Thomas Mann hat mit seinem Roman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ dem Hochstapler ein literarisches Denkmal gesetzt. Mehrfach wurde die Geschichte des charmanten Tunichtguts verfilmt, unter anderem mit Horst Buchholz in der Titelrolle. Das Staatstheater Mainz bringt die Geschichte nun auf die Bühne.
Reale Trickbetrüger waren und sind allerdings mindestens ebenso gewitzt wie Manns Antiheld. Wir stellen fünf spektakuläre Betrugsfälle vor.
- Wilhelm Voigt, der Hauptmann von Köpenick
- Victor Lustig, der Verkäufer des Eiffelturms
- Konrad Kujau, der Fälscher der Hitler-Tagebücher
- Gert Postel, der hochdekorierte Postbote
- Anna Sorokin, die falsche Erbin
Wilhelm Voigt – Vom Kleinkriminellen zur berühmten Theaterfigur
Die Stadt Berlin hat ihrem prominenten Sohn Wilhelm Voigt längst verziehen. Mittlerweile erinnert ein Denkmal an den legendären Hauptmann von Köpenick, als der sich der aus Ostpreußen stammende Schuhmacher zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgegeben hat. Schon vor seinem großen Coup hielt er sich mit Diebstahl und Urkundenfälschung über Wasser. Im Jahr 1906 dann ein größeres Ziel: der Raub der Stadtkasse.
Erreichen wollte er dies mit einer ergaunerten Uniform und ein paar gutgläubigen Soldaten, denen er beim Wachwechsel aufgelauert hatte. Er erzählte ihnen, nach ein paar Bier, der Bürgermeister von Köpenick müsse verhaftet werden. Dies taten die Soldaten auch, während sich der falsche Hauptmann den Inhalt der Stadtkasse aushändigen ließ. Geld, das heute gut 25.000 Euro wert wäre.
Von der Beute ließ sich Wilhelm Voigt einen Anzug schneidern und versuchte, im unübersichtlichen Berlin unterzutauchen. Allerdings hatte er vorab einen anderen Ganoven in seine Pläne eingeweiht, der Voigt mit Blick auf eine ordentliche Belohnung verpfiff. Nach zehn Tagen wurde Wilhelm Voigt verhaftet. Der Rest ist Geschichte: Die Köpenickiade wurde unter anderem von Carl Zuckmayer in ein Theaterstück verwandelt, die Vorlage wurde bereits mehrmals verfilmt.
Victor Lustig – Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte
Paris ohne den Eiffelturm, das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Zwar gab es in den 1880er-Jahren rund um den Bau des Metallturms vielerlei Proteste kritischer Anwohner, aber als der Turm zur Weltausstellung stand, verstummten die kritischen Stimmen schlagartig. Trotzdem war lange nicht klar, was mit dem Eiffelturm in Zukunft genau geschehen soll. Diesen Umstand machte sich im Jahr 1925 der aus Böhmen stammende Victor Lustig zu Nutzen.
Lustig stammte aus gutbürgerlichen Verhältnissen, sprach mehrere Sprachen und beherrschte ein aristokratisches Auftreten. Dies erlaubte ihm unter anderen, mehr oder weniger erfolgreich so genannte Gelddruckmaschinen in den USA zu verhökern. Der berühmte Bau von Gustave Eiffel brachte ihn schließlich auf eine Idee.
Victor Lustig gaukelte sechs Pariser Schrotthändlern vor, der Eiffelturm solle verkauft werden und er sei beauftragt worden, das beste Angebot einzuholen. Nach einigem Hin und Her schaffte er es tatsächlich, mehr als eine Million Francs zu erschleichen. Dem geprellten Schrotthändler war seine Gutgläubigkeit so peinlich, dass er den Betrug nicht anzeigte.
Dies führte Victor Lustig kurzerhand dazu, den Trickbetrug noch einmal durchzuziehen, diesmal aber ohne Erfolg. Der Hochstapler floh zurück in die USA, wo er unter anderem Geschäfte mit dem berüchtigten Gangster-Boss Al Capone machte. Das Ganze ging nicht gut aus für Lustig – er starb 1947 auf der legendären Gefangeneninsel Alcatraz.
Konrad Kujau – Vom Kunst- zum Tagebuchfälscher
Die gefälschten Tagebücher von Massenmörder Adolf Hitler haben 1983 einen der größten Presseskandale der Bundesrepublik Deutschland ausgelöst. Verfasst wurden die Tagebücher nämlich keineswegs vom Diktator höchstselbst, sondern von Konrad Kujau. Der hatte sich schon während seiner Jugend in der DDR das Taschengeld mit gefälschten Autogrammkarten führender SED-Politiker aufgebessert.
Von Autogrammkarten ging Kujau ab Anfang der 1960er-Jahre – inzwischen lebte er in Baden-Württemberg – zu Kunstfälschungen über. Eines der Werke aus der Zeit im Stile Gustav Klimts hängt heute im Fälschermuseum in Wien. Außerdem handelte Konrad Kujau mit Militaria, vor allem aus der NS-Zeit. Einem Stern-Reporter gaukelte der Betrüger vor, im Besitz einer historischen Sensation zu sein: den Tagebüchern Adolf Hitlers.
