Eine luxuriöse Aufmachung mit vielen Farbdrucken
Die andere Bibliothek hat sich zum Ziel gesetzt, jeden Monat ein besonderes Buch herauszugeben, das nicht nur inhaltlich etwas Außergewöhnliches zu bieten hat, sondern obendrein auch noch schön ist.
Preiswert sind diese Bücher nicht, aber sie kommen auch sehr luxuriös daher, mit geprägtem Leineneinband, solider Fadenheftung und Lesebändchen. Auch an Farbdruck und an Abbildungen wie alten Kupferstichen wird nicht gespart, wie der Band mit Carsten Niebuhrs „Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern“ zeigt.
Eine Reise im Auftrag des dänischen Königs
Niebuhr war ein deutscher Naturwissenschaftler des 18. Jahrhunderts, der im Auftrag des dänischen Königs durch zahlreiche Länder des Orients bis nach Indien reiste. Alles, was ihm unterwegs erwähnenswert schien, hat er für seinen Auftraggeber schriftlich festgehalten oder gezeichnet.
Die ersten beiden Teile des Reiseberichts sind 1774 in Kopenhagen erschienen, der dritte und letzte Teil wurde erst 1837 erstmals in Hamburg gedruckt, siebzig Jahre nach Niebuhrs Rückkehr nach Europa.
Niebuhrs Reisebericht ist keine leichte Bettlektüre
In der Ausgabe der Anderen Bibliothek hat der Reisebericht fast 700 Seiten, wurde obendrein im DIN-A4-Format gedruckt und bringt stolze drei Kilo auf die Waage. Curry-farbener Leineneinband, Zweifarbdruck und viele Karten und Kupferstiche erhöhen noch den Eindruck von Wertigkeit.
Ein Schmöker fürs Bett ist er allerdings nicht. Der Band richtet sich vielmehr an Leser, die ihn als Zeitdokument des achtzehnten Jahrhunderts studieren wollen. Auch für Orientalisten, die sich mit den von Niebuhr bereisten Gegenden befassen, dürfte das Buch eine Fundgrube sein.
Und wer als geschichtsbewusster Tourist beispielsweise nach Kairo, Jerusalem oder Bombay reist und gern wissen möchte, wie es dort vor zweieinhalb Jahrhunderten aussah, kann sich ebenfalls darin informieren.
Vorwort des Historikers Frank Trende
Doch ein Hinweis vorweg: Die Sprache des Berichts sowie die alte deutsche Schreibweise vieler Wörter wurden beibehalten. Dies verlangt dem Leser manchmal ein wenig Fantasie ab, aber an der Sprachentwicklung Interessierte wird es freuen. So hieß Kairo damals noch wie im Arabischen Káhira.
Ein ausführliches Vorwort von Frank Trende führt in den Reisebericht ein und trägt sehr zu dessen Verständnis bei. Trende ist Spezialist für die Geschichte des Kreises Dithmarschen in Schleswig-Holstein, und dort, genauer in Meldorf, liegt der 1815 verstorbene Forschungsreisende Carsten Niebuhr begraben. Trende erläutert, dass man Niebuhrs Reise in einem europäischen Forschungszusammenhang verstehen muss:
Ein ganzes Schiff voller Wissenschaftler bricht in den Orient auf
Auch Geographie und Naturwissenschaften sollen erforscht werden, und den Wissenschaftlern aus Deutschland, Dänemark und Schweden, die 1761 von Kopenhagen aus per Schiff in den Orient aufbrechen, wird ein ausführlicher Fragenkatalog aus den verschiedensten Forschungsbereichen mit auf den Weg gegeben.
Ursprünglich haben an der beschwerlichen Reise bis nach Bombay neben dem Mathematiker und Astronomen Niebuhr ein Philologe, ein Arzt, ein Naturforscher, ein Kupferstecher und ein ehemaliger Dragoner teilgenommen, doch Niebuhr kehrte sieben Jahre später als einziger zurück.
