Platz 6 (28 Punkte)

Slata Roschal: 153 Formen des Nichtseins

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Sowohl die Biografie, die Slata Roschal in ihrem Roman ausbreitet, als auch die Form, in der ihre Erzählerin sich äußert, sind ausgesprochen gegenwärtig. Slata Roschal wurde 1992 in St. Petersburg geboren und kam im Alter von vier Jahren nach Deutschland. Ihr Debütroman ist eine Selbstbefragung ihrer Protagonistin in Sachen Identität, Migrationserfahrung, Körperlichkeit und Bewusstseinsbildung.

Ksenia Lindau, so heißt die Protagonistin, kommt im Alter von vier Jahren gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder von Russland nach Deutschland. Sie wächst unter den Zeugen Jehovas auf, ist aber gleichzeitig stark beeinflusst vom Jüdischen Glauben ihres Großvaters. Ksenia ist ein aufgewecktes, wissbegieriges und wendiges Mädchen, das Autoritäten und Prägungen nicht kritiklos annimmt.

Sie distanziert sich von ihrer Familie, geht ihre eigenen Wege, bekommt ein Kind, beginnt zu studieren und reflektiert ihren Werdegang und ihre familiäre Situation in 153 kurzen Abschnitten, die dem Roman ihren Titel geben und die sich aus unterschiedlichsten Textgattungen zusammensetzen: Aphorismen, Notizen, E-Mails, Tagebucheinträge.

Aus diesen flüchtigen Formen des vermeintlichen Nichtseins wird dann in der Gesamtschau des Romans dann doch eine Identität, auch wenn die keineswegs konsistent ist – nämlich pendelnd zwischen zwei Sprachen und Herkunftsterritorien, zwischen Pflichten und Bedürfnissen. Die Sehnsucht, die dahinter aufscheint, lässt sich auf einen Begriff bringen: endlich ankommen.

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Autor/in
SWR