Diese Tagebücher hatte Kujau allerdings selbst schon Jahre zuvor angefertigt, „aus Jux“, wie er später erklärte. Dieser Sensation konnte der Journalist nicht widerstehen. Unterstützt von zweifelhaften Geldgebern kaufte er die Tagebücher für einen Millionenbetrag und forcierte die Veröffentlichung im Stern. Ende April 1983 publizierte die Zeitschrift erste Auszüge aus den vermeintlichen Tagebüchern. Die Auflage schoss in die Höhe.
Aber schon bald wurden Zweifel laut: Nur wenige Tage nach Erscheinen des Artikels war von Fälschungen die Rede. Schließlich ergaben Materialprüfungen zweifelsfrei, dass Papier, Klebstoff und Farben lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden waren. Das Kartenhaus um Konrad Kujau brach zusammen. Er wanderte für mehrere Jahre ins Gefängnis.
Da der Hochstapler schwer krank war, wurde er vorzeitig entlassen. Wieder auf freiem Fuß vermarktete Kujau seine Geschichte gewinnbringend bis zu seinem Tod im Jahr 2000. Die gefälschten Tagebücher lagern heute zum Großteil im Bundesarchiv in Koblenz.
Gert Postel – Der habilitierte Postbote
Postbote ist ein ehrenhafter Beruf. Dem 1958 in Bremen geborenen Gert Postel war er aber offensichtlich nicht ehrenhaft genug, er fühlte sich zu Höherem berufen. Darum fälschte er nicht nur sein Abiturzeugnis, sondern auch seine Approbation. Postel besuchte medizinische Vorlesungen, las Fachbücher, übte sich im Medizinersprech – und bekam schließlich eine Stelle als Arzt in Norddeutschland.
Genau genommen waren es sogar mehrere Stellen, bei denen er Patient*innen behandelte, in psychiatrische Kliniken einweisen ließ und Medikamente verschrieb. Aber der Schwindel flog auf, Gert Postel wurde mehrfach angeklagt und verurteilt. Doch das hielt ihn nicht von weiterer Hochstapelei ab.
Die Wirren rund um die Wiedervereinigung machte sich der Postbote zu Nutzen und fing als Oberarzt in einem sächsischen Krankenhaus für Psychiatrie an. Sogar eine Professur wurde ihm angeboten. Am Ende war es ein dummer Zufall, der Gert Postel enttarnt hat: Eine Kollegin hörte von Postels Vorgeschichte, er flog auf.
Im Gefängnis legte er den Grundstein für seine dritte Karriere. Er schrieb ein Buch, dessen Titel weder zufällig noch unbescheiden an Thomas Mann erinnert: „Doktorspiele – Geständnisse eines Hochstaplers“. Das Buch wurde zum Beststeller und Gert Postel ein gern gesehener Talkshow-Gast.
Anna Sorokin – Als russische Erbin in New York
Auch Hochstaplerinnen und Hochstapler haben es seit Erfindung des Internets schwerer. Lebensläufe und Familienverhältnisse lassen sich leichter nachprüfen, das Netz vergisst bekanntlich nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass die Russin Anna Sorokin über vier Jahre lang die New Yorker High Society an der Nase herumführen und ausnehmen konnte.
Mal gab sie sich als Erbin eines millionenschweren Kunstmäzens aus, dann wiederum als Diplomatentochter. Sie erfand eine Stiftung und gab vor, ein Kunststudio eröffnen zu wollen. Stattdessen öffnete sie die Geldbörsen treuherziger Gönner. Anna Sorokin mietete sich in Luxushotels ein, kaufte Designerkleidung, buchte Flüge – und bezahlte kaum etwas davon. Und wenn doch, dann mit fremden Geld.
Zu Fall brachte die Trickbetrügerin eine Freundin, die die Umtriebe durchschaute und Sorokin unter einem Vorwand in eine Falle der amerikanischen Polizei lockte. Allerdings hat sich Sorokin den Gerichtsprozess und die anschließende Haftstrafe ordentlich versilbern lassen und hat ihre Lebensgeschichte an Netflix verkauft. Da das Gesetz in den USA aber verbietet, dass Gefangene finanziell von einer Haft profitieren, gingen die Zahlungen hauptsächlich an die Betrugsopfer.
Mittlerweile ist Anna Sorokin wieder frei, wenn auch unter Hausarrest. Dies hat sie jedoch nicht daran gehindert, mit elektronischer Fußfessel und unter dem Namen Anna Delvey, an der Fernsehshow „Dancing with the Stars“ teilzunehmen. So sind sie eben, die Hochstapler und Hochstaplerinnen: Auch aus scheinbar ausweglosen Situationen können sie Profit schlagen. Not macht schließlich erfinderisch.