True Crime aus dem Südwesten

Wer war der Schinderhannes?

Stand
Autor/in
Luisa Sophie Klink

Johannes Bückler – im Volkmund bekannt als Schinderhannes – ist keine Sagengestalt, sondern ein echter Räuber, der im 18. Jahrhundert sein Unwesen trieb. Um seine Person ranken sich zahlreiche Legenden. Nun kommt das Fallbeil, mit dem der Räuber enthauptet wurde, ins Hunsrückmuseum Simmern.

Schon vor Jahrhunderten ging von Schurken und dunklen Gestalten eine gewisse Faszination aus. Eigentlich waren sie aber bloße Kriminelle. Man könnte fast sagen, dass das der Grund ist, weshalb sie von der Gesellschaft bis heute glorifiziert werden.

Denkt man bloß an Jeremy Meeks mit den blauen Augen, der es von einem Fahndungsfoto der Polizei bis auf den Laufsteg der New Yorker Fashionweek schaffte, Erpresser Dagobert, dem eine ganze Serie gewidmet wird, oder auch an die deutsch-russische Millionenbetrügerin Anna Sorokin, auf die auch Netflix aufmerksam geworden ist.

Aber wer war der Schinderhannes eigentlich?

Da das Kriminelle von jeher eine Anziehung auf die Menschheit hat, wurde die Literatur schon früh auf den sogenannten Schinderhannes aufmerksam und beschrieb ihn als berühmt-berüchtigten Räuberhauptmeister, der durch die Wälder zieht und dessen ganzes Leben ein einziges Abenteuer ist.

Losgelöst von der historischen Figur entstand so im 19. Jahrhundert der Mythos vom edlen Räuber, der ausschließlich die Reichen bestiehlt und die Beute an die Armen verteilt, und Freiheitskämpfer, der sich gegen die Willkür der französischen Fremdherrschaft auflehnt.

Tatsächlich aber geht man davon aus, dass der Schinderhannes, zwischen 1779 und 1780 als Johannes Bückler in Miehlen im Taunus geboren, ganz und gar keine Heldenfigur war, sondern ein waschechter Räuber und sogar Mörder.

Wie Johannes Bückler zu seinem Spitznamen kam

Bückler stammte aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs als Sohn von Johann Bückler und Anna Maria Schmitt mit einem älteren Bruder namens Friedrich Philipp auf. Er führte mit seiner Familie ein unstetes Leben und zog von Ort zu Ort, während sein Vater sich als Feldarbeiter und Tagelöhner seinen Lebensunterhalt verdingte.

Er selbst machte eine Lehre als Schinder, auch bekannt als Abdecker. In diesem wenig angesehenen Beruf, bei dem Tierkadaver beseitigt werden, arbeitete seine Familie schon seit Generationen.

Wandeparkplatz "Schinderhannes-Tränke"
Im Hunsrück ist der Schinderhannes allgegenwärtig. Auch im Wald kann man auf den Spuren des Schinderhannes wandeln.

Öffentliche Prügelstrafe: 25 Hiebe im Alter von 15 Jahren

Im Alter von 15 Jahren geriet er auf die schiefe Bahn und wurde erstmals kriminell. 25 Hiebe folgten auf die erste Verurteilung, nachdem er seinem Meister sechs Kalbfelle und eine Kuhhaut gestohlen hatte. Aus Angst vor einer weiteren Bestrafung floh die Familie aus Miehlen in den Hunsrück und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser.

Als sich der Schinderhannes einer Räuberbande anschloss, nahm seine kriminelle Karriere erst richtig an Fahrt auf. Einen schwunghaften Handel sah er im Viehdiebstahl. Mit ständig wechselnden Kumpanen versetzte er die Menschen rechts und links des Rheins in Angst und Schrecken.

Ganz und gar kein Edelmann: Landstreicher totgeprügelt

Von scheinbar ehrenhaften Taten war der Schinderhannes weit entfernt. Der Überlieferung nach hat Bückler mit Jakob Fink, der wegen seiner roten Haare nur der rote Fink genannt wurde, sein erstes Tötungsdelikt begangen.

Gemeinsam mit anderen Räubern knöpften sie sich den Landstreicher und Pferdedieb Niklas Rauschenberger vor, nachdem dieser zwei Freundinnen Brücklers bedrängt und bestohlen haben soll. Sie prügelten so lange auf ihn ein, bis dieser seinen schweren Verletzungen erlag.

Insgesamt gehen 211 Straftaten auf das Konto des Schinderhannes, darunter Diebstähle, Raubdelikte, Erpressungen und Morde.

Immer auf der Flucht

Durch sein Leben als Räuber war Bückler immer auf der Flucht und lebte in Wäldern, um einer Verfolgung zu entgehen. Beim Katz-und-Mausspiel mit den Gendarmen hatte er anfangs noch die Nase vorn, da er seine Raub- und Diebeszüge geschickt mal rechts, mal links des Rheinufers legte. Und wurde er mal geschnappt, gelang ihm rasch die Flucht.

Doch die Franzosen, die die Gegend zu dieser Zeit besetzten, setzten alles daran, den Schinderhannes und seine Bande zu schnappen. 1799 konnte die National-Gendarmerie dann einen echten Erfolg vermelden: Sie fassten Brückner und steckten ihn nach einigen Verhören in den Gefängnisturm von Simmern. Nach einem halben Jahr gelang ihm aber auch hier die Flucht.

