Alles Lug und Trug

Die Erben des Felix Krull: Hochstapler im Lauf der Zeit

Stand
Autor/in
Mareike Gries
Mareike Gries, Autorin und Moderatorin bei SWR Kultur

Die Tagebücher von Adolf Hitler – ein Traum vieler Journalist*innen. Der Eiffelturm zum Weiterverkauf, ein Glücksgriff für den Schrotthandel. Beides wäre jedoch zu schön, um wahr zu sein. Berühmte Hochstaplerinnen und Hochstapler wurden durch solche Deals legendär und üben eine ganz eigene Faszination aus.

Horst Buchholz als Felix Krull im weißen Sakko, Liselotte Pulver (Zaza) im Sommerkleid mit Nadelstreif und einem Hut mit Schleier auf dem hochgesteckten Haar.
Thomas Manns „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ haben den gewitzten Trickbetrügern ein Denkmal gesetzt. In der Verfilmung von Kurt Hoffmann aus dem Jahr 1957 spielt Horst Buchholz die Titelfigur und Liselotte Pulver die Rolle der Zaza.

Thomas Mann hat mit seinem Roman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ dem Hochstapler ein literarisches Denkmal gesetzt. Mehrfach wurde die Geschichte des charmanten Tunichtguts verfilmt, unter anderem mit Horst Buchholz in der Titelrolle. Das Staatstheater Mainz bringt die Geschichte nun auf die Bühne.

Reale Trickbetrüger waren und sind allerdings mindestens ebenso gewitzt wie Manns Antiheld. Wir stellen fünf spektakuläre Betrugsfälle vor.

Wilhelm Voigt – Vom Kleinkriminellen zur berühmten Theaterfigur

Die Stadt Berlin hat ihrem prominenten Sohn Wilhelm Voigt längst verziehen. Mittlerweile erinnert ein Denkmal an den legendären Hauptmann von Köpenick, als der sich der aus Ostpreußen stammende Schuhmacher zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgegeben hat. Schon vor seinem großen Coup hielt er sich mit Diebstahl und Urkundenfälschung über Wasser. Im Jahr 1906 dann ein größeres Ziel: der Raub der Stadtkasse.

Kopf der Statue vom Hauptmann von Köpenick in Berlin
Vor dem Rathaus des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick erinnert eine Statue an den legendären falschen Hauptmann.

Erreichen wollte er dies mit einer ergaunerten Uniform und ein paar gutgläubigen Soldaten, denen er beim Wachwechsel aufgelauert hatte. Er erzählte ihnen, nach ein paar Bier, der Bürgermeister von Köpenick müsse verhaftet werden. Dies taten die Soldaten auch, während sich der falsche Hauptmann den Inhalt der Stadtkasse aushändigen ließ. Geld, das heute gut 25.000 Euro wert wäre.

Von der Beute ließ sich Wilhelm Voigt einen Anzug schneidern und versuchte, im unübersichtlichen Berlin unterzutauchen. Allerdings hatte er vorab einen anderen Ganoven in seine Pläne eingeweiht, der Voigt mit Blick auf eine ordentliche Belohnung verpfiff. Nach zehn Tagen wurde Wilhelm Voigt verhaftet. Der Rest ist Geschichte: Die Köpenickiade wurde unter anderem von Carl Zuckmayer in ein Theaterstück verwandelt, die Vorlage wurde bereits mehrmals verfilmt.

Victor Lustig – Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte

Paris ohne den Eiffelturm, das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Zwar gab es in den 1880er-Jahren rund um den Bau des Metallturms vielerlei Proteste kritischer Anwohner, aber als der Turm zur Weltausstellung stand, verstummten die kritischen Stimmen schlagartig. Trotzdem war lange nicht klar, was mit dem Eiffelturm in Zukunft genau geschehen soll. Diesen Umstand machte sich im Jahr 1925 der aus Böhmen stammende Victor Lustig zu Nutzen.

Historische Aufnahme des Eiffelturms und der ihn umringenden Pavillons während der Weltausstellung 1889
Die Silhouette von Paris ist ohne den Eiffelturm heute kaum vorstellbar. Dabei wurde der Metalllturm Ende des 19. Jahrhunderts eigentlich nur als Attraktion zur Weltausstellung errichtet und sollte nach einigen Jahren wieder abgebaut werden.

Lustig stammte aus gutbürgerlichen Verhältnissen, sprach mehrere Sprachen und beherrschte ein aristokratisches Auftreten. Dies erlaubte ihm unter anderen, mehr oder weniger erfolgreich so genannte Gelddruckmaschinen in den USA zu verhökern. Der berühmte Bau von Gustave Eiffel brachte ihn schließlich auf eine Idee.

Victor Lustig gaukelte sechs Pariser Schrotthändlern vor, der Eiffelturm solle verkauft werden und er sei beauftragt worden, das beste Angebot einzuholen. Nach einigem Hin und Her schaffte er es tatsächlich, mehr als eine Million Francs zu erschleichen. Dem geprellten Schrotthändler war seine Gutgläubigkeit so peinlich, dass er den Betrug nicht anzeigte.

