Welche Trends gibt es im Sachbuch? Und wie werden Sachbücher heutzutage erzählt? Gibt es Sachbücher, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen ansprechen? Diesen Fragen ist Lukas Meyer-Blankenburg auf der Leipziger Buchmesse 2023 nachgegangen.
Nach drei Jahren Pause war der Andrang auf die Messehallen groß. Klima, Krieg, Corona – es gibt großen Wissensbedarf. Vor allem die Sachliteratur ist gefragt. Auf thematische Trends wollte sich Verleger Jonathan Beck aber nicht festlegen. Er beobachtet höchstens einen Trend beim Stil, eine neue Art des Erzählens…
„…dass auch im Sachbuch die Autorinnen und Autoren ihre eigene Erzählperspektive, ihre Forscherinnen- und Forscherperspektive wirklich einbringen und mit ansprechen.“ (Jonathan Beck)
Also: weniger objektive Wahrheit, mehr Ich. Der C.H.Beck Verlag ist einer der größten im Sachbuch-Bereich, gleich mehrere Titel waren für den Leipziger Sachbuchpreis nominiert. Die Auswahl bestätigt Jonathan Beck – so sei etwa das Buch „Ein Hof und elf Geschwister“ von Ewald Frie einerseits ein klassisches Sachbuch über die Veränderungen des bäuerlichen Lebens hin zur industriellen Landwirtschaft. Aber eben auch ein ganz persönlicher Familienbericht, aus Ich-Perspektive erzählt.
„Wir wollen schon auch die fachliche Expertise mit im Buch haben, und wir haben die immer, aber wenn dann noch die persönliche Sicht dazu kommt, empfinde ich das in vielen Fällen als Bereicherung und nicht als irgendwie qualitätsgefährdende Verschlechterung oder Banalisierung oder so.“ (Jonathan Beck)
Auch Literaturkritiker Thomas Hummitzsch sieht in der subjektiven Erzählung die Möglichkeit, längst bekanntes Sach-Wissen besser zu vermitteln – nicht mehr nur abstrakt verstehen, sondern emotional begreifen. Er vermisste auf der Buchmesse den großen Roman zu drängenden Fragen der Zeit.
„Es gibt nach wie vor nicht den Roman zur letzten Generation und die ist ja schon eine Weile aktiv, oder zu denjenigen, die containern, oder die mikrogärtnern in Großstädten machen, also das ist ja alles ein Trend, der ist seit Jahren da, das hat auch alles was mit Klimawandel zu tun, mit den Zuständen, in denen wir leben, aber es wird noch nicht aufgegriffen.“ (Thomas Hummitzsch)
Thomas Hummitzsch hat einen besonderen Blick auf climate fiction, also Romane zu Klimathemen. In Leipzig ließ sich ganz gut vergessen, dass der nächste Dürre-Sommer droht, dass der Buch-Branche im wahrsten Sinne das Papier ausgeht. Thomas Hummitzsch ist sich sicher, dass das Klima bald sehr viel stärker in die Literatur drängt.
„Und dann liest man nicht, dass es in Indien schon sehr warm ist oder in Pakistan und dort eine Dürre nach der anderen folgt, sondern man ist plötzlich mitten in der Dürre drin und bekommt ein Gefühl dafür, was das heißt, was das auch auf der Mikroebene von Familie, Freundschaft, von so einem Alltag heißt. Das passiert in Sachbüchern ja nicht oft. Climate Change wird in Fiktionen unbedingt eindringen, egal was für Romane.“(Thomas Hummitzsch)
Die Generation Greta jedenfalls, also junge Menschen, waren auf der Buchmesse gut vertreten – darunter viele Fantasy-Fans in bunten Kostümen.
„Manga-Bücher finden wir sehr cool.“
Und, ja, auch auf der Buchmesse gab es eine Ecke zum Computerspielen.
„Also wir sind eigentlich wegen den Büchern hier, aber mal ne kleine Abwechslung muss schon sein.“
Trotz Internet, social media und KI – Kinder steckten nach wie vor gerne ihre Nasen in Bücher, sagt Andrea Deyerling-Baier, Pressesprecherin vom Gerstenberg-Verlag. Sie müssten nur gut gemacht sein. Aber, ähnlich wie Verleger Jonathan Beck, will auch sie der Verlockung widerstehen, möglichst schnell aktuelle Themen in Bücher zu packen. Krieg, Corona, Klima?
„Das ist ein größerer Bedarf, aber das ist gefährlich. Also, wir sehen tatsächlich, dass viel mehr Bücher zu diesen Themen kommen. Politik, Klimawandel und so weiter – aber das ist oft sehr schnell gestrickt. Also das sind eigentlich eher Themen für den Journalismus als für die Bücher, denen es gut tut, wenn sie über viele Monate, manchmal über Jahre entstehen.“ (Andrea Deyerling-Baier)
Andrea Deyerling-Baier verlegt lieber überraschende Themen: Das Buch „Keins wie das andere“ zum Beispiel von Neal Packer übers Sortieren und Ordnen – von Tieren über Kunstepochen bis zu Käsesorten. Das seien dann Bücher, die auch Erwachsene gerne lesen würden, und ein Beweis dafür, dass gute Literatur keine Altersgrenzen kennt.