Laut einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stehen 84 Prozent der Befragten einer Organ- und Gewebespende aktuell eher positiv gegenüber. Dennoch werden insgesamt weniger Organe gespendet als benötigt. Im letzten Jahr ist die Zahl der Organspenden noch weiter gesunken.
Das hat fatale Folgen für die schwerstkranken Menschen auf den Wartelisten der Kliniken. Für sie ist eine Organtransplantation häufig die letzte Behandlungsoption und die einzige Chance, weiterzuleben.
Die meisten warten auf eine Spenderniere
Ärztinnen und Ärzte sind dazu verpflichtet, ihre Patientinnen und Patienten, die medizinisch auf eine Organspende angewiesen sind, einem Transplantationszentrum zu melden. Diese Zentren setzen die Betroffenen dann auf eine Warteliste. Die Regeln, wer auf die Warteliste kommt, sind streng. Es sind einerseits die Erfolgsaussicht und andererseits die Notwendigkeit entscheidend. Menschen, die beispielsweise an nicht heilbaren, bösartigen Erkrankungen leiden, können von einer Spende ausgeschlossen werden. Die meisten warten auf eine Spenderniere.
Auf der Warteliste entscheidet dann eine Rangordnung, wer zuerst eine passende Organspende erhält. Ist die gesundheitliche Situation akut lebensbedrohlich, erhalten die Patientinnen und Patienten beispielsweise die Stufe „hoch dringlich“ und werden bei der Vermittlung bevorzugt.
Immer mehr Menschen haben Organspendeausweis
Welche Organe Menschen spenden wollen, können sie zu Lebzeiten im Organspendeausweis festlegen. Doch den haben nicht einmal die Hälfte der Deutschen. Seit 2010 ist der Anteil der Befragten, die einen Organspendeausweis besitzen, zwar ungleichmäßig, aber signifikant gestiegen, wie auf der offiziellen Informationsseite zur Organspende in Deutschland angegeben wird. Waren es 2012 noch 22 Prozent, sind es im Jahr 2022 bereits 40 Prozent.
Haben Verstorbene ihren Wunsch für oder gegen eine Organspende nicht in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung schriftlich festgehalten, entscheiden die nächsten Angehörigen. Im Zweifel entscheiden diese sich aber eher gegen die Spende, erklären Baden-Württembergische Ärzte. Daran änderten auch neue Informationsangebote für die Bürgerinnen und Bürger zu diesem Thema nichts.
Viele vermeiden Auseinandersetzung mit dem Thema
Einige haben noch immer unbegründete Sorgen, zum Beispiel, dass sie als potentieller Spender im Ernstfall nicht ausreichend behandelt werden, dass Angehörige sich aufgrund der Entnahme nicht würdig verabschieden können, oder dass sie zu alt sind. Dabei gibt es keine Altersbegrenzung für eine Spende.
In der Umfrage der BZgA geben 22 Prozent der Befragten außerdem an, bewusst eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu vermeiden. 24 Prozent äußern Angst vor Missbrauch beziehungsweise mangelndes Vertrauen aufgrund negativer Berichterstattung als Grund dafür, eine Spende abzulehnen.
Ein Drittel mehr Spender durch Widerspruchsregelung im Ausland
Weil die Zahlen so niedrig sind, kocht immer wieder die Debatte um die Zustimmungsregelung hoch.
Deutschland muss aufgrund des Organmangels auch Organe aus dem europäischen Ausland einführen, wo die Dinge anders geregelt sind und überwiegend die sogenannte Widerspruchsregelung gilt: Grundsätzlich kommt hier jeder als Organspender in Frage, es sei denn er widerspricht ausdrücklich zu Lebzeiten.
Mit dieser Regelung konnte die Zahl der verfügbaren Organe in den meisten Ländern deutlich gesteigert werden, im Durchschnitt um ein Drittel. Deshalb fordert auch der Baden-Württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha angesichts der niedrigen Spendenbereitschaft diese Debatte erneut zu führen. 2020 fand die Widerspruchslösung allerdings keine Mehrheit im Bundestag.
Geplant ist allerdings ein Organspenderegister, welches die Bundesregierung ab 2024 an den Start bringen will. Dort können Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, jederzeit Erklärungen zur Organspende abgeben, ändern oder widerrufen.
Mehr Menschen von Organspende überzeugen
Um die Bereitschaft zu einer Organspende zu steigern, muss noch besser und breiter darüber aufgeklärt werden. Prof. Dr. Oliver Hakenberg, Klinikdirektor der Universitätsmedizin Rostock und Professor für Urologische Onkologie, sagt im Gespräch mit der AOK, dass Mitarbeitende im Gesundheitswesen sich noch intensiver mit dem Thema Organspende auseinandersetzen und eine Vorreiterrolle einnehmen sollten. Je mehr von ihnen einen Organspendeausweis tragen, umso größer werde dann der mögliche Nachahmungscharakter für die Menschen in unserer Gesellschaft.
Eine Idee, die ebenfalls für mehr Aufmerksamkeit für Organspenden sorgen soll, kommt vom Verein "Junge Helden". Sie haben sich ein Organspendetattoo ausgedacht, das zu Gesprächen über die Organspende anregen soll.