Dies führte Victor Lustig kurzerhand dazu, den Trickbetrug noch einmal durchzuziehen, diesmal aber ohne Erfolg. Der Hochstapler floh zurück in die USA, wo er unter anderem Geschäfte mit dem berüchtigten Gangster-Boss Al Capone machte. Das Ganze ging nicht gut aus für Lustig – er starb 1947 auf der legendären Gefangeneninsel Alcatraz.

Konrad Kujau – Vom Kunst- zum Tagebuchfälscher

Die gefälschten Tagebücher von Massenmörder Adolf Hitler haben 1983 einen der größten Presseskandale der Bundesrepublik Deutschland ausgelöst. Verfasst wurden die Tagebücher nämlich keineswegs vom Diktator höchstselbst, sondern von Konrad Kujau. Der hatte sich schon während seiner Jugend in der DDR das Taschengeld mit gefälschten Autogrammkarten führender SED-Politiker aufgebessert.

Konrad Kujau hält Titelbilder der Zeitschrift STERN in den Händen
Konrad Kujau hat nicht nur Bilder gefälscht, sondern auch die Tagebücher des Diktators Adolf Hitler. Der Fall löste einen großen Medienskandal aus.

Von Autogrammkarten ging Kujau ab Anfang der 1960er-Jahre – inzwischen lebte er in Baden-Württemberg – zu Kunstfälschungen über. Eines der Werke aus der Zeit im Stile Gustav Klimts hängt heute im Fälschermuseum in Wien. Außerdem handelte Konrad Kujau mit Militaria, vor allem aus der NS-Zeit. Einem Stern-Reporter gaukelte der Betrüger vor, im Besitz einer historischen Sensation zu sein: den Tagebüchern Adolf Hitlers.

Diese Tagebücher hatte Kujau allerdings selbst schon Jahre zuvor angefertigt, „aus Jux“, wie er später erklärte. Dieser Sensation konnte der Journalist nicht widerstehen. Unterstützt von zweifelhaften Geldgebern kaufte er die Tagebücher für einen Millionenbetrag und forcierte die Veröffentlichung im Stern. Ende April 1983 publizierte die Zeitschrift erste Auszüge aus den vermeintlichen Tagebüchern. Die Auflage schoss in die Höhe.

Aber schon bald wurden Zweifel laut: Nur wenige Tage nach Erscheinen des Artikels war von Fälschungen die Rede. Schließlich ergaben Materialprüfungen zweifelsfrei, dass Papier, Klebstoff und Farben lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden waren. Das Kartenhaus um Konrad Kujau brach zusammen. Er wanderte für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Da der Hochstapler schwer krank war, wurde er vorzeitig entlassen. Wieder auf freiem Fuß vermarktete Kujau seine Geschichte gewinnbringend bis zu seinem Tod im Jahr 2000. Die gefälschten Tagebücher lagern heute zum Großteil im Bundesarchiv in Koblenz.

Gert Postel – Der habilitierte Postbote

Postbote ist ein ehrenhafter Beruf. Dem 1958 in Bremen geborenen Gert Postel war er aber offensichtlich nicht ehrenhaft genug, er fühlte sich zu Höherem berufen. Darum fälschte er nicht nur sein Abiturzeugnis, sondern auch seine Approbation. Postel besuchte medizinische Vorlesungen, las Fachbücher, übte sich im Medizinersprech – und bekam schließlich eine Stelle als Arzt in Norddeutschland.

Genau genommen waren es sogar mehrere Stellen, bei denen er Patient*innen behandelte, in psychiatrische Kliniken einweisen ließ und Medikamente verschrieb. Aber der Schwindel flog auf, Gert Postel wurde mehrfach angeklagt und verurteilt. Doch das hielt ihn nicht von weiterer Hochstapelei ab.

Der Postbote und Hochstapler Gert Postel
Als Mediziner konnte Gert Postel nicht mehr arbeiten, nachdem der Postbote Ende der 1990er-Jahre medienwirksam enttarnt wurde. Nach der Haft veröffentlichte er ein Buch über sein Leben als falscher Arzt.

Die Wirren rund um die Wiedervereinigung machte sich der Postbote zu Nutzen und fing als Oberarzt in einem sächsischen Krankenhaus für Psychiatrie an. Sogar eine Professur wurde ihm angeboten. Am Ende war es ein dummer Zufall, der Gert Postel enttarnt hat: Eine Kollegin hörte von Postels Vorgeschichte, er flog auf.

Im Gefängnis legte er den Grundstein für seine dritte Karriere. Er schrieb ein Buch, dessen Titel weder zufällig noch unbescheiden an Thomas Mann erinnert: „Doktorspiele – Geständnisse eines Hochstaplers“. Das Buch wurde zum Beststeller und Gert Postel ein gern gesehener Talkshow-Gast.

Anna Sorokin – Als russische Erbin in New York

Auch Hochstaplerinnen und Hochstapler haben es seit Erfindung des Internets schwerer. Lebensläufe und Familienverhältnisse lassen sich leichter nachprüfen, das Netz vergisst bekanntlich nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass die Russin Anna Sorokin über vier Jahre lang die New Yorker High Society an der Nase herumführen und ausnehmen konnte.

