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Der Weg zum Rundfunk – Von der ältesten Tonaufnahme bis zur ersten Sendung

Stand
Interview
Hans-Ulrich Wagner
Moderator/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Gábor Paál im Gespräch mit Hans-Ulrich Wagner, Leibniz-Institut für Medienforschung

Bevor 1923 der reguläre Rundfunkbetrieb in Deutschland begann, musste viel passieren. 1860 entstand in Frankreich die älteste erhaltene Tonaufnahme. Die Erfindung des Telefons, die Entdeckung und Erzeugung von Radiowellen waren weitere wichtige Etappen.

Und auch der Erste Weltkrieg wirkte als Katalysator für die neue Technik – in Deutschland maßgeblich vorangetrieben vom weitgereisten Ingenieur und Ministerialdirektor Hans Bredow.

Blick in das Innere eines 20-KW-Kurzwellensenders der Firma Lorenz von 1930, im "Sender- und Funktechnikmuseum Königs Wusterhausen", südlich von Berlin. Königs Wusterhausen gilt als die Wiege des Rundfunks in Deutschland. Nach ersten Funkversuchen 1908 wurde im Dezember 1920 vom Funkerberg das erste Weihnachtskonzert der Deutschen Reichspost auf der Langwelle übertragen. Die Gebäude und Anlagen auf dem Funkerberg sind heute Technisches Denkmal.

22.12.1920 / 21.3.1952 "Ur-Sendung" des deutschen Rundfunks: Das Weihnachtskonzert von 1920

22.12.1920 / 21.3.1952 | Ein wichtiges Datum der frühen Rundfunkgeschichte ist der 22. Dezember 1920. Erstmals wird ein Rundfunkkonzert gesendet, von der Station Königs Wusterhausen südöstlich von Berlin. Initiator war der Techniker Erich Schwarzkopf, der bei diesem Konzert auch Geige spielt und das Programm ansagt.
Diese Ansage ist eine Nachaufnahme, die Erich Schwarzkopf später noch einmal eingesprochen hat. Es war auch noch kein regulärer, offizieller Rundfunkbetrieb; der begann erst im Oktober 1923. Aber es war schon eine Radiosendung.
In Königs Wusterhausen entstand noch vor dem Ersten Weltkrieg eine Militärfunkstation der Obersten Heeresleitung (OHL). Der Bau begann 1913, in Betrieb ging sie 1915.
Nach dem Krieg 1919 machen die Alliierten die Station zum Eigentum der Reichspost unter Ministerialdirektor Hans Bredow. Die Station wird vor allem dazu genutzt, Pressemeldungen zu telegrafieren, an Schiffe und ins Ausland. Gefunkt wurden also Morsezeichen, die in den rund 80 Empfangsstationen erstmal wieder in Texte umgewandelt werden mussten. Hans Bredow gab den Auftrag, das zu ändern. Aus der Funktelegrafie soll Funktelefonie werden – Sprache soll also direkt übertragen werden.
In der Station gab es einen Lichtbogensender, mit dem die Beamten in Königs Wusterhausen 1920 herumexperimentierten. Und hier setzt auch das Interview an, das Erich Schwarzkopf am 21. März 1952 gibt und in dem er erzählt, wie es zum ersten Rundfunkkonzert kam.
Im deutschen Reich war es nicht erlaubt, ohne Genehmigung Rundfunk zu empfangen. Begeisterte Resonanz kam deshalb vor allem aus dem Ausland.
Auch nach dem offiziellen Start des Rundfunks 1923 sendet Erich Schwarzkopf weiter Konzerte von Königs Wusterhausen. Doch kam es – so stellte er es später dar – zunehmend zu Unstimmigkeiten mit dem Postministerium. Die Folge: Am 24. Januar 1926 wurde das letzte derartige Konzert gesendet – mit folgender Absage:
"... Zum Schluss darf auch ich mich als Sprecher von Königs Wusterhausen verabschieden. Lange Zeit durfte ich von dieser Stelle aus zu Ihnen sprechen, sechs Jahre sind es gewesen. Zunächst nur hin und wieder an den großen Festtagen, die letzten drei Jahre an jedem Sonn- und Feiertag. Am vergangenen Sonntag hab ich Ihnen das letzte "Auf wiedersehen!" zurufen dürfen. Bewahren Sie auch fernerhin der Welle 1300 m die Treue. Ich grüße Sie zum letzten Mal mit treudeutschem Gruß: Deutschland über alles".
Der "treudeutsche Gruß" am Ende der Absage war damals eine durchaus gängige Formel. Und "Deutschland über alles" – die Zeile aus der ersten Strophe des Deutschlandliedes – war in der Weimarer Republik noch Bestandteil der Nationalhymne. | Rundfunkgeschichte

