90 Prozent der Frauen sind laut Umfragen unzufrieden mit ihrem Aussehen. Kein Wunder: Der perfekte Körper ist im Film, in der Werbung und in den sozialen Medien omnipräsent. Wie sich der dadurch entstehende Selbstoptimierungsdruck auf viele Mädchen und Frauen auswirkt, davon erzählt die Komödie „Wunderschön“. Es ist die dritte Regiearbeit von Schauspielerin Karoline Herfurth, die dem Thema zusammen mit prominenten Kolleginnen wie Martina Gedeck, NoraTschirner und Emilia Schüle auf den Leib rückt.
„Wunderschön“ finden sich die Frauen im Film alle nicht
Zu alt. Zu fett. Zu faltig. Wunderschön findet sich keine der Frauen in diesem Film. Weder die Endfünfzigerin Frauke (Martina Gedeck), die für ihren Mann schon lange unsichtbar ist, noch ihre Schwiegertochter Sonja (Karoline Herfurth), die sich in ihrem Körper nach zwei Geburten unwohl fühlt.
Und schon gar nicht Leyla (Dilara Aylin Ziem), die sie in der Schule wegen ihrer plumpen Gestalt „Quasimodo“ rufen. Alle hadern mit ihrem Aussehen. Am härtesten kämpft ausgerechnet das bildschöne Model Julie (Emilia Schüle) mit sich selbst. Ihre Agentin befindet: Sie sei einfach nicht besonders genug für den Laufsteg. So reiche es gerade mal für Katalogfotos.
Ein elegant konstruierter Episodenfilm
„Wunderschön“ ist das Werk von Karoline Herfurth. Die 37-Jährige hat Regie geführt, am Drehbuch mitgeschrieben und spielt als frustrierte Mutter Sonja auch eine der Hauptrollen. Herfurths elegant konstruierter Episodenfilm wirft einen Blick in verschiedene weibliche Lebenswelten, die eines gemeinsam haben: der Druck zur Selbstoptimierung ist enorm.
Werbung, soziale Medien, Mitmenschen: Sie alle suggerieren „arbeite an dir und deinen Körper“, „sei happy, gutaussehend, schlank und sportlich.“ Die Konsequenzen fürs eigene Selbstwertgefühl sind beunruhigend. Das Model Julie hungert sich mit Koks und Tabletten zum Minimalgewicht. Sonja denkt über eine Schönheits-OP nach, ein so genanntes „Mommy Makeover“.
Der Film zeigt ein realistisches Bild des weiblichen Körpers
„Body Positivity“ ist in „Wunderschön“ mehr als ein gut vermarktbares Schlagwort. Das beweist schon allein das realistische Bild des weiblichen Körpers, den man so ungeschönt fast nie im Kino sieht. Herfurth selbst spielt Sonja mit Ringen unter den Augen, ein paar Pfunden zu viel auf den Rippen und Dehnungsstreifen am Bauch.
Vor allem spielt sie sie mit viel Frust im Herzen: über ihren erschlafften Körper, aber auch über die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Ihr wird bewusst: Während ihr Mann munter Karriere macht, steckt sie mit den zwei kleinen Kindern zu Hause fest.
Eine Wohlfühl-Komödie, die das Thema ernst nimmt, ohne zu belehren
Das dreiköpfige Drehbuchteam hat ein gutes Ohr für die typischen Dialoge zwischen Ehepartnern, zwischen jungen Müttern und Freundinnen. Vieles, was das Geschlechterverhältnis betrifft, kommt dabei nicht eben subtil um die Ecke.
Aber vermutlich darf es das auch nicht, wenn man mit einer Mainstreamkomödie möglichst viele Menschen für ein gesellschaftliches Anliegen sensibilisieren will. Der Film nimmt eine dezidiert weibliche Perspektive ein und fragt: Was macht mich aus? Was sind meine Stärken? Und woher nehmen andere überhaupt das Recht, über meinen Körper zu urteilen?
Herfurth schafft es, diese komplexen Fragen in einer Wohlfühl-Komödie zu verhandeln, die ihr Thema ernst nimmt, ohne zu belehren. Das macht diesen Film besonders und zum Ende hin auch wunderschön.
Der Film startet am 3. Februar 2022 in den deutschen Kinos.
Der Trailer zu „Wunderschön“:
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