Kommentar von Denis Scheck

Die richtige Entscheidung: Salman Rushdie bekommt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

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Autor/in
Denis Scheck
"lesenswert" Moderator Denis Scheck im weißen Studio

Endlich! Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Salman Rushdie ist eine ebenso erlösende wie überfällige Auszeichnung. Sie ist politisch opportun, intellektuell aufregend und literarisch zutiefst befriedigend.

Rushdie – einer der großen Satiriker der Weltliteratur

Dass Salman Rushdie einer der großen Satiriker der Weltliteratur ist, weiß jeder, der schon mal einen von Rushdies großen Romanen gelesen hat: „Mitternachtskinder“ aus dem Jahr 1981 etwa, „Die satanischen Verse“ von 1988 oder das in diesem Frühjahr erschienene „Victory City“. Das Talent zum Brückenbauer zwischen orientalischer und westlicher Erzähltradition hat ihm sein Vater in die Wiege gelegt. Der hieß eigentlich Anis Ahmed Dehlavi, nannte sich aber in Rushdie um, weil er Ibn Rushd bewunderte, den spanisch-arabischen Philosophen aus dem 12. Jahrhundert, den man hierzulande als Averroes kennt. 

Diskussion im Lesenswert Quartett über „Victory City“ von Salman Rushdie:

Mehrere Übersetzer der „Satanischen Verse“ getötet oder verletzt

Seit Ayatollah Khomeini am 14. Februar 1989 alle Moslems dazu aufrief, Salman Rushdie, seinen Übersetzer und Verleger zu töten, ist Salman Rushdie zu einem Emblem für die Freiheit der Kunst geworden. Im Verlauf des Kampfs um diese Freiheit wurden der japanische Übersetzer der „Satanischen Verse“ Hotshi Igarashi ermordet, der italienische Übersetzer Ettore Capriolo und der norwegische Verleger William Nygaard bei Anschlägen verletzt.

Am 12. August 2022 fiel Salman Rushdie, der nach vielen Jahren im Untergrund längst wieder frei und ohne Polizeischutz in Manhattan lebte, selbst einem Messerangriff zum Opfer. Bis heute kämpft Rushdie mit den Folgen: Auf einem Auge ist er blind, die Bewegungsfähigkeit einer Hand ist stark eingeschränkt. 

„Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Salman Rushdie ist eine kluge, eine gute, ja die richtige Wahl!“

Leisetreter sahen in der Auszeichnung Rushdies eine Provokation

Dennoch erfolgt sie um Jahrzehnte zu spät. Allzu lange hörte die Jury dieses in der weltweiten Wahrnehmung wichtigsten deutschen Literaturpreises auf Beschwichtiger und Leisetreter, die in einer Auszeichnung Rushdies eine Provokation sehen und im Streit mit islamistischen Fundamentalisten und Fanatikern weltweit nur kein Öl ins Feuer gießen wollten. Und davon gab es, auch wenn man sich heute darüber verblüfft die Augen reibt, gar nicht wenige – Rushdies britischer Autorenkollege John le Carré zählte zu den Prominentesten.

Was lehrt uns die politische Kontroverse um Salman Rushdie?

Manchen Kämpfen kann man nicht aus dem Weg gehen. Über Grundwerte wie die Freiheit des Wortes und der Kunst verhandelt man nicht. Wer religiösen Fundamentalisten die Hand reicht, macht sich mit Mördern gemein. Salman Rushdies in meinen Augen wichtigstes Werk ist seine Autobiographie „Joseph Anton“. Ihr Titel spielt auf das Pseudonym an, das sich Rushdie während seiner Zeit im Untergrund gab und das er aus den Vornamen der beiden ihm wichtigsten Lieblingsschriftsteller bildete: Joseph Conrad und Anton Tschechow. Darin findet sich ein Gebet:

„Lieber Gott, falls Du existierst und so bist, wie man Dich beschreibt, also allwissend, allgegenwärtig und vor allem auch allmächtig, kriegst Du auf Deinem himmlischen Thron wohl kaum das große Fracksausen, bloß weil Du es mit einem Buch und dessen Schreiberling zu tun hast. (…) Was wäre das für einen Allmächtigen, den die Werke eines Menschen erschütterten? (…) Also komme ich zu dem Schluss, dass ich mit Dir, lieber Gott, keinerlei Probleme habe, sondern nur mit Deinen Dienern und Anhängern auf Erden.“ (Aus: „Joseph Anton“ von Salman Rushdie)

Auch der Literaturnobelpreis für Rushdie wäre eine kluge Wahl

Salman Rushdie feiert am 19. Juni 2023 seinen 76. Geburtstag. Sollte nach seiner Auszeichnung mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels Mitte Oktober bekannt werden, dass Rushdie den Literaturnobelpreis erhält, wäre auch dies eine kluge, eine gute, ja die richtige Wahl. Und auch sie kam um Jahrzehnte zu spät.

Salman Rushdie und die „Satanischen Verse“

Gespräch Eva Menasse: „Salman Rushdie ist ein Schriftsteller-Held“

Eva Menasse, Autorin und Sprecherin des neu gegründeten PEN Berlin, spricht in SWR2 über das Attentat auf Salman Rushdie. Sie ist mit dem Schriftsteller Rushdie bekannt und schätzt ihn als „einen der weltbesten lebenden Autoren“.

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