Trump findet sich bei Richard Wagner wieder – bei wem auch sonst
Niemand in der aktuellen Weltpolitik eignet sich so für krumme Vergleiche aus der Literatur wie der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Was Shakespeares Schurken nur im halben Flüsterton dem Publikum gestanden, trompetet Donald J. Trump ohne Filter in die Öffentlichkeit: in erratischen Reden und Interviews oder über seine Social-Media-Plattform Truth Social.
Doch denke ich an Trump, denke ich nicht nur an die nagende Trompete seiner Stimme. Es sind die Hörner des „Rheingold“-Vorspiels, die sich aus dem düsteren Gewaber der Kontrabässe ans Licht kämpfen. Donald Trump findet sich bei Richard Wagner wieder – bei wem auch sonst! Am anschaulichsten in der Figur des Nibelungen Alberich.
Sir Georg Solti dirigiert die Wiener Philharmoniker: Vorspiel zu „Das Rheingold“
Grab them by the Fischschwanz
Alberich ist der König der Nibelungen, ein Zwerg und ein Geschöpf der Finsternis. Optisch mag das nicht passen zum 1,90 Meter großen US-Präsidenten mit dem strohig-blond schimmernden Haar. Abgesehen davon vielleicht, dass Alberich mehrfach als krötenhafte Gestalt beschrieben wird.
Im Ring begegnen wir ihm gleich zu Beginn, wie er die schönen Rheintöchter begafft, die – wallala, weiala weia – im Wasser spielen.
Eine schöner als die andere! Alberich weiß nicht, wie ihm geschieht und er versucht, sich auf sie zu stürzen. „Grab them by the pussy, you can do anything“, scheint die Devise zu sein, mit der sich Alberich der holden Weiblichkeit nähert.
Dass es beim Spiel mit den Rheintöchtern dann auch spritzt und tropft … ein Schelm, der da an die angeblichen Pinkelspiele im Moskauer Ritz-Carlton denkt.
Reingefallen bei den Frauen? Dann halt Geld und Macht
Bei den Rheintöchtern hat Alberich keinen Erfolg. Der Reingefallene wird sogar noch verlacht und verhöhnt. Wer keinen Erfolg bei Frauen hat, der braucht eben Geld, für Porno-Sternchen und Schweigegeldzahlungen. Deshalb schnappt sich Alberich das Rheingold. Er schmiedet sich aus dem Schatz einen Ring mit großer Bedeutung:
Alberich will sich mit dem Ring die Welt unterwerfen. Einzige Bedingung: Er muss „der Minne Macht“ entsagen, also lieblos durch die Welt gehen.
Dass Donald Trump schwere körperliche Arbeit verrichten könnte, ist zugegebenermaßen weit hergeholt. Aber seine Liebe zu Gold und glitzernden Dingen ist bestens dokumentiert. Würde Trump für Macht und Reichtümer auf die Liebe verzichten? Ein Blick in das Gesicht der ehemaligen First Lady sagt da mehr als tausend Worte. So sad!
Der Sturm auf die Götterburg bleibt bei Wagner aus
Den Ring behält Alberich nicht lange. Zu groß ist die Versuchung, seine Exzellenz zu beweisen: „Vor Klugheit bläht sich zum Platzen der Blöde! Nun plage dich Neid!“, ruft er den Göttern zu. Was er wohl sagen möchte: I'm a very stable genius, you're nothing.
Schnell – oder was Wagner dafür hält – wird Alberich übertölpelt. Er verliert den Ring und sinnt auf Rache. Verflucht sollen alle sein, die den Ring der Macht in Händen halten, schwört der wieder einmal reingefallene Alberich:
Alberich versucht, sein Nibelungenvolk zum Aufstand zu bewegen, ist dabei aber, wahrscheinlich auch aus bühnentechnischen Erwägungen, weniger erfolgreich als der abgewählte Trump mit seinem Sturm aufs Kapitol. Das Gold aus dem Schatz fließt schließlich, auch hier treffend für den ehemaligen US-Präsidenten, in zwielichtige Immobiliengeschäfte: den Neubau der Götterburg Walhall.
Alberichs Wiederkehr: ein beneidenswert kurzes Intermezzo
Es bleibt lange Zeit ruhig um Alberich. Was der Nibelung wohl in dieser Zeit tut? Wenn wir uns an Trump halten, dann wahrscheinlich Golf spielen, über die Ungerechtigkeit der Welt sinnieren und das Fast-Food-Buffet plündern.
Anderthalb Opern und fünf Stunden Musik lang verschont uns Wagner. Doch dann, im zweiten Akt der dritten Oper „Siegfried“ kommt es zu einem Wiedersehen: mit neuem Tatendrang und einem neuen Anlauf zur Präsidentschaft.
Zumindest im Ring ist es ein beneidenswert kurzes Intermezzo: Alberich sitzt vor der Drachenhöhle und wartet darauf, den Ring an sich zu reißen. Zum Zuge kommt er allerdings nicht mehr. No one has been treated more unfairly than him.
Das Finale: Sorgen Trumps Nachfolger für die „Götterdämmerung“
Nur noch ein letztes Mal erscheint der Zwergenfürst im Ring. In der „Götterdämmerung“ spukt er als Schreckgespinst durch die Träume seines Sohnes Hagen:
Die nagende Stimme der Vergangenheit verlangt Treue und Gehorsam, wie Trump in seinen müden Telefon-Zuschaltungen beim Haus- und Hof-Sender Fox News.
In der Oper tötet Hagen Siegfried, die Götter gehen in Flammen auf und der Rhein tritt über die Ufer. Während sich der Vorhang senkt, fragt man sich unweigerlich, was uns die Zukunft bringt.
Enden hier die Gemeinsamkeiten? Erwartet uns vielleicht eine Präsidentschaftskandidatur von Ivanka oder Donald Trump Jr.? Oder wird Ron DeSantis als Erbe des Trumpismus die Welt in Flammen setzen? Sorgt konservative Klimapolitik schließlich dafür, dass unsere Welt in den Fluten versinkt?
In manchen Fällen kann man auf Teil 4 der Tetralogie getrost verzichten.