Bestseller neben Feuilleton-Lieblingen und Debütantinnen
Selten gab es eine so ausgewogene Vorauswahl. Auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis finden sich kunstbeflissene Romane, die im Feuilleton gefeiert wurden, wie etwa Eckhart Nickels „Spitzweg“. Es gibt Texte mit großem politischem Furor wie Fatma Aydemirs Familienroman „Dschinns“.
Daneben stehen eher zarte und nicht minder zeitkritische Prosawerke wie Kristine Bilkaus Schauerstück „Nebenan“ oder Dagmar Leupolds Portrait eines Einzelgängers mit dem Titel „Dagegen die Elefanten“. Bestsellerautor Heinz Strunk ist genauso vertreten wie die Debütantin Anna Yeliz Schentke.
Große und kleinere Verlage sind berücksichtigt worden, Bücher aus allen deutschsprachigen Ländern sind dabei und für Statistiker ist vielleicht interessant, dass Werke von zwölf Autorinnen und acht Autoren auf die Longlist gewählt worden sind.
Literatur Diese Bücher sind auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2022
Die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2022 steht fest. Aus den 20 Nominierten wählt die Jury sechs Titel für die Shortlist, die am 20. September 2022 veröffentlicht wird.
Auswahl lädt ein, Neues zu entdecken
Gewiss lässt sich darüber spekulieren, weshalb dieser oder jener Roman fehlt: Warum zum Beispiel mit „Die Nacht unterm Schnee“ Ralf Rothmanns literaturhistorisch bedeutsamer Abschluss seiner Weltkriegstrilogie keine Erwähnung findet, mag rätselhaft erscheinen, aber dieses international beachtete Werk findet auch ohne den Buchpreis ein breites Publikum.
Die Auswahl der siebenköpfigen Jury lädt stattdessen ein, ambitionierte und noch nicht ganz so bekannte Bücher zu entdecken, vielleicht Slata Roschals Identitätssuche mit dem Titel „In 153 Formen des Nichtseins“.
Heiße Anwärterin: Esther Kinsky
Wenn die Frage beantwortet werden soll, wer wirklich den sogenannten „Roman des Jahres“ geschrieben haben mag, muss gewiss der Name Esther Kinsky fallen. Ihre literarische Collage „Rombo“ über die Erdbebenkatastrophe im nordöstlichen Italien im Mai und September 1976 ist sprachlich wie inhaltlich meisterhaft.
Auf die Shortlist gehört gewiss auch Reinhard Kaiser-Mühleckers Roman „Wilderer“, ein verstörender Monolog eines oberösterreichischen Jungbauern, der es nicht schafft, sich aus der Enge seines vorgegeben Schicksals zu befreien.
Literarische Schwerstarbeit der Jury
Schon in den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die Jury dazu neigt, mehr Titel aus dem Frühjahr auszuwählen. So auch dieses Mal: Wichtige Bücher aus dem Herbstprogramm, etwa Norbert Gstreins „Vier Tage, drei Nächte“, sind gerade erst erschienen und haben es möglicherweise nur deshalb schwerer, von einer Jury beachtet zu werden, die ohnehin literarische Schwerstarbeit leisten muss.
Beim Angebot von rund 200 eingereichten Titeln, das auf eine 20er-Liste reduziert werden muss, ist das zwar einerseits verständlich, aber auch leicht wettbewerbsverzerrend.
Insgesamt lässt sich sagen, dass in der Longlist zum diesjährigen Deutschen Buchpreis der Wunsch erkennbar wird, sehr unterschiedliche literarische Positionen in der deutschsprachigen Literatur sichtbar zu machen. Die weitaus herausforderndere Juryarbeit steht mit der Erstellung der Shortlist aber noch bevor, wenn es dann darum geht, eine Auswahl von nur sechs Titeln zu bestimmen.