Am Donnerstag ist eine geplante neue forensische Psychiatrie in Stuttgart-Bad Cannstatt in die nächste Projektphase gegangen: Bei dem sogenannten Bürgerbeteiligungsverfahren will das baden-württembergische Sozialministerium nach eigenen Angaben Hintergründe erklären und die Bedürfnisse in der Bevölkerung bei diesem Thema herausfinden. Bereits jetzt gibt es bei Anwohnerinnen und Anwohnern Bedenken, dass aus dem bisherige Rot-Kreuz-Krankenhaus eine forensische Psychiatrie werden soll.
Über die endgültigen Pläne dürfen weder der Bezirksbeirat Bad Cannstatt noch die Stadt Stuttgart entscheiden. Die Verantwortung für Einrichtungen des Maßregelvollzugs liegt in der Hand des Landes.
Der Bezirksbeirat sei "nicht begeistert" Psychisch kranke Straftäter in Bad Cannstatt? Bezirksvorsteher reagiert
In das Krankenhaus vom Roten Kreuz in Bad Cannstatt ziehen möglicherweise 80 psychisch erkrankte oder suchtkranke Straftäter ein. Der Bezirksbeirat Bad Cannstatt reagiert verhalten.
Neuer Maßregelvollzug in Bad Cannstatt geplant
Das Ministerium will dort rund 80 Menschen im Maßregelvollzug unterbringen, die eine Straftat begangen haben, aber als psychisch krank oder suchtkrank gelten. Voraussetzung für die Unterbringung im Maßregelvollzug ist die Feststellung der Schuldunfähigkeit.
In Bad Cannstatt sollen sie unter anderem die Möglichkeit bekommen, sich von der Drogen- oder Alkoholsucht zu entwöhnen und sich auf ein sucht- und straffreies Leben vorzubereiten. Deshalb will das Sozialministerium dort Personen unterbringen, deren Behandlung schon weit fortgeschritten ist. Es gehe um Menschen, die sich bereits in Lockerungen bewährt hätten, und bei denen eine baldige Entlassung das Ziel sei.
Hier kommen Menschen, die schon sehr weit fortgeschritten in ihrem therapeutischen Prozess sind.

Kritiker halten Standort für ungeeignet
Doch Anwohnerinnen und Anwohner des bisherigen Rot-Kreuz-Krankenhauses in Bad Cannstatt halten den Standort für eine forensische Klinik für ungeeignet, weil dort unter anderem suchtkranke Menschen unterkommen sollen. Eine Initiative kritisiert, in unmittelbarer Nachbarschaft gebe es viele Großveranstaltungen mit starkem Alkoholkonsum. Dort seien Alkohol und Drogen aller Art verfügbar, heißt es in einer Mitteilung der "Initiative Schöne Straße e.V.". Vom Rot-Kreuz-Krankenhaus ist beispielsweise zu Fuß der Cannstatter Wasen erreichbar, auf dem das Frühlings- und Volksfest stattfinden.

Außerdem sei die Außenfläche, die den Maßregelvollzug vom unmittelbaren Umfeld abschirme, sehr klein. Probleme sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch deren Nachbarinnen und Nachbarn hält die Initiative deshalb für wahrscheinlich. Man wolle, "dass ein guter Standort für den Maßregelvollzug gefunden wird und dass bei uns im Quartier und im Stadtbezirk Platz ist, für eine positive Entwicklung". Diese sei in Bad Cannstatt, das bereits zahlreiche sozialpsychiatrische Einrichtungen und zahlreiche Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe beheimate, dringend notwendig, schreibt die Initiative.
Minister Lucha: Nicht immer Weißenau, Bad Schussenried und Zwiefalten
Die Einrichtung einer solchen Klinik in Bad Cannstatt begründet Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) damit, dass es in der Region Stuttgart bislang keine eigene Klinik für Forensische Psychiatrie gebe. Patientinnen und Patienten aus der Region Stuttgart müssten deshalb in weit entfernten Einrichtungen, nämlich in Zwiefalten (Landkreis Reutlingen), Bad Schussenried (Kreis Biberach) und Ravensburg-Weißenau (Kreis Ravensburg) behandelt werden. Dies erschwere allerdings den Kontakt zu Angehörigen und auch die Vorbereitung der Entlassung, die für den Behandlungserfolg entscheidend sei.
Maßregelvollzug für psychisch erkrankte Täter Folter-Prävention kritisiert Zustände im ZfP in Bad Schussenried
Unhaltbare Zustände sollen im ZfP in Bad Schussenried herrschen. Das steht in einem Bericht der "Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter".
Land: BW braucht mehr Plätze im Maßregelvollzug
Der Bedarf an Maßregelvollzugseinrichtungen im Land sei gestiegen, so das Sozialministerium. Seit 2017 hätten die Zuweisungen in den Maßregelvollzug in Baden-Württemberg um 55 Prozent zugenommen. Die Situation im Maßregelvollzug sei in Baden-Württemberg angespannt, deswegen sei der Ausbau an Einrichtungen wichtig. Laut Sozialministerium gibt es einen Vorvertrag mit dem Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes für eine längerfristige Anmietung des Rot-Kreuz-Krankenhauses in Bad Cannstatt.
Hilfe für sucht- und psychisch kranke Straftäter Mangel im Maßregelvollzug: Wann neue Plätze entstehen
Seit Jahren gibt es in Baden-Württemberg zu wenig Plätze für suchtkranke und psychisch kranke Straftäter im Maßregelvollzug. Bis Ende 2024 sollen nun über 100 neue Plätze entstehen.
Allerdings müsste das Gebäude umgebaut werden. Die Kosten dafür seien im zweistelligen Millionenbereich und würden vom Land getragen werden. In Bad Cannstatt gelte, wie in allen forensischen Kliniken in Baden-Württemberg und bundesweit, ein umfassendes Sicherheitskonzept, das baulich-technische, organisatorische und personelle Sicherungsaspekte umfasse, so das Sozialministerium.
Für die Bürgerbeteiligung findet nun das sogenannte Beteiligungsscoping statt. Dabei gehe es um das Zuhören und das Sammeln von Bedürfnissen aller Beteiligten, heißt es von Seiten der "Servicestelle Bürgerbeteiligung", die das Treffen im Auftrag des Sozialministeriums organisiert. Ziel sei, schon in einem frühen Planungssstadium bestimmte Aspekte und mögliche Konflikte bearbeiten zu können.