Flüchtlingskrise: Buch Inside Moria beschreibt das Elend im Flüchtlingslager

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Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen
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Jörg Witzsch
Redakteur Jörg Witzsch aus dem SWR1 Team behält den Überblick in der SWR1 Online-Redaktion.

Die Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk war als Helferin in Moria, Europas größtem Flüchtlingslager. In "Inside Moria" beschreibt sie das Elend und das Trauma der Flüchtlinge.

Meine Hauptbotschaft ist, dass wir Menschen, die nach Europa flüchten, wie Menschen behandeln sollten. Die größte Enttäuschung meines Leben ist zu sehen, dass wir zulassen, was in Moria passiert ist und weiterhin [anderswo] passiert. Ich hatte immer gedacht: 'Europa wird das schon hinkriegen'. Wir haben so viele schöne Reden gehört – aber wenn ich da bin, sehe ich nur Elend. Das wollen wir doch nicht, oder?

Flüchtlingskrise: Moria größtes Flüchtlingslager in Europa

Die griechische Insel Lesbos ist ein Urlaubsziel – der Ort Moria war Zielort für Geflüchtete. Der Name "Moria" steht als Synonym für das größte Flüchtlingslager Europas: Bevor es im September 2020 niederbrannte, lebten dort bis zu 20.000 Menschen unter schlimmsten Bedingungen. Die deutsch-norwegische Trauma-Expertin und Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk war seit 2015 in Moria als freiwillige Helferin vor Ort und setzt ihre Arbeit jetzt im Ersatzlager Kara Tepe fort.

Die Welt ist manchmal so düster und man hat das Gefühl: 'Kann ich irgendeinen Unterschied machen?' Wenn ich als Helferin arbeite, ist es klein – aber ich mache etwas. Das nimmt mich aus der Hilflosigkeit heraus und das ist ein gutes Gefühl.

"Inside Moria": das Elend der Menschen in Moria und Kara Tepe

Bei ihrer Arbeit hat Katrin Glatz Bubakk sich auf Kinder spezialisiert, deren Leid für sie noch einmal eine andere Dimension hat: Ihrer Erfahrung nach haben bei den Kindern Panikattacken, Albträume, Depressionen und Selbstmordversuche zugenommen.

Die Traumata, die die [Kinder] schon erlebt haben, werden im Lager verstärkt und verlängert.

Katrin Glatz Brubakk spricht von der "Diagnose Moria", wenn sie davon erzählt, dass die Kinder, die in Moria lebten – oder jetzt in Kara Tepe – alle unter einem Trauma litten. Entweder aus ihrem Heimatland Afghanistan, Syrien, Sudan, oder dann von der Flucht zum und über das Meer. Was traumatisierte Kinder eigentlich brauchten, sei das Gefühl der Geborgenheit und nicht der permanenten Verunsicherung.

Kinder in die Sex-Sklaverei verkauft

Über das Erlebte hat Katrin Glatz Brubakk das Buch "Inside Moria" geschrieben und damit die Diskussion um die europäische Flüchtlingskrise neu angestoßen. 

Es gibt ganz viele sogenannte Helfer, die besonders den Frauen und Kindern, die alleine reisen, vorgaukeln, dass sie helfen wollen – sie nutzen sie aber aus. 2015/2016 sind es ungefähr 10.000 Kinder, die nach Europa gekommen sind, wo wir nicht wissen, wo sie sind. Betrüger, Vergewaltiger [oder] Menschenschmuggler, die sie dann weiter verkaufen in Sex-Sklaverei oder sie müssen irgendwo arbeiten.

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Michael Risel diskutiert mit
Dr. Anne Koch, Migrationsforscherin, Stiftung Wissenschaft und Politik
PD. Dr. Stefan Luft, Politikwissenschaftler, Universität Bremen
Prof. Dr. Daniel Thym, Leiter des Forschungszentrums Ausländer & Asylrecht, Universität Konstanz

Forum SWR Kultur

Großes Leid als direkte Konsequenz europäischer Flüchtlingspolitik

Hat die Politik, haben die Verantwortlichen vor Ort eine Lehre aus Moria gezogen – hat sich nach dem Brand des Lagers und dem Umzug in das aktuelle Lager auf Lesbos, Kara Tepe, etwas geändert? "Rein praktisch und organisatorisch" sei die Lage dort besser, sagt Katrin Glatz Brubakk: Wohncontainer gebe es für 3.000 Menschen. Im Herbst, wenn das Lager regelmäßig überfüllt sei, wohnten weitere 3.000 in Zelten.

Aber: Frauen trauten sich Abends nicht alleine durchs Lager wegen der Gefahr, überfallen zu werden. Die Kinder lebten hinter vier Meter hohen Stacheldrahtzäunen mit bewaffneten Wachen – "das ist besser, aber rein psychologisch immer noch eine riesige Belastung". Deshalb versucht sie, eine Stütze für die Kinder zu sein und mit einfachsten Mitteln eine Traumtherapie für Kinder und Eltern anzubieten. Und wie sieht ihr Blick in die Zukunft aus?

In dem Versuch, Lösungen [für die Flüchtlingskrise] zu finden, sind wir als Gesellschaft willig, zu sagen, 'Menschenrechte sollen vielleicht nicht für alle gelten' oder 'nicht alle Menschenrechte sollen gelten'. [Wir sind willig, zu sagen:] 'Vielleicht ist es ok, dass Menschen aufs Meer zurückgeschoben werden und zum Teil deswegen auch sterben', [oder] 'Vielleicht ist es nicht so schlimm, dass diese Kinder keine medizinische Fürsorge kriegen'. Sobald wir anfangen, so zu denken, verlassen wir die Grundwerte, die uns a.) zu Menschen machen und b.) Europa zu einer guten Gesellschaft gemacht haben. 

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