Uraufführung am Wormser Dom

Überreizt und verkatert: „Brynhild“ bei den Nibelungen-Festspielen

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Maja Hattesen
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Dominic Konrad

Ein junges, vielversprechendes Ensemble trifft auf gut geschriebenes Theater: „Brynhild“ heißt Maria Milisavljevićs Neubearbeitung der Nibelungensage für die Wormser Nibelungen-Festspiele 2023. Doch für universelle Themen lässt die Inszenierung keinen Raum. Regisseurin Pınar Karabulut präsentiert einen poppig-schrillen Abend, der keine Helden kennt und das Publikum überfordert zurücklässt.

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Tod dem alten weißen Mann!

Der Anfang sagt schon alles: Ralf Moeller, Bodybuilder und aus „Conan, der Abenteurer“ und „Gladiator“ bekannter Hollywood-Haudegen – der cis Mann par exellence – wird auf einer großen Leinwand von einem schmalbrüstigen Sigurd niedergemetzelt. Tod dem alten weißen Mann, es lebe – ja wer eigentlich?

Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Kampf der Geschlechter: Brynhild und Sigurd. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Schöne Frauen auf der Leinwand, fast wie in der Kosmetikwerbung. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Vater-Sohn Konflikt im American Diner. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Über dem Diner spielt die Live-Band von Daniel Murena mit bunten Elvis-Perücken. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Feministischer Ansatz: Hagen ist weiblich. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Ein Griff in die Filmgeschichte: Futuristische Kostüme von Teresa Vergho. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Das Ensemble im roten Kasten. Eine Absage an die grosse Bühne. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Brynhilds Mutter Frigga mit Stinkefinger. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Ohne Männer planscht es sich besser: Brynhild und Kriemhild. Bild in Detailansicht öffnen
Brynhild - Nibelungen Festspiele Worms
Das Künstlerische Leitungsteam mit Regisseurin Pinar Karabulut (Mitte). Bild in Detailansicht öffnen

Auch für die Mutterfigur, hier Frigga als Mutter der Brynhild, hat Regisseurin Pinar Karabulut nur wenig übrig: eine aufgedonnerte Tussi mit übergroßen Brüsten, die ihrer Tochter das arabische „Masch’Allah“ inbrünstig entgegen schmettert. Mit ihren langen Fingernägeln hat sie uns Journalist*innen übrigens bei einer der Endproben gleich zwei Stinkefinger gezeigt. Fuck you all!

Hier steht alles zur Disposition, heraus kommt da ein bunt-schriller Bilderreigen, der sich wie eine lange TikTok-Session anfühlt und aus der man ziemlich überreizt und verkatert raus kommt. 

Hüpfen und brüllen im lila Sandkasten

Die Bühne ist ein lila Kinder-Sandkasten, aber der Spielplatz ist wohl wegen Umbau geschlossen: Regisseurin Karabulut lässt über weite Teile die Bühne verwaist. Viele Szenen finden in einem kleinen, einem American Diner nachempfundenen Kasten statt, in den wir nur Einblick über zwei Kameraleute erhalten. Die Videoprojektion als klare Absage an die Bühne als Theaterraum.

Über dem Diner spielt die Live-Band von Daniel Murena mit bunten Elvis-Perücken. Ihre Gitarren-Riffs übertünchen jede Szene. 

Und wenn die Bühne mal bespielt wird, wird gleichzeitig gehopst, sich gerollt oder auch mit Sand geworfen. Meistens wird, das kennt man auch vom Spielplatz, gebrüllt.

Zeitgeist statt universeller Themen

Doch der Reihe nach: Das neue Theaterstück von Maria Milisavljević  lässt eigentlich viele Lesarten zu. Wer will, kann darin eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem verheerenden Krieg in der Ukraine sehen – ausgelöst von tradiertem Männlichkeitswahn, Besitzansprüchen und dem in die Menschheitsgeschichten-DNA eingeschriebenen Rachegelüsten.

Universelle Themen, von denen auch die Nibelungensage handelt. Doch vom Krieg will die Regisseurin nichts wissen: Der Kampf der Geschlechter, das Aufbegehren gegen die tradierten Geschlechter-Zuschreibungen, ob mit migrantischen oder nicht-migrantischen Wurzeln, ist ihr Fokus. 

 

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Pınar Karabulut verheizt ihre junge Hauptdarstellerin

Die Darstellerin der Brynhild muss, wie bei Heidi Klum, den ganzen Abend in einem goldenen Catsuit herumstaksen und schreien. Jeder Auftritt ein Walk. Ein Foto gibt’s dafür zwar nicht, aber eine riesige Bildprojektion auf ein perfektes Augen-Make-Up.

Die Brynhild wäre eigentlich eine Paraderolle für eine reife Schauspielerin. Doch Pınar Karabulut verheizt die erst 23-jährige, bühnenunerfahrene Lena Urzendowsky für ihre It-Girl-Parodie. Brynhilds Isenland ist eine Science-Fiction-Welt, für die der zarte Sigurd seine Moonboots anziehen muss.

Schrille Cosplay-Party, für Mitleid keine Chance

Eigentlich möchte man ja mitleiden, mit diesem Liebespaar, das nicht mehr im Namen der Tradition kämpfen und töten will, der Macht des Schicksals und auch den Nibelungen-Klischees entsagen will, doch die gute alte Einfühlung hat keine Chance. Alles rauscht so schnell vorbei wie in einem Computerspiel. 

Die Kostüme der diesjährigen Festspiele:

Die futuristischen Kostüme von Teresa Vergho lassen Geschlechterrollen verschwimmen. Das ist so schauwertig wie bei einer lustigen, queeren Cosplay- oder Faschingsparty.

Ach und am Schluss gibt’s dann doch noch ein bisschen Ukraine-Feeling und Frauenpower: Weil der Schlaffi Sigurd sowieso nichts taugt, planscht Brynhild lieber mit Kriemhild im Becken aus orangenem Drachenblut. Orange war die Farbe der Proteste am Maidan in Kiew. Ein Abend, der sicher polarisieren wird.

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