Constanze Geigers Werke wurden von der Strauss-Familie aufgeführt, manche Stücke erklangen sogar bis ins 20. Jahrhundert hinein. Dennoch geriet Constanze Geiger in Vergessenheit. Raimund Lissy, Mitglied der Wiener Philharmoniker, hat über die beeindruckende Pianistin, Komponistin und Schauspielerin jetzt eine erste Biografie geschrieben.
Als Raimund Lissy, Mitglied der Wiener Philharmoniker, im Januar 2024 auf ein Konzertprogramm ausschließlich mit Wiener Komponistinnen stieß, da blieb er vor allem bei der Musik einer Komponistin hängen: Constanze Geiger.
„Besonders haben mich bei Constanze Geiger die zahlreichen Berührungspunkte mit der Strauss-Familie fasziniert“, erinnert sich Lissy, „und die Tatsache, dass zu einer Zeit, als Constanze noch ein Kind war, ihre Walzer sowohl von Johann Strauss Vater als auch von Johann Strauss Sohn aufgeführt wurden. Und dies mit großem Erfolg, auch für die Komponistin.“
Porträt einer bislang unbekannten Komponistin
„Es liegt ein eigener Zauber in diesem Wunderkinde!“, schreibt die zeitgenössische Presse über Constanze Geiger. Philharmoniker und Autor Raimund Lissy setzt dieses Zitat in den Titel seiner jetzt erschienenen Geiger-Biografie.
Er zeichnet das beeindruckende Porträt einer bislang kaum bekannten Komponistin, Pianistin und Schauspielerin aus dem Wien des 19. Jahrhunderts, die dann einen Prinzen von Sachsen-Coburg und Gotha heiratet, Benefizflügel stiftet, einen eigenen Radetzkymarsch schreibt und schließlich, im Jahr 1890, als großzügige Charity-Lady in Paris verstirbt.
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Grundstein für weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit Geiger
Constanze Geiger wird 1835 in Wien geboren. Ihr Vater ist als Musikerlehrer am kaiserlichen Hof beschäftigt. Eine Oper von ihm wird am Kärntertortheater gespielt, zudem ist er Ehrenmitglied der renommierten Accademia di Santa Cecilia in Rom. Dann wird das musikalische Talent der Kleinen entdeckt. Bereits mit 9 Jahren legt Constanze erste Kompositionen vor.
„Gleich zwei Walzer (…) erklangen bei Dommayer und bei einem Ball im Sophienbadsaal, jeweils unter der Leitung von Johann Strauss Sohn, aber auch im Leopoldstädter-Theater als Musik zwischen den zwei Akten einer Theateraufführung“, schreibt Lissy. „Die Walzer wurden in den Zeitungen als ‚anmuthig und frisch‘ und als ‚liebliche, artige‘ Kompositionen beschrieben. Bei dem Ball im Sophienbadsaal musste der Walzer mehrere Male wiederholt werden.“
Eine Romanbiografie ist Reinhold Lissys Arbeit über Constanze Geiger nicht, das kann man getrost sagen. Der Philharmoniker hat vielmehr Leben und Werk des Wiener Multitalents wissenschaftlich genau aufgearbeitet und damit einen wichtigen Grundstein gelegt, der weitere Forschungen erst möglich macht.
Mini-Kapitel fördern den Lesefluss
Der Lesefluss entfaltet sich vor allem in den sogenannten „Apropos“-Abschnitten des Buches. Das sind eingestreute Mini-Kapitel, die Themen beleuchten, die im Zusammenhang mit Constanze Geigers Biografie und ihrer Musik stehen: etwa jener Familienausflug 1847, als die Geigers in Paris den verwirrten Gaetano Donizetti besuchen.
Constanzes Vater schreibt dazu: „An der Seite des Geisteskranken weilten sein Bruder aus Bergamo und sein Neffe. Als Donizetti aus dem Schlummer erwachte, ersuchte mich sein Neffe eine Piece auf dem Pianoforte vorzutragen. Ich spielte mit beklommenem Herzen (…) aus der Oper: ,Linda‘. Ich, meine Frau und Constanze, brachen in ein lautes Weinen aus. Donizetti blickte theilnahmslos auf uns, ohne ein Wort zu sprechen, denn, er hatte weder seine Verehrer noch seine Composition in der Erinnerung behalten.“
Chronologisch zeichnet Raimund Lissy in seinem aktuellen Buch den Lebensweg der jungen Constanze Geiger nach, die als Klavier- und Kompositions-Wunderkind und später auch als Schauspielerin von sich reden macht.
Rückzug von der Bühne mit 24 Jahren
Bereits 1859 findet der letzte belegte Auftritt von Constanze Geiger statt. Lissys Buch ist dementsprechend zweigeteilt. Ab dann nennt sich die Wienerin nämlich „Baronin Constanze von Ruttenstein“.
Lissy schreibt: „Mit der Hochzeit zog sie sich von der Bühne gänzlich zurück. Ihre Kompositionen für Kammer- und Kirchenmusik wurden aber weiterhin aufgeführt. (…) 1865 widmete Carl Michael Ziehrer Constanze von Ruttenstein und ihrem Ehemann seinen Walzer ,Harmonische Wellen‘.“
Auch Anton Bruckner führt in der Wiener Augustinerkirche Musik von Constanze Geiger auf, wie das umfangreiche Werkverzeichnis inklusive Aufführungsdokumentation in Lissys Buch verrät.
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Ein Wunder-Walzer-Wutzerl im positivsten Sinne
Abschließend findet sich dort auch noch ein wertvoller Essay von Lissys Lektorin Marion Linhardt, Privatdozentin für Theaterwissenschaft an der Universität Bayreuth. Sie nimmt Constanzes Schauspiel-Karriere in den Blick. Dabei erstaunen nicht nur die teils überzogenen Lobeshymnen, sondern auch die bis zur Bösartigkeit reichenden Kritiken der damaligen Presse:
Zweifellos: Constanze Geiger war ein Wunder-Walzer-Wutzerl im positivsten Sinne. Raimund Lissys Biografie huldigt daher nicht nur einer vergessenen Großen von damals, sondern beweist einmal mehr, dass auch komponierende Frauen beim Dreivierteltakt die „Führung“ übernehmen können und dass Constanze und Co an Renommé und Geschäftstüchtigkeit den Männern ihrer Zeit sicher nicht unterlegen sind. Ebenso wenig die Qualität ihrer Kompositionen.
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