Coco Mellors Debutroman „Cleopatra und Frankenstein“ polarisiert auf Bookstagram und Booktok. Er handelt von einer überstürzten Hochzeit, Party, Alkohol und dem pulsierenden Leben in Big Apple. Schnell und humorvoll erzählt, den Hype aber trotzdem nicht wert.
Cleo und Frank – oder Cleopatra und Frankenstein – verlassen beide vorzeitig eine New Yorker Silvesterparty. Im Fahrstuhl lernen sie sich kennen, es funkt direkt und sie verbringen den Rest der Neujahrsnacht zusammen. Dann erfahren wir: ein halbes Jahr später heiraten die beiden.
Häufig witzeln sie darüber, dass es eine „Visums-Hochzeit“ gewesen sei. Denn Cleo, aufgewachsen in London, zog für ihr Studium der Malerei nach New York, arbeitet anschließend als Textildesignerin für ein Modeunternehmen und nun droht ihr Visum abzulaufen. Aber Frank, 20 Jahre älter als Cleo und Chef einer Werbefirma, lässt sie bei sich einziehen.
Beide feiern sich durch die New Yorker Clubs, trinken viel Alkohol und nehmen Drogen. Doch dass es nicht so locker und ausgelassen zwischen Cleo und Frank bleibt, wird schnell klar. Sie werden sich ihrer Diskrepanzen bewusst, fühlen sich einsam innerhalb ihrer Beziehung und suchen außerhalb Trost.
Hype auf Booktok und Bookstagram
Seit Erscheinen sorgt Coco Mellors Debut für großes Aufsehen, wurde auf Englisch zahlreich verkauft, in mehrere Sprachen übersetzt und viel besprochen – nicht zuletzt auf Bookstagram und Booktok gehypt. Ähnlich wie Protagonistin Cleo, wuchs auch die Autorin in London und New York auf. Sie studierte fiktionales Schreiben an der NYU und schrieb unter anderem eine erfolgreiche Kolumne für die New York Times.
Keine lange Einführung in das Geschehen, wenig Hinleitung in die Handlung – in „Cleopatra und Frankenstein“ passiert alles Schlag auf Schlag. Kaum lernen sich Cleo und Frank kennen, heiraten die beiden und kurz darauf beginnt es auch schon zu kriseln.
Es bleibt aber nicht nur bei den zwei extremen Charakteren Cleo und Frank. Hinzu kommen weitere Figuren: Cleos bester Freund Quentin, Santiago, ein guter Freund der beiden, Franks kleine Halbschwester Zoe, sein bester Freund Anders und später auch die neue Kollegin Eleanor – hier jedoch in Form von Tagebucheinträgen, sodass man schon vermutet, dass Eleanor im Laufe der Geschichte noch eine besondere Rolle spielen wird.
Wenig Tiefe, dafür aber wortwitzreiche Sprache
Die Figuren sind unsympathisch, leben ein Leben in Saus und Braus, die meisten davon mit viel Geld und white privileges. Sie eint, dass sie in unterschiedlicher Form Schwierigkeiten haben, Beziehungen zu führen, sich in exzessives Verhalten stürzen, in irgendeiner Art mit Alkohol- oder Drogenmissbrauch in Berührung gekommen sind und aus der Kindheit stammende Probleme verdrängen.
Diese und andere Themen wie Depression oder Suizid tauchen immer wieder auf, kratzen aber nur an der Oberfläche. Die Erzählperspektive wechselt häufig zwischen den Figuren, sodass wenig Tiefe aufgebaut wird und die einzelnen Charaktere mit ihren Gefühlen, Problemen und Facetten nur angeschnitten werden.
Gleichzeitig kommt jedoch durch die Ruhelosigkeit der Geschichte und die raschen Plot-Sprünge keine Langeweile auf und als Leser oder Leserin fliegt man praktisch durch den Roman – Pageturner-Potential also durchaus vorhanden.
Die Sprache ist fließend, humorvoll und wortwitzreich. Darin vermischen sich jedoch häufig Vulgarität und vor allem zu Beginn des Romans ordinäre Dialoge, was an manchen Stellen zu viel des Guten ist und den Augenrollfaktor um einiges erhöht. Häufig heißt es, Mellors sei „die neue Sally Rooney“, die für ihre prägnanten Dialoge und melancholischen Figuren bekannt ist.
Zwar spielen bei beiden, Rooney und Mellors, die Themen „Quarter-Life-Crisis“, Bindungsprobleme und Überforderung vom Leben eine Rolle, sprachlich schafft es Mellors aber noch nicht an die irische Schriftstellerin ran.
Carrie Bradshaw liest „Cleopatra und Frankenstein” in Sex And The City
„Cleopatra und Frankenstein“ ist leider ein Beweis dafür, dass nicht jeder Hype berechtigt ist. Es ist jedoch bemerkbar, dass die Autorin ein Gespür für das pulsierende New-York-Leben hat. Erkennbar zum Beispiel auch daran, dass Carrie Bradshaw Mellors Debutroman in der Fernsehserie And Just Like That, dem Nachfolger der Kult-Serie Sex And The City, liest. Wer also Lust auf eine unterhaltende Liebesromanze auf Speed, etwas Spice und Big Apple Atmosphäre hat, könnte an diesem Roman trotzdem Gefallen finden.