Denkmal vom Schinderhannes vor Turm in Simmern im Hunsrück.
Der Gefängnisturm galt als ausbruchsicher – bis der Schinderhannes die Polizei durch seine erfolgreiche Flucht eines besseren belehrte.

Des Schinderhannes' große Liebe: Julchen

Auch die Liebe konnte seine kriminelle Energie nicht in ruhige Bahnen lenken. Vielmehr hat sich seine Ehefrau Juliane Blasius, genannt „Julchen“ an seinen brutalen Überfällen sogar beteiligt, teils in Männerkleidung. Nach mehreren Geliebten wurde sie zur festen Frau an seiner Seite und gilt als eine der berüchtigsten Räuberbräute der Geschichte.

Kennengelernt haben sich der Schinderhannes und die Tochter eines Musikanten und Tagelöhners an Ostern 1800 auf einer Tanzveranstaltung. Drei Jahre lang war sie an seiner Seite, gebar ihm eine Tochter und einen Sohn, wobei die Tochter direkt nach der Geburt verstarb.

Gemeinsame Sache mit niederländischer Räuberbande

Ab 1801 schloss Bückler sich mit einer niederländischen Räuberbande zusammen, deren Kern überwiegend aus Juden bestand. Bei einem Coup unter dem Oberbefehl des niederländischen Räubers Abraham Picards auf das Posthaus in Würges wurde er von selbigem übers Ohr gehauen. Picards schnappte sich einen Teil seiner Beute und machte sich rheinabwärts aus dem Staub.

Als die Bande immer größer wurde, wurde die Obrigkeit nervös und setzte voll und ganz auf die Hilfe der Bevölkerung. Unter Androhung von Strafe wurde sie verpflichtet, bei Raubüberfällen sofort Alarm zu schlagen und Hilfe zu leisten. Dies führte dazu, dass sich die Raub- und Diebeszüge der Schinderhannesbande immer schwieriger gestalteten, da die ganze Bevölkerung hinter ihnen her war.

Geschnappt wurde er zunächst dennoch nicht. Zu sehr waren die Sicherheitskräfte in Europa damit befasst, den Vormarsch Napoleons zu stoppen. Das ändert sich erst, als Napoleons Polizeiminister Joseph Fouché die Jagd auf den Schinderhannes zur Staatssache erklärte.

Falle schnappte 1802 zu

Durch einen Zufall wurde der Schinderhannes im Mai 1802 in der Nähe von Limburg gefasst, weil er sich nicht ausweisen konnte. Dann ging alles Schlag auf Schlag: Zunächst nach Frankfurt verbracht, dann dem französischen Nationalkommando in Mainz übergeben, wurde ihm am 24. November 1803 der Prozess gemacht.

Auch wenn Bückler sich kooperativ zeigte und über seine Kumpanen auspackte, nutzte ihm das für den Prozess wenig. Einen Sympathiepunkt erhielt er allerdings beim Volk, als er sich als liebevoller und fürsorglicher Familienvater präsentierte. Einen weiteren, weil er im antisemitisch geprägten 18. Jahrhundert vornehmlich Schutzgelder von reichen Juden erpresste.

1803 wird der Räuberbande der Prozess gemacht

Auch wenn der Prozess dem ersten Anschein nach rechtmäßig verlief und 334 Zeugen vernommen wurden, gibt es berechtigte Zweifel an einem unvoreingenommenen Ablauf. Denn schon vor dem Urteil am 20. November sollen Särge bestellt worden sein.

Angeklagt waren insgesamt 67 Personen. Neben ihm wurden 19 Bandenmitglieder zum Tode verurteilt. Auch sein Julchen wurde verurteilt: Sie erhielt zwei Jahre Zuchthaus und gebar den gemeinsamen Sohn im Gefängnis.

Eintrittskarten wegen Zuschauerandrang

Der Prozess in Mainz sorgte für ein derartiges Aufsehen, dass Eintrittskarten verkauft werden mussten. Schon einen Tag nach der Verkündung wurde das Urteil dann vollstreckt: Johannes Bückler wurde guillotiniert.

Rund 40.000 Schaulustige sollen allein zur Hinrichtung geeilt sein. Als das Fallbeil hinuntersauste, waren auch sogleich die Henker zur Stelle. Sie versuchten die Blutstropfen mit Bechern aufzufangen, da das Blut hingerichteter Verbrecher als probates Mittel gegen Epilepsie galt.

Versuche an gerollten Köpfen

Die gerollten Köpfe wurden von Studenten direkt nach der Hinrichtung auf Bewusstsein oder etwaige Empfindungen hin untersucht. Sie achteten auf verzerrte Gesichtszüge oder riefen den Geköpften etwas ins Ohr – allerdings konnten sie keinerlei Regungen feststellen. Dass die medizinische Gesellschaft an den Leichen der Hingerichteten allerdings galvanische und elektrische Versuche durchführte, blieb der neugierigen Masse verborgen.

200 Meter vom Schafott entfernt errichteten sie eine Hütte mit Tischen, „Voltaschen Säulen“ aus Kupfer, Zink und Tuchlagen und einer Elektrisiermaschine. Muskelfasern zuckten, Zähne knirschten, Körper richteten sich auf. Die Erkenntnis: Je länger die Hinrichtung vorüber war, desto weniger Regungen konnten festgestellt werden. Die Guillotine ist neuerdings im Hunsrückmuseum zu sehen.

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