Experten vermuten hohe Dunkelziffer

Immer mehr Beschwerden bei Antidiskriminierungsstellen in BW

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Viele Menschen erleben Rassismus oder werden wegen einer Behinderung diskriminiert. Immer mehr von ihnen trauen sich, deswegen professionelle Hilfe zu suchen.

Bei den Antidiskriminierungsstellen in Baden-Württemberg hat die Zahl der Beschwerden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Das berichtet Nina Guérin, die die Antidiskriminierungsstelle des Landes (LADS) leitet. "Die am häufigsten genannten Gründe sind hierbei rassistische Diskriminierungen sowie Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung oder chronischen Erkrankung", sagt sie.

Die Antidiskriminierungsstelle des Landes zählte 2019 noch 75 Anfragen und im vergangenen Jahr schon 301. Und in einer Studie der Antidiskriminierungsstellen des Bundes von 2017 gab mehr als jeder dritte Befragte an, in den letzten zwei Jahren Diskriminierung erlebt zu haben.

Guérin: Vielen Menschen ist Diskriminierung nicht bewusst

Auch bei den Stellen vor Ort stieg die Zahl der Anfragen von 414 im Jahr 2019 auf je um 800 in den letzten Jahren. Diese Zahlen sagten allerdings nichts über die tatsächliche Anzahl an Diskriminierungen aus, meint Sozialwissenschaftlerin Guérin. "Die meisten Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, melden dies nicht, unter anderem weil vielen Menschen nicht bewusst ist, dass das, was sie vielleicht tagtäglich erleben, diskriminierend ist."

In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder über kulturelle Aneignung gestritten, wie zuletzt beim geplanten Auftritt eines Seniorinnen-Balletts auf der Bundesgartenschau in Mannheim. Die Veranstalter hatten Bedenken wegen ihrer Kostümierung als Mexikanerinnen in Ponchos und Sombreros.

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Wer sich diskriminiert fühlt, kann sich in Baden-Württemberg in einem dichten Beratungsnetz Hilfe holen: Die Antidiskriminierungsstelle in Heilbronn ist eine von neun lokalen Beratungsstellen unter anderem in Esslingen, Freiburg, Heidelberg und Mannheim. Außerdem gibt es eine überregionale Beratungsstelle für alle Menschen in Tübingen sowie drei weitere für den ländlichen Raum. Das sucht aus Sicht von Guérin bundesweit seinesgleichen.

Shitstorm gegen Antidiskriminierunggstelle in Heilbronn

Die Arbeit der Antidiskriminierungsstellen war vor kurzem heiß diskutiert. Hintergrund war, dass sich eine schwarze Frau bei der Heilbronner Einrichtung meldete, die sich durch die Dekoration eines Faschings-Berliners verletzt fühlte. Der Aufstecker stellte eine halbnackte schwarze Frau mit Bastrock und Knochenkette dar. Die Bitte, das Dekorationsmaterial "diskriminierungssensibel abzuändern", erfüllte der Bäcker nicht. Im Netz erntete er dafür Lob, während die Antidiskriminierungsstelle von einem Shitstorm überrollt wurde.

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Gründe von Diskriminierung meist gleich

Berater der Anlaufstellen informieren über mögliche rechtliche Schritte gegen Diskriminierung und helfen bei der Suche nach Anwälten, formulieren Beschwerdebriefe oder begleiten die Hilfesuchenden zu einem Vermittlungsgespräch. Die Zahl der Beschwerden über Diskriminierungen geht nach oben, die Gründe bleiben aber relativ konstant, hat Expertin Guérin beobachtet.

So bezogen sich die Anfragen im vergangenen Jahr zu über 30 Prozent auf rassistische Diskriminierungen, weitere 30 Prozent entfielen jeweils auf Diskriminierungen wegen einer Behinderung oder wegen einer chronischen Erkrankung. Diskriminierungen erleben Menschen überall: In 15 bis 20 Prozent der Fälle ging es um den Behördenbereich, worunter etwa kommunale Ämter fallen. Aber auch Beschwerden über Diskriminierung im Job, über Benachteiligung in Bewerbungsverfahren oder Fälle in Kindergärten, Schulen und Hochschulen wurden gemeldet.

Gleichbehandlung fördern

Die Arbeit der von Land und Kommunen geförderten Berater beruht auf dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Sein Ziel ist es, "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen". Die Antidiskriminierungsstelle des Landes setzt sich mit vielen anderen Organisationen auch für ein Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene ein, damit sich Betroffene besser gegen Diskriminierungen durch öffentliche Stellen zur Wehr setzen können.

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