Anna Sorokin in Handschellen vor Gericht in New York
In Amerika gab sich Anna Sorokin den Namen Anna Delvey. Vor Gericht erschien sie oft in teurer Designermode.

Mal gab sie sich als Erbin eines millionenschweren Kunstmäzens aus, dann wiederum als Diplomatentochter. Sie erfand eine Stiftung und gab vor, ein Kunststudio eröffnen zu wollen. Stattdessen öffnete sie die Geldbörsen treuherziger Gönner. Anna Sorokin mietete sich in Luxushotels ein, kaufte Designerkleidung, buchte Flüge – und bezahlte kaum etwas davon. Und wenn doch, dann mit fremden Geld.

Zu Fall brachte die Trickbetrügerin eine Freundin, die die Umtriebe durchschaute und Sorokin unter einem Vorwand in eine Falle der amerikanischen Polizei lockte. Allerdings hat sich Sorokin den Gerichtsprozess und die anschließende Haftstrafe ordentlich versilbern lassen und hat ihre Lebensgeschichte an Netflix verkauft. Da das Gesetz in den USA aber verbietet, dass Gefangene finanziell von einer Haft profitieren, gingen die Zahlungen hauptsächlich an die Betrugsopfer.

Mittlerweile ist Anna Sorokin wieder frei, wenn auch unter Hausarrest. Dies hat sie jedoch nicht daran gehindert, mit elektronischer Fußfessel und unter dem Namen Anna Delvey, an der Fernsehshow „Dancing with the Stars“ teilzunehmen. So sind sie eben, die Hochstapler und Hochstaplerinnen: Auch aus scheinbar ausweglosen Situationen können sie Profit schlagen. Not macht schließlich erfinderisch.

Mehr über Betrügerinnen und Betrüger

Fälschungen auf dem Kunstmarkt Meister der Täuschung: Das Leben dieser elf berühmten Kunstfälscher liest sich wie ein Krimi

Der wohl berühmteste „Kunstfälscher“ ist der Überlieferung nach Michelangelo. Im großen Stil gefälscht und dadurch eine echte Geldquelle geschaffen, hat Beltracchi. Wir stellen elf Meister der Täuschung vor.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Gespräch Geliebt von allen: Felix Krull in Mainz

Der Moment der Liebe, der Begierde habe sie interessiert, sagt Regisseurin Milena Mönch über „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“. Der Roman von Thomas Mann eröffnet die aktuelle Spielzeit in Mainz.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Essay-Film über eine facettenreiche Persönlichkeit „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“: Erfrischend respektloser Dokumentarfilm über den deutschen Großschriftsteller

Mit viel Sympathie, aber ohne falsche Ehrfurcht nähert sich André Schäfers Film dem Leben von Thomas Mann und zeigt auf respektlose Weise angemessenen Respekt vor der facettenreichen Persönlichkeit des Schriftstellers.

SWR Kultur am Abend SWR Kultur

Leben & Gesellschaft Über den Mythos Eiffelturm und wie er fast verkauft worden wäre

Es gab eine Zeit, in der war der Eiffelturm nicht das Wahrzeichen von Paris, sondern ein maroder Haufen Stahl, den man gerne loshaben wollte. Diese Gelegenheit ergriff der Hochstapler Victor Lustig und verkaufte ihn kurzerhand. Von Hartwig Tegeler.

Matinee im Sommer – Auf Reisen SWR Kultur

ARD Radio Tatort Bankraub und Gerechtigkeit – Gute Gangster

München: Sie tragen Masken, wie die meisten Menschen, die in Zeiten der Pandemie eine Bank betreten, und das macht die Ermittlungsarbeit für Kriminalhauptkommissarin Jaqueline Hosnicz und ihren Partner Jakob Rosenberg nicht leichter.
Nach einer Serie von Banküberfällen lautet ihre erste Frage: Wer ist heute noch so blöd, sich auf Bankraub zu spezialisieren? Wo doch allgemein bekannt ist, dass der Arbeitslohn in der Regel gering ist und die Aufklärungsquote sehr hoch. Auffällig ist, dass die Bande ruhig und ohne sinnlose Gewalt vorgeht und über äußerst diffizile Fluchtwege davonrast.
Ihre zweite Frage: Was hat es mit dem Märchen von den "Gangstern mit dem guten Herz" (Lokalpresse) auf sich? Ihre Überlegungen werden jäh beendet, als es einen erneuten Banküberfall gibt, diesmal mit einem Toten. Und einem Bekennerschreiben: "Wir sind in der Tradition des bayerischen Bankräubers Theo Berger und wir holen uns die soziale Gerechtigkeit, um die wir alle beschissen werden."
Hauptkommissar Rosenberg kennt die Geschichte um den sogenannten 'Al Capone vom Donaumoos' und weiß: "Das hätte es jetzt aber nicht auch noch gebraucht."


Von Franz Dobler
Mit Bibiana Beglau, Johannes Silberschneider, Viola von der Burg u.a.
Musik: Das Hobos
Regie: Ulrich Lampen
Produktion: BR 2020