Alltag mit Behinderung

Seltener Gendefekt: Warum diese Frau mit Behörden und Kassen in BW kämpfen muss

Stand
Autor/in
Nicole Florié
Nicole Florié ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Vanessa Urban hat eine Erbkrankheit, die sich zunehmend verschlechtert. Sie braucht einen neuen Rollstuhl, eine andere Wohnung. Doch dafür muss sie mit Behörden und Kassen kämpfen.

Vanessa Urban lebt in Freiburg. Sie hat das seltene "Ehlers-Danlos-Syndrom". Ein Gendefekt, der das Bindegewebe verändert. "Wo normale Körper mit einer Art Superkleber zusammengehalten werden, ist es bei mir nur ein Klebestift", beschreibt Vanessa ihre Krankheit. Sie kugelt sich dauernd Gelenke aus, schon beim Anziehen von Socken kann das passieren. Dazu noch eine Spastik und dauernd Schmerzen.

Sie weiß noch, wie es war, als Kind, als sie noch laufen konnte. Das war extrem schmerzhaft und hat viel Kraft gekostet. Heute sitzt die 25-Jährige im Rollstuhl. Das Problem: Ihre Krankheit verschlechtert sich ständig. Deswegen passt ihr Rollstuhl nicht mehr. Und allein fahren kann sie ihn auch nicht mehr. Deswegen kann sie auch gerade nicht mehr arbeiten. Sie braucht dringend einen neuen.

Keine behindertengerechte Wohnung - kein neuer Rollstuhl?

Auf den neuen Rollstuhl wartet sie jetzt seit zehn Monaten. Die Genehmigung dauert, denn der neue wird sehr viel Geld kosten. Bei so seltenen Erkrankungen prüft die Kasse noch länger.

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Und es gibt womöglich noch einen Grund warum es so lange dauert, erklärt Vanessa: "Tatsächlich kann auch die Wohnungen Hindernis sein, weil ich die nicht gut mit dem Rollstuhl befahren kann. Und da kann es sein, dass die Krankenkasse dann sagt, dass ich den gar nicht bekomme. Und ich bekomme aber auch keine andere Wohnung, weil es einfach keine barrierefreie Wohnungen hier gibt."

Alltägliches wird zur Herausforderung

Ihr Badezimmer ist so klein, dass sie den Rollstuhl darin nicht drehen kann. Schon das Zähneputzen wird zu einer komplizierten Aktion. Mit Hilfe ihrer Assistentin hievt sie sich aus dem Rollstuhl auf den Duschwannenrand und dann rüber auf den Toilettendeckel. Dann erst sitzt sie vor dem Waschbecken.  

Es ist ein Teufelskreis sagt sie: ohne neuen Rollstuhl keine Arbeit - ohne Arbeit keine behindertengerechte Wohnung, die sie bezahlen kann - ohne behindertengerechte Wohnung kein neuer Rollstuhl. Vanessa fehlt ihre Arbeit mit Kindern und Familien. Sie ist Sozialarbeiterin, hat Sozialpädagogik studiert. Aber sie kann einfach nicht mehr lange im Rollstuhl sitzen, der verschlimmert die Schmerzen und die Spastik.

Über dieses Thema berichtete auch die Fernsehsendung Zur Sache Baden-Württemberg am Donnerstag (20. März) um 20:15 Uhr im SWR.

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Ordner voll mit Anträgen

Ohne ihre Assistentinnen, die sich abwechseln, ginge gar nichts. Sie unterstützen Vanessa Tag und Nacht - 24 Stunden am Tag, die ganze Woche. Sie zeigt die prall gefüllten Ordner mit Anträgen an Krankenkasse und Behörden: Rollstuhl, Assistentinnen, Medikamente. Allein die Anträge für die Assistenz füllen fast einen ganzen Ordner. 

"Ich habe jetzt zwei Jahre darum gekämpft, Assistenz zu haben. Die Bewilligung läuft jetzt zum 31.03. aus. Und dann weiß ich nicht, wie es weitergeht. Ich bekomme gerade immer nur die Bewilligung zweimonatsweise, das heißt im schlimmsten Fall stehe ich am 1. April wieder komplett ohne da. Das hatte ich schon mal, und das ist einfach lebensgefährlich für mich", sagt Vanessa.

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18 Assistentinnen kümmern sich im Wechsel um Vanessa. Und wenn neue kommen, müssen sie erst eingelernt werden. Ohnehin, so Vanessa, ist die Behinderung ein Vollzeitjob. All die Anträge, Assistenzkräfte, Arzttermine, Physiotherapie. Das kostet viel Kraft.

Hürdenlauf auf dem Weg zur Physiotherapie

Mehrmals die Woche fährt Vanessa mit ihrer jeweiligen Assistentin zur Physiotherapie. Auf dem Weg zur Straßenbahn gibt es gerade viele Baustellen. Da steht dann ein rot-weißer Bauzaun an dem sie nicht vorbeikommt. Und den hohen Bordstein runter, mit Rollstuhl, geht auch nicht. Also wieder zurück, einen anderen Weg runter suchen.

An der Straßenbahnhaltestelle muss sie warten, bis eine Bahn kommt, in die sie barrierefrei einteigen kann, mit einem sogenannten Niederflureinstieg. Es gibt Tage, sagt sie, da hat man viel Pech. Dann kommt eine nicht benutzbare nach der nächsten. Heute hat sie Glück, die nächste kann sie nehmen.

Dafür ist es in der Bahn sehr eng. Die Stellplätze sind begrenzt und die muss sie sich mit Kinderwägen und Rollatoren teilen. Und wenn es so richtig voll ist, rempeln die Leute sie oft an oder halten sich an ihrem Rollstuhl fest. Ich habe auch öfter mal Rucksäcke im Gesicht, erzählt sie. Es sei einfach genau ihre Höhe.

Jeder Tag ist ein Kampf

Einmal muss sie umsteigen. Am Bertholdsbrunnen mitten in Freiburg. Einmal quer übers Kopfsteinpflaster zur nächsten Haltestelle. Vanessa spürt jeden Schlag schmerzhaft. Und dann muss ihre Assistentin schnell sein und rennen, denn der barrierefreie Einstieg in die nächste Bahn ist unerwartet weit vorne.

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Kommentare (1)

Bisherige Kommentare
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  1. Kommentar von
    Klaus Meier
    Verfasst am

    Es gibt Personengruppen die ohne große Kontrolle fast alles bekommen, und diejenigen die es wirklich nötig haben müssen endlos um ihr Recht kämpfen. Bin selber mittelbar durch meine Frau von der Problematik betroffen. Es ist wirklich unglaublich was sich manche Ämter oder Institutionen alles erlauben. Leider.

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