29.10.1923 "Achtung! Achtung!" – So begann die erste Rundfunksendung

Am 29. Oktober 1923 begann der Rundfunkbetrieb. Friedrich Georg Knöpfke sprach die berühmten Worte "Achtung! Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400!". Knöpfke war Direktor der Funkstunde Berlin. | http://swr.li/erste-rundfunksendung

1920er / 1978 Heinrich Brunswig: Die Radiotechnik der 1920er

1923 nahm mit der Funkstunde AG Berlin die erste Rundfunkgesellschaft in Deutschland ihren Betrieb auf. Heinrich Brunswig war Rundfunktechniker dieser frühen Phase. 1978 erzählt er von dieser Zeit. | 100 Jahre Radio | archivradio.de

6.10.1929 Älteste Radioreportage: Trauerzug für Gustav Stresemann

6.10.1929 | Alfred Braun berichtet von der Trauerfeier für den verstorbenen Außenminister Gustav Stresemann. Es ist die älteste erhaltende Hörfunkreportage. Alfred Braun war einer der ersten, die mit dem legendären Ruf „Achtung Achtung, hier ist Berlin“ über den Äther zu hören waren.

22.8.1930 Albert Einstein: Völkerversöhnung als große Chance des Rundfunks

Am 22. August 1930 spricht Albert Einstein auf der Funkausstellung in Berlin, die seit ihrem Beginn 1924 immer größer geworden ist. Eröffnet wird die 7. Funkausstellung von Reichsrundfunkkommissar Hans Bredow. Ihm ist es gelungen, Albert Einstein einzuladen und dazu zu bewegen, "aus seiner Studierstube" auf diese Veranstaltung zu kommen. Schließlich gehöre er der Allgemeinheit. Hans Bredow kündigt Einstein dem Publikum an. Einstein selbst spricht nach etwa anderthalb Minuten.

7.10.1932 Erstes Ferngespräch im Rundfunk mit Luftfahrtpionier Wolfgang von Gronau

7.10.1932 | In den Anfangsjahren galt das Radio als Wunderkasten, der Stimmen von weit her über die Luft in die Wohnzimmer zauberte. Anders als das Telefon, das ja eine Leitung voraussetzte. 1932 wurde beides kombiniert: Das erste Ferninterview im Rundfunk mit einem Gesprächspartner, der Tausende von Kilometern entfernt war. Hören Sie das erste Rundfunkferngespräch mit dem Luftfahrtpionier Wolfgang von Gronau (1893 - 1977). Eine Unterhaltung zwischen Berlin und Batavia – dem heutigen Jakarta – am 7. Oktober 1932

1930er / 1979 Radiopionier Heinz Laubenthal: Wie seit den 1930ern Radio gemacht wurde

1930er / 1979 | Wie Alfred Braun kam auch Heinz Laubenthal vom Theater zum Rundfunk. Anfang der 1930er Jahre war er zunächst Sprecher in Hörspielen, dann Ansager und Reporter im späteren Süddeutschen Rundfunk (SDR). Im Interview mit Jutta Schmidt 1979 erzählt er, wie er sich in das neue Medium einarbeitete und wie Radiomachen früher funktionierte. | 100 Jahre Radio | archivradio.de

12.6.1930 Paul Löbe wirbt für Parlamentsdebatten im Radio

12.6.1930 | Sollen Reichstagsdebatten im Rundfunk übertragen werden? Darüber gingen die Meinungen 1930 auseinander. Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) hat eine klare Haltung: Ja! | 100 Jahre Radio | archivradio.de

5.3.1931 Reichsinnenminister Joseph Wirth bestreitet "Bürgerkrieg" und problematisiert die Rundfunkfreiheit

5.3.1931 | Das Parlament tagt ohne NSDAP weiter. Reichsinnenminister Joseph Wirth weist das "Gerede vom Bürgerkrieg" zurück. Er spricht auch den Rundfunk an. Solle man ihn als politisches Instrument einsetzen? Wenn ja, würde er, Wirth, die Zensur am liebsten selbst in der Hand haben.

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Gábor Paál
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