„Parade“ – der zwölfte Roman der britischen Schriftstellerin Rachel Cusk und wieder eine Variante ihres wichtigsten Themas: Frauen, die ihr Künstlertum ausleben wollen und von allen Seiten daran gehindert werden, durch Männer, Kinder, Geld – und sich selbst. Ein Beitrag zur Emanzipationsdebatte aus weiblicher Sicht, beschrieben von einer brillanten Beobachterin.
Schon der Anfang ist typisch Rachel Cusk: präzise, kühl und treffend genau.
Wo findet die künstlerische Frau ihren Platz?
Die Kunstwelt reagiert begeistert: Die Wirklichkeit auf den Kopf gestellt - was für ein genialer Einfall! Eine Betrachterin aber steht wie erstarrt:
Damit ist auch schon das Thema auf dem Tisch, das fast das ganze Werk von Rachel Cusk beherrscht: Wo findet die Frau, vor allem die künstlerische Frau ihren Platz? Wie kann sie ihre Talente erkennen und umsetzen? Und wie schützt sie sich vor den Anforderungen des Alltags, der Familie, der Liebe, die sie von ihrem Weg abbringen? Das fragt sich auch Gs Frau, findet dann aber einen Ausweg, mit dem sie einigermaßen leben kann:
Themenwechsel: es geht um Mutterschaft
Doch kaum hat man sich als Leser auf dieses Malerpaar und seine Probleme eingelassen – da bricht die Geschichte auch schon ab. Übergangslos übernimmt eine andere Frau den Erzählfaden, die einfach nur als „Ich“ auftritt, vielleicht sogar die Autorin selbst ist. Sie berichtet von einer Künstlerin, die auch G heißt und ziemlich jung im Kindsbett gestorben ist. Plötzlich geht es also um Mutterschaft und ob sie die schöpferische Arbeit von Frauen behindert oder sogar zerstört. Auch die Erzählerin fühlt sich davon bedroht.
stellt sie genervt fest.
Später wird dieser Gedanke aus der Sicht einer Tochter aufgegriffen.
Rachel Cusk ist nicht ohne Grund eine hochgelobte Schriftstellerin - wenn auch in Deutschland weniger bekannt als im englischsprachigen Raum. Schon zu Beginn ihrer literarischen Karriere 1993 wurde sie als eine der besten jungen britischen Autorinnen gefeiert und dann auch mit Preisen überhäuft. In nahezu allen ihren Büchern umkreist sie Themen wie Mutterschaft und weibliches Künstlertum. Fast zornig verteidigt sie das Recht der Frau, eine eigene Sicht auf die Welt zu haben und die auch kreativ umzusetzen.
2022 sagte sie in einem Interview:
„Muss eine weibliche Stimme denn ungelebt und unentdeckt bleiben? Besteht ihr Wert darin, überhaupt nicht oder nur stumm zu existieren? Nicht frei zu sein, keine Dinge zu besitzen und nicht das Wissen, das daraus entsteht? Oder ist sie in Wirklichkeit eine eigenständige Existenz und ein als eigenständig erkennbares geistiges Wesen?“
Ein Plädoyer für weibliche Eigenständigkeit
Auch Rachel Cusks neues Werk „Parade“ ist ein Plädoyer für die Eigenständigkeit der Frau und für den Respekt vor ihrer künstlerischen Kraft. Denn trotz aller Gleichberechtigung gibt es immer noch die vertrauten Rollenverteilungen, die Machtkämpfe zwischen den Geschlechtern. Manchmal brutal direkt, manchmal nur wie ein feines Gespinst, eine Art Spinnennetz - Gelegenheit für schön fiese Bemerkungen:
Leider hat Rachel Cusk ihrem Roman eine ziemlich komplizierte Form verpasst. Er zerfällt in oft unverbundene Einzelteile. Männliche und weibliche Künstler tauchen auf und verschwinden wieder und alle heißen sie G. Oft rätselt man, an welchem Ort und in welcher Zeit man sich denn jetzt befindet. Doch immer wenn man kurz davor ist, das Buch beiseite zu legen, genervt von dem ewigen Hin und Her und dem vielen Theoretisieren, fegen wunderbar dichte und klare Passagen allen Frust weg.
Solche sprechenden Bilder sind eine der großen Stärken von Rachel Cusk. Sie ist eine erbarmungslos genaue Beobachterin von Menschen, von kleinen, erhellenden Szenen, in denen sie viel mehr erkennt, als an der Oberfläche erscheint.
Besonders genau aber beobachtet sie sich selbst, klug und fast übersensibel. Es lohnt sich also, sie näher kennenzulernen, mit ihren Gedanken und ihrer Dünnhäutigkeit – doch „Parade“ ist dafür leider kein guter Einstieg: zu theoretisch, zu kopflastig, zu kompliziert. Deshalb lieber „Arlington Park“ oder „Der andere Ort“. Oder die vielgelobte „Outline“-Trilogie. Alle aber mit punktgenauen Erkenntnissen wie diese:
Mehr Literatur von Autorin Rachel Cusk
Buchkritik Rachel Cusk - Danach - Über Ehe und Trennung
Rachel Cusk berichtet über die belastenden Folgen ihrer Trennung und versucht, deren Ursachen und ihren eigenen Fehlern auf die Spur zu kommen.
Rezension von Claudia Fuchs.
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Suhrkamp Verlag
ISBN 978-3-518-42914-3
22 Euro
Buchkritik Rachel Cusk – Der andere Ort
Eine abgelegene Gegend, eine Schriftstellerin und ein Maler, komplizierte Beziehungsgeflechte, die Kollision von Kunst und Leben, hohe Erwartungen und tiefe Enttäuschungen – all das liefert Rachel Cusks neuer Roman „Der andere Ort“.
Rezension von Ulrich Rüdenauer.
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Suhrkamp Verlag, 204 Seiten, 23 Euro
lesenswert Magazin (Nicht ganz leichte) Sommerlektüren: Mit Büchern von James Baldwin, Rachel Cusk, Charly Hübner, Anne Weber und Manu Larcenet
Mit einem Gespräch mit der Übersetzerin Miriam Mandelkow, der Hommage an Uwe Johnson von Schauspieler Charly Hübner, einem dystopischen Comic und anderen Neuerscheinungen