Gespräch

Medienschau Literaturnobelpreis für Han Kang

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Autor/in
Anja Höfer
Anja Höfer, Autorin, Moderatorin und Redakteurin, SWR Kultur

Für „ihre intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt“ erhält die südkoreanische Autorin Han Kang in diesem Jahr den Literaturnobelpreis. Die deutschen Feuilletons feiern diese Entscheidung einhellig.

„Genau dafür, für so ein leises, eindringliches, niemals von selbst auftrumpfendes literarisches Werk, wurde einstmals der Nobelpreis erfunden, freut sich Volker Weidermann in der ZEIT. (…) Jetzt hört die Welt von ihr, von der südkoreanischen Autorin Han Kang, 53, und das ist einfach eine phänomenal gute Nachricht. In ihren fünf bislang auf Deutsch erschienenen Romanen unternimmt Han Kang nicht weniger, als unsere Normalität, die Gewohnheiten der Welt, in der wir leben, radikal infrage zu stellen. Das Thema all ihrer Bücher ist die Gewalt. Die Gewalt, die wir einander und die wir den Kreaturen auf diesem Planeten alltäglich antun. (…) Ihr bislang stärkstes Buch, für das sie mit dem Man Booker International Preis ausgezeichnet wurde, ist Die Vegetarierin. Und dieses Buch handelt (…) von der Normalität eines Ehelebens im Südkorea von heute. (…) Doch dann hat die Frau einen Traum. Sie träumt von den gequälten und getöteten Tieren, die die Menschen jeden Tag verspeisen. Sie hört die Schreie, sieht das Blut, fühlt das Leiden – plötzlich, von einem Moment auf den anderen. Und beschließt – ihr Leben zu ändern. Sie reißt noch in der Nacht alles Fleisch aus dem Kühlschrank und wird nie wieder ein Stück Fleisch anrühren. Eigentlich nur ein kleiner Schritt, doch die Grundlage ihrer ehelichen Normalität erodiert. Sie ist nun ein lebender Vorwurf. Es scheint, als rühre sie in den Menschen, mit denen sie nun verkehrt, ein tief verborgenes schlechtes Gewissen an. (…).

Vergleiche mit Kafka, Murakami und Hemingway

Richard Kämmerlings schreibt in der WELT: „Die Vegetarierin“, von manchen Kritikern mit Murakami, Kafka und Hemingway verglichen, lädt zu vielfältigen Deutungen ein. Der Roman lässt sich als Parabel lesen über die Unmöglichkeit, menschliches Bewusstsein zu verstehen, als ein Gleichnis von der Inkommensurabilität des Individuellen, das in keiner Interpretation vollständig aufgeht. In der Absurdität des modernen Daseins, das Han Kang hier drastisch vor Augen führte, erkannten sich jedenfalls viele Leserinnen wieder.“ Schreibt Die WELT.

Erstmals Preisträgerin aus Südkorea Literaturnobelpreis 2024: Han Kang erhält renommierten Literaturpreis

Der Literaturnobelpreis gilt als der wichtigste Literaturpreis der Welt. Die Schwedische Akademie in Stockholm hat nun die Preisträgerin 2024 verkündet: die Südkoreanerin Han Kang.

Han Kang selbst sagte in einem Interview über „Die Vegetarierin“, dass Romane zu schreiben für sie bedeute, Fragen zu stellen. In „Die Vegetarierin“ habe sie sich mit menschlicher Gewalt beschäftigt und mit der Möglichkeit oder Unmöglichkeit, menschliche Brutalität zurückzuweisen. Sie wollte die Frage stellen, ob wir diese Welt umarmen können, in der sich so viel Gewalt, aber auch so viel Schönheit vermischen.

Blick über die koreanischen Grenzen hinaus

In der FAZ schreibt Andreas Platthaus: „Die Bücher von Han Kang, die in Korea nach lyrischen Anfängen als Romanautorin Mitte der Neun­ziger debütierte (…) sind Spiegelbilder der koreanischen Nachkriegsgeschichte. Das meint natürlich nach dem Koreakrieg, der die Teilung des Landes festschrieb, worauf sich in Nord- wie Südkorea Diktaturen etablierten. Han Kang ist Südkoreanerin, und ihre Generation erlebte in der Jugend noch die letzten Jahre des autoritären Regimes. Das ist Thema in ihrem Roman „Menschenwerk“, der 2017 auf Deutsch herauskam. In ihm wird an die toten Demonstranten beim sogenannten Gwangju-Aufstand (Gwangschu) von 1980 erinnert, und Gwangju ist Han Kangs Heimatstadt. (…) Han Kang blickt in ihren Büchern über die koreanischen Grenzen hinaus und sucht jenseits davon nach Gemeinsamkeiten.“ Soweit die FAZ.

Brillant übersetzt von Ki-Hyang Lee

Und im Tagesspiegel schreibt Gregor Dotzauer, dass Han Kangs Geschichten „oft am Rande eines großen Schweigens angesiedelt sind. Das gilt besonders für die Protagonistin Ihres im Februar zuletzt auf Deutsch erschienenen Romans „Griechischstunden“. Während sie, die verstummte junge Frau, beim Vorlesen in einem Seouler Klassenzimmer keinen Ton über die Lippen bringt, schwindet ihrem Griechischlehrer das Augenlicht: zwei auf unterschiedliche Weise Traumatisierte, die sich, indem sie nach und nach ihre Geschichten kennenlernen, aufeinander zubewegen. (…) Die Deutschen haben das Privileg, von Han Kangs Literatur auch deswegen einen so lebendigen Eindruck gewinnen zu können, weil sich der meisten Titel die in München lebende Übersetzerin und Verlegerin Ki-Hyang Lee angenommen hat. Sie hat sie dieser Prosa einen Klang verliehen, der zu Han Kings  Erfolg hierzulande entschieden beigetragen hat.“

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