Ausschlaggebend für ihr neues Buch „Zusammensein. Plädoyer für eine Gesellschaft der Gegenseitigkeit" sei ihre Mutterschaft eines Kindes mit Behinderung gewesen, sagt die Autorin Hadija Haruna-Oelker im Gespräch mit SWR Kultur.
Den Begriff der Inklusion anders denken
„Selbst Mutter zu werden, ist ja schon ein großes Ereignis, und dann noch zu wissen, dass es all diese Barrieren gibt, sowohl räumlich als auch in den Köpfen von Menschen“, sei schwierig gewesen in dem Wunsch, das eigene Kind zu bestärken, so Haruna-Oelker. Es gebe wenige Angebote in der Gesellschaft, die nicht trennend sind, die Menschen nicht nach ihrer Funktion oder Nützlichkeit einordnen. „Hier einen eigenen Weg zu finden, der auch machtkritisch ist, das war die Herausforderung“, sagt Haruna-Oelker.
Der Begriff Inklusion sei sehr an Menschen mit Behinderungen gekoppelt und daher einseitig. Dabei sei Inklusion ein Denken über Gesellschaft, das wirklich alle Menschen miteinschließt und Strukturen schafft – in Schulen, an Arbeitsplätzen und auch im privaten Kreis – die Achtsamkeit und Gegenseitigkeit miteinschließen, so die Autorin.
Mangelnde Aufarbeitung
Dass es das bisher kaum gebe, habe auch mit mangelnder geschichtlicher Aufarbeitung zu tun. Vorstellungen von körperlicher Perfektion, von „richtigen und „falschen“ Menschen seien ein aktuell noch wirkendes Erbe des Nationalsozialismus.
Dass diese Trennungskriterien immer noch wirkten, seien ein gesellschaftliches Problem, weil Behinderungen eigentlich eine Selbstverständlichkeit seien, so Haruna-Oelker. „Denn jeder Mensch erfährt im Laufe seines Lebens eine Einschränkung oder eine Krankheit", sagt sie: „Deshalb ist Lernen über Behinderung auch ein Lernen über Gesellschaft. Trotzdem setzt sich die gesamte Gesellschaft mit diesem Thema nicht auseinander."
Gegen Ableismus
Hoffnung bestehe darin, sich der auch historisch gewachsenen Geschichte des Widerstandes gegen diese Ausgrenzungen anzuschließen. Inklusion sei ein demokratischer Prozess, jeder könne in seinen Lebensbereichen etwas dafür tun.
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