Probenbesuch

300 Jahre Johannes-Passion: Die unbekannte zweite Fassung

Stand

Von Autor/in Marion Eiche

Der Freiburger Bachchor

300 Jahre Johannes-Passion: Die unbekannte zweite Fassung

Auf den Tag genau 300 Jahre nachdem die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach in der Leipziger Thomaskirche in ihrer zweiten und deutlich überarbeiteten Fassung zur Aufführung kam, wird sie im Freiburger Münster wieder erklingen. Erstmalig hat der Freiburger Bachchor unter der Leitung von Frank Markowitsch dafür auch einen Patenchor von Schülerinnen und Schülern integriert.

Zugänglicher als die erste Fassung

Sie gilt als das heutzutage wohl am wenigsten bekannte große vokal-instrumental Werk Bachs: Die zweite Fassung der Johannes-Passion. Hier verändert Bach den Gesamtgestus des Stücks deutlich.  

Mit dem Eingangschoral „O Mensch, bewein Dein Sünde groß“ findet Bach nun einen leichten, fast fröhlichen und für ein Passionsstück ungewöhnlichen Beginn. Das Werk ist schlichter und zugänglicher als die ein Jahr zuvor uraufgeführte erste Fassung.

Wir beginnen im Vergleich zu der für uns bekannten Fassung, die in g-Moll beginnt und in Es-Dur endet, jetzt in Es-Dur, also eigentlich positiv, und die letzte Choralphantasie beginnt in g-Moll, und endet dann aber auch wieder in C-Dur. Also er bleibt vom Positiven zum Positiven.

Bach - St John Passion (1725 version) BWV 245 - Jacobs | Netherlands Bach Society

Neues Gesangsmaterial

Es fehlen viele Dissonanzen, die klagenden Zwischenrufe des Chores. Die Auftakte tänzerisch, die Achtel nicht so brav. Auch für Konzertmeisterin Lisa Immer gilt es, sich in der ungewohnten Stimmung einzufinden.

Die erste Fassung hat einen ernsteren Eingangschor, auch schwerer, dramatischer. Und die zweite Fassung hat eben direkt mehr Leichtigkeit, mehr Sinnlichkeit.

Fünf Sätze hat Bach für diese zweite Fassung gestrichen und anders ersetzt. Das Werk sollte wohl für die Aufführung am Karfreitag 1725 neuer wirken als bei der Uraufführung ein Jahr zuvor.  

Nun bringt der Komponist außerdem mit virtuosen, hochdramatischen Arien eine besondere Theatralik in seine Passionsmusik. So fügt Bach etwa die Arie „Zerschmettert mich“ in das Werk ein.

Bachchor und Bachorchester Freiburg bei der Probe
Probenbesuch beim Bachchor und Bachorchester Freiburg für die Johannes-Passion von J. S. Bach. Das Besondere: Sie führen die Version von 1725 auf, eine kaum aufgeführte Variante der Passion.

Insgesamt 4 Fassungen

Die vier Fassungen der Johannespassion zeugen von Bachs Experimentierfreude. Und auch der Freiburger Bachchor geht hier neue Wege: er integriert Schülerinnen und Schüler des Kollegs St. Sebastian in Stegen bei Freiburg in das Ensemble.

Mal dirigiert Frank Markowitsch mit großer Geste Tutti-Stellen, mal tritt er zurück und überlässt das Ensemble sich selbst. Entscheidend sind die Übergänge, das Timing und die Spannung.

Kein leichtes Stück

Die Choral-Rahmung als eine gravierende Änderung der ersten Fassung, und insgesamt die hohe Gewichtung der Choräle im Wechsel mit fast opernhaften Arien verlangt den Sängerinnen und Sängern viel Konzentration ab.

Für mich persönlich sind fast die Choräle am schwierigsten, weil man da einen langen Atem braucht. Man singt oft sehr leise, grad im Tenor. Man macht oft die Harmonie aus, Dur, Moll und muss dann die Terzen in den Klang einbringen im Pianissimo mit genug Luft. Das ist sängerisch am schwierigsten.

Bitte um Frieden

Im Münster werden der Freiburger Bachchor und das Bachorchester nach drei Jahrhunderten mit der zweiten Fassung der Bach’schen Johannespassion Leid und Leidenschaft und die tröstende Bitte um Frieden verkünden.

Zu sehen [...] wie es eben für ein Genius wie Bach ein permanentes Suchen war, nach dem besten Ausdruck und nach dem intelligentesten Konzept, das ist einfach toll.

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Marion Eiche