„Was ich immer anstrebe mit Orchestern ist, dass jeder auf den anderen hören soll, ob das nun der zweite Geiger am letzten Pult ist, der den dritten Kontrabass hören soll, oder in der Kammermusik mit nur wenigen Beteiligten.“ Sagt Christoph Eschenbach. Er zählt zur Spezies der Doppelbegabungen: Solisten, die auch dirigieren, Dirigenten, die auch als Solist tätig sind. Nun feiert Christoph Eschenbach seinen 85. Geburtstag. Passend zu diesem Festtag ist ein neues Buch erschienen, dass seine bewegte Lebensgeschichte und seinen künstlerischen Werdegang beleuchtet.
Ein tragischer Anfang
Ein schöner Zufall: Das Einhard-Gymnasium in Aachen, an dem Christoph Eschenbach sein Abitur gemacht hat, liegt in der Robert-Schumann-Straße. Und die musikalischen Qualitäten des damaligen Schülers waren früh bekannt:
„So konnte man am 12. Dezember 1955 in den Aachener Nachrichten in einer Konzertkritik lesen, dass ‚der Untersekundaner Christoph Eschenbach das Klavierkonzert in A-dur von K. v. Dittersdorf zum glanzvollen Mittelstück des instrumentalen Teils werden ließ‘“.

Der Schüler Christoph ist beliebt: geschätzt für seinen Humor, interessiert vor allem an Literatur und Philosophie. Die Grundzüge seiner Kindheit erzählt Autorin Margarete Zander schon auf den ersten Seiten, kurz und knapp:
„Er ist am 20. Februar 1940 in Breslau geboren und verlor früh seine Familie: Seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt, sein Vater fiel 1943 im Krieg. Seine Großmutter, bei der er aufwuchs, starb während der Flucht Anfang 1946, da war er fünf Jahre alt.“
Einer der ersten Förderer von Lang Lang
Eschenbachs Leben ist ebenso reich wie bunt: Klavierstudium in Köln, Dirigier-Studium in Hamburg. Preise als Pianist, mit 32 Debüt als Dirigent. Posten in Zürich, Houston, beim NDR, Philadelphia, Paris, Washington. Dazu Festivalleiter in Schleswig-Holstein und beim Sommerfestival des Chicago Symphony Orchestra. Und immer wieder besitzt er ein waches Auge und Ohr, um junge Talente zu fördern, von Tzimon Barto bis Lang Lang.
„Als Christoph Eschenbach Lang Lang das erste Mal traf, da war der Pianist noch mit seinem Vater unterwegs. Der setzte mit überstarkem Ehrgeiz alles daran, dass sein Sohn möglichst vielen und einflussreichen Musikern vorspielte. Die Repertoireliste hätte kaum länger sein können. Christoph Eschenbach nahm das erst einmal gelassen zur Kenntnis.“
Gelassenheit – das ist vielleicht eines der Markenzeichen des Christoph Eschenbach, zumindest mit zunehmenden Jahren. Natürlich kommt in diesem neuen Buch auch Lang Lang selbst zu Wort. Er nennt Eschenbach einen „echten Musiker“ (was auch immer das heißen mag), er sei auch sehr speziell, was Farben angeht und den Atem, die Zeit in der Musik.
Beliebt bei den Orchestermitgliedern
Margarete Zander, bekannt als Autorin und Hörfunkjournalistin, erklärt im Vorwort eine gewisse Verblüffung: Sie war in Houston und wollte Orchestermitglieder zu Christoph Eschenbach befragen; normalerweise ist die Resonanz bei solchen Anfragen minimal oder gleich null.
Diesmal aber standen die Mitglieder fast Schlange. Sie alle wollten etwas über ihren Chef erzählen. Viele Begegnungen mit Eschenbach selbst und mit zahlreichen Weggefährten bildeten schließlich die wichtigsten Quellen für den nun vorliegenden Band.
85. Geburtstag Christoph Eschenbach Christoph Eschenbach in der ARD Mediathek
85 Jahre Leidenschaft in der Musik. Mendelssohn, Beethoven, Weber und vieles mehr können Sie in der ARD Mediathek zum Geburtstag von Christoph Eschenbach erleben.
Die Biografie: „Ein buntes Tableau“
Margarete Zander erzählt sehr anschaulich und kurzweilig. Sie führt ihre Leserinnen und Leser geschickt durch ein vielfarbiges Künstlerleben. Mal nimmt sie selbst moderierend die Fäden in die Hand, mal lässt sie Eschenbach selbst berichten. Sie druckt Dokumente von und über Eschenbach – ein Gedicht aus Schulzeiten, Reden bei Preisverleihungen, ein Märchen, das Tzimon Barto über Eschenbach verfasst hat –, sie hat sich durch Archive gegraben und etliche Rezensionen ausgewertet, sie hat Aussagen von Künstlerinnen und Künstlern gesammelt – ein buntes Tableau, ein geschickt zusammengetragenes Mosaik.
Wie so oft bei solchen Musiker-Biografien entgeht auch dieses Buch nicht der Gefahr einer zu intensiven Belobigung oder Bewunderung, etwa durch die Interviewpartner. Dennoch: Das Buch ist gründlich gearbeitet und genau, außerdem ist es plastisch in seiner Darstellung – und im besten Sinne unterhaltsam, denn es legt immer wieder auch den Blick frei: auf den Menschen Christoph Eschenbach.
264 Seiten umfasst der neue Band von Margarete Zander: „Christoph Eschenbach. Lebensatem Musik“, erschienen zu einem Preis von 24 Euro im Berliner Jaron-Verlag.
SWR Web Concerts Eschenbach dirigiert Mahlers Zweite
Christoph Eschenbach dirigiert das SWR Symphonieorchester. Mit Christiane Karg, Gerhild Romberger, dem SWR Vokalensemble und dem Chor des Bayerischen Rundfunks. Livemitschnitt vom 14. Juli 2017 in der Stuttgarter Liederhalle.
SWR Web Concerts Eschenbach dirigiert Salonen und Schumann
Mit Nicolas Altstaedt (Violoncello). Livemitschnitt aus der Stuttgarter Liederhalle vom 15. November 2019.
Christoph Eschenbach zu ...
Christoph Eschenbach zu ... ... Tzimon Barto
Man könnte meinen, der Maestro spräche über einen Maler: Wann immer es um Tzimon Barto geht, fallen Begriffe wie "Farbenreichtum" und "Imaginationskraft". Und so gerät auch Christoph Eschenbach über das Klavierspiel seines Künstlerfreundes ins Schwärmen.