Eine Frau steht am Mannheimer Marktplatz an der Trauerstelle für den getöteten Polizisten Rouven Laur.

Drei Monate nach islamistisch-extremistischer Attacke auf Marktplatz

Tödlicher Messerangriff: So hat der Tod von Rouven Laur Mannheim verändert

Stand
Autor/in
Patrick Figaj
SWR Journalist Patrick Figaj
Sarah Hennings
Sarah Hennings, SWR-Regionalstudio Mannheim
Laura Uzupyte
SWR-Reporterin Laura Uzupyte aus Mannheim.
Phillip Behrens
Harald Bürk
Onlinefassung
Ninja Degen
Bild Ninja Degen, SWR Studio Mannheim

Der Tod des Mannheimer Polizisten Rouven Laur nach dem Messerangriff am 31. Mai 2024 hat die Stadt verändert. Auf unterschiedlichsten Ebenen. Aber wie wirkt die Tat nach?

Drei Monate nach dem tödlichen Messerangriff in Mannheim halten Menschen noch immer am Marktplatz inne. Am Tatort, mitten in der Stadt, mitten in den Mannheimer Quadraten wurde der Polizist Rouven Laur so schwer mit einem Messer verletzt, dass er kurz darauf starb. Ein 25-jähriger Afghane hatte außerdem fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) mit einem Messer verletzt. Auf politischer Ebene wird seitdem - von Mannheim bis nach Berlin - über mögliche Folgen und Konsequenzen debattiert. Im Bundestag ging es nach dem Angriff um schärfere Abschieberegeln.

Anschlag in Solingen: Konsequenzen gefordert

Die politischen Debatten zur Asylpolitik reißen nicht ab. Denn für den Anschlag auf das Stadtfest in Solingen (Nordrhein-Westfalen) mit drei Toten und mehreren Verletzten am Freitag soll ein Mann aus Syrien verantwortlich sein. Seine Abschiebung war im vergangenen Jahr gescheitert. Nun werden erneut Konsequenzen gefordert - vor allem in Bezug auf Abschiebungen und das Waffenrecht.

"Marktplatz Mannheim" - ein symbolischer Ort

In Mannheim hat sich seit der Messerattacke im Mai etwas verändert. Besonders greifbar wird das vor Ort - am Marktplatz. Der Tatort wurde nach dem Angriff von der Stadt zum Ort der Trauer umgewidmet. Mittlerweile ist dennoch so etwas wie Alltag zurückgekehrt, aber nur solange man nicht über den 31. Mai spricht. Händler auf dem Marktplatz vermissen das Lächeln ihrer Kundschaft, Menschen erzählen vom eigenen Sicherheitsempfinden, das sich verändert habe. Und noch immer gibt es Passantinnen und Passanten, denen am Tatort Tränen in den Augen stehen. Andere trauen sich nicht mehr auf den Wochenmarkt, der nicht nur Mannheimerinnen und Mannheimer anzieht, sondern Menschen aus der ganzen Region.

Blumen und Kerzen vor Brunnen am Mannheimer Marktplatz
Trauer um den Mannheimer Polizisten Rouven Laur vor dem Brunnen auf dem Mannheimer Marktplatz (Bild vom 26. August 2024).

Nach Messerattacke in Mannheim: Politische Fragen von Sicherheit und Integration

Seit der Tat gibt es unzählige Forderungen und Debatten, nicht nur in der Mannheimer Politik. Dass sich nachhaltig etwas verändert hat, spürt man auch auf Landes- und Bundesebene: Gibt es Orte, die für politische Versammlungen eingeschränkt werden sollten? Welche Fehler oder Versäumnisse wurden in den vergangenen Jahren beim Thema Integrationsarbeit gemacht? Sind Polizistinnen und Polizisten ausreichend auf Einsätze wie diesen vorbereitet? Das sind nur einige Fragen, die beispielsweise der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) in den vergangenen Monaten immer wieder gehört hat. Erste Antworten gibt es.

Ob die Ideen und Vorstellungen am Ende auch politisch umsetzbar sind, steht auf einem anderen Blatt. Beispielsweise hatte die Stadt Mannheim bereits vor der angemeldeten Versammlung durch den Verein Bürgerbewegung PAX Europa (BPE) Bedenken über den gewählten Ort vorgebracht. Doch der Versammlungsleiter habe auf den Ort bestanden, so Specht. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wiege so hoch, dass es kaum möglich sei, dieses einzuschränken.

Konkrete Maßnahmen in Mannheim nach dem Tod von Rouven Laur

Mannheims Oberbürgermeister Specht berichtet über verstärkte Streifen der Polizei in der Stadt, über die Videoüberwachung in Mannheim oder die Waffen- bzw. Messerverbotszone. Er will unterstreichen: Die Frage von Sicherheit ist ihm wichtig. Auch er spüre: Diese Frage ist von zentraler politischer Bedeutung in den kommenden Monaten. Und erst recht im kommenden Jahr, wenn ein neuer Bundestag gewählt wird.

