Im Sport ist der weibliche Zyklus als Faktor für die Leistungsfähigkeit anerkannt. Auch Singen ist Leistungssport und in der Opernwelt wird der weibliche Zyklus immer offener thematisiert. Dabei gab es schon im 19. Jahrhundert Schontage für Sängerinnen an Theatern. Erst mit der Leistungsgesellschaft wurde aus dem Zyklus ein Tabu, so der Sänger und HNO-Arzt Bernhard Richter.
Auswirkungen des weiblichen Zyklus auf die Singstimme
„Nicht alle Frauen sind hormonell gleich“ sagt Prof. Richter von der Uni Freiburg vorweg. In Studien lassen sich dennoch zwei Phasen ausfindig machen, die sich auf die Stimme auswirken. Zum einen bezeichnen männliche Hörer die Stimme um die Zeit des Eisprungs – in der sogenannten Ovulationsphase – als attraktiver.
Auf der anderen Seite stellt die Zeit vor dem Beginn der Monatsblutung Herausforderungen für Sängerinnen. Durch die hormonelle Konstellation speichert das Gewebe vermehrt Wasser. Auch viele Frauen, die nicht singen, erkennen diese Zeit daran, dass die Kleidung etwas mehr spannt. In diesen Tagen vor der Menstruation ist die Stimmbildung deutlich erschwert. Das sei auch bei einer Kehlkopfuntersuchung sichtbar, so Richter.
Durch die Wassereinlagerungen können die Stimmlippen nicht mehr so gut schwingen. Für hohe Stimmen ist das besonders erschwerend und kann auch zu Heiserkeit führen. „Das ist wie eine kleine Erkältung sozusagen, aber eben ohne Infekt“, sagt Bernhard Richter.
Bestimmte Schmerzmittel können der Stimme schaden
Eine weitere Gefahr besteht, wenn Sängerinnen während der Menstruation Schmerzmittel nehmen, die das Blut verdünnen. Denn während der Menstruation ist die weibliche Blutgerinnung ohnehin verändert, damit das Menstruationsblut fließen kann.
Dadurch könnten sich bei Überlastung Blutergüsse auf den Stimmlippen bilden. Das sieht Bernhard Richter in seiner spezialisierten stimmärztlichen Praxis immer wieder.
„Grace-“ oder „Respect Days“ – Schontage für Frauen an Theatern im 19. Jahrhundert
Noch bevor das Wissen über die hormonellen Schwankungen im weiblichen Zyklus gegeben war, waren allerdings die Strukturen an Theatern mehr auf die körperlichen Herausforderungen von Frauen abgestimmt. So gab es im 19. Jahrhundert die Tradition an Theatern, dass Sängerinnen während ihrer Menstruation nicht singen sollten oder mussten.
Nicht etwa Aufklärung und Verständnis waren die Gründe für diese Schontage. Eher steckte ein veraltetes Verständnis vom weiblichen Körper dahinter, nach dem die Frau während ihrer Menstruation unrein sei. Es sei aber auch bekannt gewesen, dass die Sängerinnen schlechter singen konnten, sagt Richter.
In unserer Hochleistungsgesellschaft sei kein Raum mehr für solche Pausen, heißt es im Gespräch mit Bernhard Richter. In einer Zeit der Dauerleistung sollten auch Sängerinnen immer singen können. Erst in den vergangenen Jahren habe ein Umdenken begonnen.
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Schwierigkeiten, Strukturen auf den weiblichen Körper auszurichten
Es ist allerdings schwierig, heute wieder darauf wieder Rücksicht zu nehmen, wie man aus dem Sport beobachten kann. Zwar stimmen Athletinnen vermehrt ihre Trainingsplaine auf ihre Zyklusphasen ab. Bei Wettkämpfen ist der Zyklus aber kein Faktor mehr.
„Wenn eine Weltmeisterschaft stattfindet, richtet sie sich nicht nach dem Zyklus der einzelnen Athletin. Und so ist es natürlich auch bei Opern“. Gerade Produktionen im Klassikbetrieb seien Jahre im Voraus geplant, sagt Bernhard Richter im Gespräch. Noch gibt es aus diesen Gründen keine Strukturen im Klassikbetrieb, die den weiblichen Zyklus als Faktor einbeziehen.
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