Kommentar

Hitzige Debatten und ein versöhnlicher Abschluss – Das war die Frankfurter Buchmesse 2023

Stand
Autor/in
Carsten Otte

Die Frankfurter Buchmesse 2023 stand unter dem Eindruck des Pogroms der Hamas in Israel und dem Krieg im Nahen Osten. Mit Salman Rushdie gab es einen idealen Friedenspreisträger, der sich als Vermittler zwischen Osten und Westen versteht und die Messe mit seiner jetzt schon historischen Preisrede zu einem versöhnlichen Abschluss brachte, kommentiert SWR Literaturredakteur Carsten Otte.

Ein Vermittler zwischen den Welten

In seiner Begrüßungsrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels erinnerte der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef an Rushdies Erzählband „Osten, Westen“. Der Titel enthält zwei Wörter, die mit einem Komma verbunden sind.

Kommentar von Denis Scheck Die richtige Entscheidung: Salman Rushdie bekommt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Endlich! Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Salman Rushdie ist eine ebenso erlösende wie überfällige Auszeichnung. Sie ist politisch opportun, intellektuell aufregend und literarisch zutiefst befriedigend.

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Der Autor sagte einmal, dieses Komma sei der „wichtigste Bestandteil des Buchtitels“. „Mir scheint nämlich“, erklärte Rushdie, „dieses Komma bin ich.“ Tatsächlich tritt der Schriftsteller, der noch vor 14 Monaten einen Mordanschlag auf einer Lesung überlebt und noch heute unter den Folgen des Attentats zu leiden hat, als Vermittler jener kulturellen, politischen und religiösen Welten auf, die sich oft feindlich gegenüberstehen.

„Freiheit des Denkens und des Wortes“

Die Vorsteherin des Börsenvereins, Karin Schmidt-Fridrichs, nannte Rushdie in der Frankfurter Paulskirche einen Schriftsteller, „der trotz all dem, was ihm widerfahren ist, seine Stimme erhebt und für die Freiheit des Denkens und des Wortes eintritt.“

Sie verwies auf sein autobiographisches Buch „Joseph Anton“, in dem Rushdie über seine Erfahrungen auf der Flucht schreibt, nachdem Ajatollah Chomeini, der damalige Oberste Führer des Iran, den Schriftsteller mittels einer Fatwa zum Tode verurteilte.

Gärende Substanz des Weltgeistes

Joseph Anton war der Deckname, den sich Rushdie nach der Aufforderung der Polizei für sein Leben in der Anonymität ausgesucht hatte, ein Name, der auf seine Lieblingsschriftsteller Joseph Conrad und Anton Tschechow verwies. In einer gewitzten Laudatio beschrieb Daniel Kehlmann seinen Schriftstellerfreund Rushdie als nahezu prophetisch.

Was immer „in der gärenden Substanz des Weltgeistes“ geschehe, er nehme es „vor uns anderen wahr.“ Kehlmann nannte Rushdie einen „der großen Erzähler der Literaturgeschichte“ und den „würdigsten Träger“ dieser Ehrung, den es „überhaupt hätte geben können“, da der Friedenspreis immer auch eine „humanistische Größe“ auszeichne.

Viel Streit auf der Messe

Während der Buchmesse, die ganz unter dem Eindruck des Pogroms der Hamas in Israel und dem Krieg im Nahen Osten stand, wurde viel gestritten. Schon die Eröffnungsrede des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek führte zu Tumulten, nachdem er nicht nur ein „Analyseverbot“ bezüglich des Nahost-Konflikts beklagt, sondern auch noch den SS-Mann Reinhard Heydrich zitiert hatte.

Der hessische Antisemitismus-Beauftragte Uwe Becker und andere Politiker verließen zeitweilig den Saal, kamen aber zurück, um gegen einen relativierenden Vergleich der Hamas-Taten mit der israelischen Politik lautstark zu protestieren.

Schon im Vorfeld der Messe war es um die Preisvergabe des „LiBeraturpreises“ an die Schriftstellerin Adania Shibli zu hitzigen Diskussionen im Feuilleton gekommen, einerseits um die Bewertung ihres Romans „Eine Nebensache“, anderseits um einen Aufruf der antisemitischen Boykottbewegung BDS, den Shibli vor Jahren unterzeichnet hatte.

In dem Text wird Israel mit dem damaligen Apartheit-Regime in Südafrika verglichen. Persönlich wollte sich Shibli nicht dazu äußern, die Preisvergabe wurde verschoben, in den Messehallen wurde heftig über diese Entscheidung debattiert.

Ein versöhnlicher Abschluss

Der Auftritt des Friedenspreisträgers Salman Rushdie war dann ein versöhnlicher Messe-Abschluss. „Frieden“, sagte der Schriftsteller, „will mir im Augenblick wie ein dem Rauch der Opiumpfeife entsprungenes Hirngespinst vorkommen.“ In seiner jetzt schon historischen Dankesrede setzte er sich auf literarisch-humorvolle und auch politisch-ernste Weise für dieses „Hirngespinst“ ein.

Im Zentrum seiner Gedanken stand dabei die Meinungsfreiheit, die er von „links und rechts“ gleichermaßen unter Druck gesetzt sieht. Er aber sei aber nun froh, mit dem Preis ein „Fläschchen Freiheit“ nach Hause zu nehmen und sich eine Weile „glückselig unter einen Baum zu setzen“.  

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Für sein erzählerisches Werk voll Weitsicht, Innovation, Humor und Weisheit – und als leidenschaftlicher Verfechter der Freiheit des Denkens erhielt der Schriftsteller Salman Rushdie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. In seiner Laudatio in der Frankfurter Paulskirche beschrieb Daniel Kehlmann Rushdie selbst als „veritable Rushdie-Roman-Figur“ mit einer unglaublichen Lebensgeschichte.

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