Ein schnelles Ende des Kriegs in der Ukraine - das ist das Ziel der internationalen Sanktionen gegen Russland. Mit im Fokus stehen sogenannte Oligarchen, reiche Unternehmerinnen und Unternehmer, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Geld und Macht gekommen sind.
Ermittler auf schwieriger Mission
Jetzt sind staatliche Ermittler ihren Bankkonten, Unternehmen, Beteiligungen, Immobilien und Yachten auf der Spur. Was gehört wem, und wie lässt es sich einfrieren oder beschlagnahmen? Diese Fragen sind, so berichtet ein erfahrener Rechercheur, alles andere als einfach zu beantworten. Und über allem schwebt natürlich die Frage, wenn das gelingt, welche Wirkung können die Sanktionen dann entfalten? In unserem dreiteiligen Podcast "Die Jagd auf die russischen Oligarchen" gehen wir auf Spurensuche.
Wie die Oligarchen seit dem Ende der Sowjetunion in den 90er Jahren zu Vermögen und Einfluss gekommen sind, und was sich für sie unter Wladimir Putin verändert hat, das hören Sie in einem historischen Überblick von Wolfgang Brauer.
Cui bono?
Die Sanktionen sollen das Vermögen der Oligarchen treffen, in der Hoffnung, dass sie unter diesem Druck Einfluss auf die russische Politik nehmen. Dabei stellen sich zwei Fragen:
Welchen politischen Einfluss haben die Oligarchen? Und wie gut gelingt es, entsprechenden Druck auf sie aufzubauen, also Zugriff auf ihre Vermögen zu bekommen. Zumindest auf Zweiteres lautet die Antwort derzeit wohl: eher mäßig! Warum, dem geht SWR Wirtschaftsredakteur Christof Gaißmayer im Podcast "Jagd auf die Oligarchen /Oligarchen-Report" nach. Den ersten von drei Teilen hören Sie hier. Darin unter anderem: wie sich russische Oligarchen in Großbritannien gegen Sanktionen wehren und aktuelle Zahlen dazu, was die Europäische Union schon unternommen hat, im Gespräch mit SWR Brüssel-Korrespondent Stephan Ueberbach.
Bekannt ist nur die kleine Spitze eines gigantischen Eisbergs
Die Vermögenswerte russischer Oligarchen werden auf hunderte Milliarden Euro geschätzt. Das, was westliche Staaten schon an Milliardenwerten beschlagnahmt oder eingefroren haben, dürfte trotz Milliardenwerten nur ein kleiner Teil davon sein.
Rechercheure auf den Spuren des Geldes
Ein Rechercheprofi beim Aufspüren dieser Vermögenswerte ist Benedict Strunz vom Norddeutschen Rundfunk. Von dieser nervenaufreibenden und gleichermaßen packenden Detektiv-Arbeit hat er SWR Wirtschaftsredakteur Christof Gaißmayer im Podcast "Die Jagd auf die russischen Oligarchen" für SWR2 Geld Markt Meinung erzählt.
Benedict Strunz ist Mitglied des internationalen Medien Recherchenetzwerks Russian Asset Tracker. Bislang hat das Netzwerk Vermögenswerte von mehr als 15 Milliarden Euro russischen Oligarchen zuordnen können: von Bankguthaben, über Firmenanteile bis hin zu Villen und Yachten. In Kürze will das Netzwerk einen neuen Stand mit weiteren Entdeckungen veröffentlichen.
Mantelgesellschaften, Scheinfirmen und Strohmänner
Russische Oligarchenvermögen aufzudecken und Besitztümer zuzuordnen, das sei weltweit schwierig, erklärt Strunz. Denn es handle sich um ein globales Geschäft, das häufig einer bestimmten Grammatik folge. Teils schirmten mehrere Mantelgesellschaften die wahren Eigentümer beispielsweise einer Villa, eines Schlösschens oder anderer Immobilien ab.
Oligarchen-Immobilien in Deutschland besonders gut versteckt
Benedict Strunz berichtet von teils mehreren Mantelgesellschaften, mit denen die Verbindung von Oligarchen zu Bürokomplexen in deutschen Großstädten verschleiert werde. Dahinter stehe dann zum Beispiel eine Person, die nur in loser Verbindung zu dem eigentlichen Eigentümer stehe.
Schon vor den Sanktionen war das Verschleiern von Vermögen Standard
Die internationalen Sanktionen sieht Benedict Strunz nicht als vorrangige Motivation für diese Praktiken. Frühere Recherchen zeigten, dass vermögende Personen in Russland ihre Werte schon seit langem verschleiert hätten. Sie hätten Angst vor der politischen Führung gehabt, Sorge ihren Besitz zu verlieren. Es sei eher ein "angenehmer Nebeneffekt", dass das jetzt auch vor Sanktionen und dem Zugriff westlicher Staaten schütze.
Viele aktive und passive Helfer
Rechercheure sehen ganze "Heerschaaren" von Helfen: Von Bankmitarbeitern über Rechtsanwälte, auf Briefkastenfirmen spezialisierte Kanzleien oder Geschäftspartner, die sich als Immobilieneigentümer eintragen lassen.
Aber auch das System an sich helfe russischen Oligarchen bei ihren Praktiken.
Deutschland als Paradies für Geldwäsche
Deutschland sei auch deswegen sehr beliebt für russisches Geld, weil nicht großflächig ermittelt werden könne, wem welche Immobilie gehöre, sagt Rechercheur Strunz.
Ist Deutschland, sind die deutschen gut genug aufgestellt dafür, die Sanktionen durchzusetzen, verschleierte Eigentumsverhältnisse aufzudecken? Die Leiterin der SWR Wirtschaftsredaktion, Sabrina Fritz, bezweifelt das. Hören Sie hier ihren Kommentar: Zittern werden die Oligarchen hier noch lange nicht.
Immobilien zuordnen - schwer gemacht
Wie langwierig und schwierig die Recherchen nach den Eigentümern von Vermögen und Immobilien im Einzelfall sind, und zwar ganz besonders in Deutschland hören Sie im Podcast "Die Jagd auf die russischen Oligarchen".
Blick in die Zukunft: Systemwechsel oder "Oligarchen-Dämmerung"?
Die Oligarchen haben von Putin extrem profitiert, sagt der Russland-Experte Michael Rochlitz. Der Krieg in der Ukraine schade den Oligarchen mittlerweile aber extrem.
Drei Zukunfts-Szenarien denkbar
Den Oligarchen drohe einmal der Verlust ihres Einflusses, wenn es zu einem Regimewechsel in Russland komme, sagt Michael Rochlitz. Bleibe Putin im Amt und ziehe sich der Krieg hin, dann blieben auch die Sanktionen bestehen. Das bedeute für die Oligarchen weit weniger Möglichkeiten, Geld zu verdienen und im Westen zu investieren und Geld anzulegen.
Können die Oligarchen helfen, den Krieg zu beenden?
Die Oligarchen hätten also Interesse daran, Einfluss auf Putin zu nehmen. Mit dem Ziel, diesen Krieg zu beenden. Aber können Sie das? Wie nahe sind sie an Putin dran, wie gut ist ihr Draht zum russischen Präsidenten? Das beantwortet Michael Rochlitz im Podcast "Die Jagd auf die russischen Oligarchen". Teil zwei und Teil drei finden Sie Anfang kommender Woche hier.