Das weiß auch Isabel Cademartori (SPD), Bundestagsabgeordnete aus Mannheim. Gegenüber dem SWR sagte sie, es werde beim Thema Abschiebungen von Straftätern Verschärfungen geben. Dennoch sei es schwierig, in Länder wie Afghanistan abzuschieben. Der Täter kam als jugendlicher unbegleiteter minderjähriger Flüchtling und lebte in Lorsch und Heppenheim (Kreis Bergstraße). Allerdings sind die juristischen Hürden für Abschiebungen hoch. Die sogenannte Drittstaaten-Regelung ist umstritten. Dennoch werde nach Lösungen gesucht, wie man beispielsweise schwere Straftäter über Landwege abschieben könnte. Cademartori sagte aber auch: Man müsse mit "Augenmaß und rechtlich sicheren Mitteln agieren."

Familie und Freunde des Polizisten: Zwischen Schmerz und Andenken 

Für die Familie des getöteten Polizisten Rouven Laur kommen die inhaltlichen Debatten zu spät. Sie wünschen sich, dass politischen Forderungen und Aussagen auch konkrete Maßnahmen folgen. In Neckarbischofsheim (Rhein-Neckar-Kreis), dem Heimatort des Polizisten, ist die Tat weiter präsent. Die Familie hat sich nach der Trauerfeier für ihren Sohn weitgehend zurückgezogen, gibt keine weiteren Interviews mehr. Rouven Laurs Eltern und seine zwei Schwestern verarbeiten ihren Verlust ohne große Öffentlichkeit. Auch bei Freunden sitzt der Schmerz tief. Sie berichten, dass sie sein Andenken wahren wollen. Seine Motivation, sein Lachen.

Wenn ich meinen Laptop aufklappe, denke ich oft an Rouven. Daran, wie wir beim Zocken stundenlang gemeinsam geskyped, geflucht und gelacht haben.

Polizei Mannheim will Erinnerung an Rouven Laur wach halten

Trotz aller Trauerbewältigung und Aufarbeitung: Der Alltag ließ für die Mannheimer Polizei keine echte Pause zu. Politische Versammlungen mussten geschützt werden, Demonstrationszüge wurden begleitet. Auch der 31. Mai ist nach wie vor Thema. Im SWR-Interview sagte die Präsidentin des Polizeipräsidiums in Mannheim, Ulrike Schäfer, über den Tod von Rouven Laur: "Es gibt ein Davor und ein Danach."

Es ist eine Lücke da. Ich denke, dass das alles bei uns noch in Erinnerung bleiben wird. Der Alltag wird so nie mehr sein, wie er davor war.

In Bezug auf den Einsatz sagte die Polizeipräsidentin, werde immer wieder geprüft, welche Ausrüstung und Ausbildung für Polizistinnen und Polizisten notwendig sei. Allerdings räumt Schäfer auch ein: Bei bestimmten Einsätzen stößt die Polizei an ihre Grenzen. Nicht jede Tat lässt sich verhindern. Die Diskussionen zu Waffen- und Messerverbotszone hält Schäfer beispielsweise nicht für Scheindebatten. Im Gegenteil, sie sagt: Sie können ein Baustein sein, der zu mehr Sicherheit beitragen kann.

Psychologische Betreuung für Mannheimer Polizei

Einige Mannheimer Polizistinnen und Polizisten wurden nach der Tat aus dem Dienst genommen und psychologisch betreut. Manche seien wieder im Dienst, so Schäfer, weil ihnen der Arbeitsalltag helfe. Andere können bis heute nicht zurück in den Dienst. Der Einsatz sei für alle Mitarbeitenden eine "große emotionale Herausforderung" gewesen. Viele kannten Rouven Laur, die Tat ließ sich online mitverfolgen. Die Polizeipsychologin Anna Koch sagte im SWR-Interview: "Je dichter man an einer Situation dran ist, desto eher braucht man eine Unterstützung. Nähe birgt also eine größere Gefahr für Traumata."

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In Baden-Württemberg ist Mannheim das einzige regionale Präsidium, das eine Psychologin zur Verfügung hat, so Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer. Mannheim ist dabei mit rund 2.750 Mitarbeitenden das größte regionale Polizeipräsidium in Baden-Württemberg. In allen anderen Präsidien gibt es auch psychosoziale Beratungsstellen - allerdings übernehmen hier eigens dafür geschulte Beamtinnen und Beamte diese Aufgabe.

Deutsche Polizeigewerkschaft: "Kompetenzen der Polizei ausweiten"

Hier will Ralf Kusterer von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ansetzen. Man müsse die Kompetenzen der Polizei dafür allerdings ausweiten, so der Gewerkschafter. Nur so ließen sich Messer auch finden und sicherstellen. Grundsätzlich mangelt es ihm aktuell aber am politischem Willen, mehr für die Sicherheit der Polizistinnen und Polizisten zu tun. Kusterer spricht offen darüber, dass Einsätze von Elektrotasern oder Gummigeschossen geprüft werden müssten. Nicht zuletzt greift Kusterer aber auch das härtere Vorgehen gegen ausländische Straftäter auf. Es müsse konsequenter abgeschoben werden.

Das Attentat von Mannheim wirkt nach. Auf ganz unterschiedlichen Ebenen: Politisch, gesellschaftlich und zwischenmenschlich. Noch ist die Trauerbewältigung nicht abgeschlossen. Vielleicht wird sie das aber auch nie endgültig sein.

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