Fantastische Flunkergeschichten

Genial erfunden – Lügner, Gauner und Hochstapler in der Literatur

Stand
Autor/in
Silke Arning

Lügen, mogeln, schwindeln bis sich die Balken biegen: Die Literatur kennt viele, durchaus sympathische Hochstapler, die es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nehmen. Geschichten zwischen Wahnsinn, Übermut und blühender Fantasie.

Der Meister aller Streiche: Till Eulenspiegel

Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor und manchmal auch den Allerwertesten: Till Eulenspiegel, der Held des mittelniederdeutschen Volksbuchs, einer Art frühen Bestsellers Anfang des 16.Jahrhunderts.

Till, der Überlieferung nach im Jahr 1300 im niedersächsischen Kneitlingen getauft, hat viele sagenhafte Talente: er stibitzt Weihnachten, bringt einem Esel das Lesen und Schreiben bei, er fettet die quietschende Kutsche von oben bis unten gründlich ein und bakt Eulen und Meerkatzen.

Lügner in der Literatur
Mit seinen oft sehr rüden Scherzen zeigte der scharfsinnige Beobachter Till Eulenspiegel seinen Mitmenschen ihre Schwächen auf.

Scharfsinnig und dreist

Tatsachen sind für ihn immer eine Frage der Auslegung. 94 verschiedene Streiche werden dem quirligen Eulenspiegel nachgesagt, der trotz seiner roten Narrenkappe recht scharfsinnig, auf jeden Fall sehr dreist, sogar boshaft unterwegs war.

Sogar seine eigene Beerdigung geht nicht reibungslos über die Bühne: der Sarg stürzt ab und bleibt senkrecht im Grab stehen. 

In mehr als 100 Sprachen ist das närrische Treiben Till Eugenspiegels übersetzt, der als Figur über die Jahrhunderte hinweg immer neue Anpassungen erfahren hat – zum Beispiel als anarchischer Kinderheld im Trickfilm.

Hieronymus von Münchhausen – ein Lügenbaron?

Lügner in der Literatur
Der Ritt auf der Kanonenkugel ist nur eine der berühmten Geschichten des „Lügenbarons“, der dank einer schnell wachsenden Bohne sogar auf den Mond geklettert sein will.

Der Ritt auf der Kanonenkugel hat ihn weltberühmt gemacht, doch genau das wollte der Landadlige aus Bodenwerder im Weserbergland eigentlich nicht. 1720 wird Hieronymus Carl Freiherr von Münchhausen geboren.

Mit 13 Jahren wird er Page am Braunschweiger Hof in Wolfenbüttel und er ist gerade 17 als er mit seinem Dienstherrn Prinz Anton Ulrich nach St. Petersburg aufbricht, um dann in die Wirren des russisch-türkischen Krieges zu geraten.

Das ist der Hintergrund seiner gefeierten Lügengeschichten, die er später in privater Runde daheim in Bodenwerder zum Besten gibt. Darunter das spektakuläre Husarenstück, wie er sich auf eine Kanonenkugel schwingt, um die türkische Festung auszuspionieren.

Hinter Münchhausens Rücken veröffentlicht

Ein Zuhörer stibitzte und veröffentlichte seine Geschichten, die zunächst verschleiert, später dann doch ergänzt durch frei erfundene, tollkühne See-Abenteuer unter Münchhausens Namen veröffentlicht werden.

Ein schwerer Schlag für den geselligen Baron. Er fühlt sich verspottet, von Autoren und Verlegern „vor aller Welt prostituiert“. Diese Erfahrung und private Auseinandersetzung haben ihn einsam und verbittert gemacht.

Der Superstar des deutschen Wilden Westens – Karl May

Er kam schon früh mit dem Gesetz in Konflikt: Diebstahl, Betrug, Hochstapelei. Doch als Karl May 1865 zu vier Jahren Arbeitshaus verurteilt wird, ist das sein großes Glück.

Lügner in der Literatur
Der Wilde Westen war seine Welt – so sehr, dass sich Karl May gern als Old Shatterhand fotografieren und sich in Radebeul eine Villa Shatterhand bauen ließ.

Im Zuchthaus wird ihm die Leitung der Gefängnisbücherei übertragen und so liest er sich einmal kreuz und quer durch die ganze Bibliothek. Damit ist er bestens ausgestattet, um sich nach seiner Entlassung nur noch dem Schreiben zu widmen.

Die Grenzen von Realität und Fiktion verschwimmen

Schon bald entlässt er Winnetou und Oldshatterhand in die Weiten des Wilden Westens. Mit zunehmendem Erfolg aber verliert Karl May die Bodenhaftung: Mal gibt er sich als weitgereister Journalist aus, dann wieder als Sohn eines reichen Plantagenbesitzers von der Insel Martinique.

Er behauptet, 1200 Sprachen zu beherrschen und lässt sich als Old Shatterhand fotografieren. Die Identifikation mit seinen Figuren lässt die Grenzen von Realität und Fiktion verschwimmen.

Am 30. März 1912 stirbt er. Nach den Angaben seiner Witwe Klara May sollen dies seine letzten Worte gewesen sein: „Sieg, großer Sieg! Ich sehe alles rosenrot.“

Der größte Lügenbär aller Zeiten: Käpt'n Blaubär

Käptn Blaubär
Autor Walter Moers erfand mit seiner Figur „Käpt'n Blaubär“ einen der liebenswertesten Flunkerer, der am Ende allerdings doch immer ein wenig Recht behalten sollte.

Beim Schnarchen macht Käpt'n Blaubär keiner was vor. Er sägt so unbekümmert vor sich hin, dass praktischerweise sogar ein Loch in der Decke seines Gefängnisses entsteht.

Ein anderes Mal besegelt er das achte Weltmeer von Hygienia, wo sich die Waschbären waschen, ohne sich nass zu machen. Der sympathische Großvaterbär wurde 1988 von Schriftsteller Walter Moers erfunden.

Zusammen mit seinen drei kleinen Enkelbärchen und Freund Hein Blöd flunkerte er sich jahrelang zur Freude großer und kleiner Fans durch „Die Sendung mit der Maus“. 

Als berühmter Möglichmacher schafft Kapt'n Blaubär einfach alles und natürlich ist die weltbekannte Freiheitsstatue von New York nach ihm gebaut worden. Seinen drei farbenfrohen Enkeln tischt der alte Seebär nicht nur Pommes mit Fritten auf, sondern reichlich Seemannsgarn. Na dann: Ahoi!

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Buchkritik Konrad Paul Liessmann – Lauter Lügen und andere Wahrheiten

Politik und Moral, Kultur und Zensur, Freund und Feind, Winnetou, der Weltuntergang - das sind nur einige der Themen, mit denen sich Konrad Paul Liessmann in "Lauter Lügen" auseinandersetzt, geistvoll und mit Entschiedenheit zugleich.
Rezension von Eberhard Falcke.
Paul Zsolnay Verlag, 254 Seiten, 26 Euro
ISBN 978-3-552-07342-5

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Silke Arning