuft ab 28.März 2024 auf RTL+.
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