1764 schrieb Niebuhr folgenden Brief nach Dänemark, der damals von einer Zeitung in Altona abgedruckt wurde und den Trende im Vorwort zitiert:
Strapazen wie Krankheiten und Plünderungen behindern die Reise
Zu den gefährlichen Krankheiten, die die Reisegruppe heimsuchen, zählt die Malaria. Niebuhr setzt seine Reise nach 1764 allein fort. Sein in drei Teilen auf Deutsch veröffentlichter, 700 Seiten starker Bericht an den König besteht zum einen aus Reiseaufzeichnungen, in denen er schildert, was ihm unterwegs begegnet und welche Strapazen ihm abverlangt werden.
Nicht nur einmal droht den Wissenschaftlern auch Gefahr durch Plünderungen, wie etwa in einem Beduinengebiet in Ägypten. Einen wichtigen Teil des Buches aber machen auch die Abhandlungen zu einzelnen Städten, Regionen oder Themenbereichen aus.
Die Liebe zum Detail bereichert die Beschreibungen
So lässt sich Niebuhr ausführlich zu Wassermaschinen, Mühlen, Ölpressen, Ackergerät und Hühneröfen in Ägypten aus. Unter Wassermaschinen hat man sich vor allem Pumpvorrichtungen vorzustellen, und er hat davon mehrere – wie man in dieser prachtvollen Ausgabe seiner Schriften sehen kann – sehr detailliert in Kupferstichen festgehalten. Vermutlich könnte man sie danach sogar nachbauen.
Genauso detailverliebt beschreibt er Musikinstrumente oder Spielgerätschaften wie Wippen oder Schaukeln, und seine Zeichnungen von den Leibesübungen der Morgenländer erinnern an alte Fotos aus den Zeiten von Turnvater Jahn.
Kleider machen Leute - schon zu Niebuhrs Zeiten
Besonderes Augenmerk legt er auch auf die Kleidung der Menschen. So hat er in den besuchten Ländern allein 48 verschiedene Kopfbedeckungen entdeckt, 44 von Männern und vier von Frauen.
Darunter sind kompliziert gebundene Turbane zu finden, aber auch ein Hut, der einem länglichen Kürbis gleicht und den er bei den Christen in Anatolien fand. Von den Morgenländerinnen erzählt er, dass das Tuch, mit dem sie ihr Gesicht bedecken, sobald sich ein Mann nähert, das wohl wichtigste Kleidungsstück für sie ist. Zu der übrigen Kleidung der Damen schreibt Niebuhr Folgendes:
Niebuhrs Werk war bereits für Goethe und Herder wertvolle Lektüre
Die Zeichnungen der besuchten Städte, die zunächst der mitreisende Kupferstecher und später Niebuhr selbst anfertigt, sind so genau, dass sie fast wie Fotos anmuten. Von den meisten Städten liefert Niebuhr auch Karten mit:
Die irakische Hauptstadt Bagdad etwa, heute eine Fünf-Millionen-Metropole, verfügte damals über ganze sieben Straßen von Nord nach Süd und war tausend Schritte lang und ebenso breit. Auch brachte der Forscher genaue Abschriften der Keilschrift und der Hieroglyphen mit, was dazu beitrug, diese zu entziffern.
In seinem Vorwort nennt Frank Trende Niebuhrs Werk ein faktenreiches Monument der Aufklärung, das, so ist es überliefert, für Johann Wolfgang von Goethe eine wichtige Lektüre war, die er auch Johann Gottfried Herder weiterempfohlen hat.
Zwar hatte man Carsten Niebuhr in Dänemark während seiner siebenjähriger Reise fast vergessen, berichtet Trende, doch noch heute ist eine Straße in Kopenhagen nach ihm benannt. Es ist ein Verdienst des Verlags, dass sein Werk erhalten bleibt und in einer sorgfältigen Edition vielen Lesern zugänglich wird.